Sport-Geschäftsführer Samir Arabi über Arminias Aussichten in der Fußball-Bundesliga - mit Video
„Wie ein Gummiboot gegen Motorboote“
Bielefeld (WB). Samir Arabi ist am Ziel. Als der 41-Jährige im März 2011 den Posten des Sportchefs bei Arminia Bielefeld übernahm, stand der DSC als Absteiger in die 3. Liga fest. Arabi baute ein komplett neues Team auf. Mehr als neun Jahre später steigt er mit den Ostwestfalen in die Bundesliga auf. Im Gespräch mit den Redakteuren Sebastian Bauer und Dirk Schuster blickt der gebürtige Kölner, der in dieser Saison ein Angebot des 1. FC Köln ausschlug, auf eine bewegte Amtszeit zurück. Und erklärt, warum er mit Arminia in einem Gummiboot ins Erstligarennen geht.
Was schießt Ihnen durch den Kopf, wenn Sie auf neundreiviertel Jahre als Sportchef von Arminia Bielefeld zurückblicken, Herr Arabi?
Samir Arabi: Wenn man sich die Entwicklung anguckt von den ersten beiden Jahren, als wir nichtmal wussten, ob wir überhaupt eine Lizenz bekommen und mit Spielern, die in der 3. Liga in Vierbettzimmern im Hotel geschlafen haben, bis heute, lässt sich festhalten: Arminia Bielefeld wird in der Branche inzwischen wieder anders wahrgenommen. Ich freue mich sehr über diejenigen, die sich nach unserem Erfolg gegen Dresden gemeldet haben.
Es ist wichtig daran zu denken, welche Leute einen in dieser Zeit begleitet haben, weil sie alle in irgendeiner Art und Weise mindestens ein kleiner Mosaikstein dessen sind, was Arminia heute darstellt. Markus Rejek (kaufmännischer Geschäftsführer, Anm. der Red.) ist für Arminia ein Glücksfall. Aber wenn Leute wie seine Vorgänger Gerrit Meinke oder Marcus Uhlig in der ganz wilden Zeit sich nicht mit dem ganzen Wahnsinn auseinandergesetzt hätten, hätten wir darauf nicht aufbauen können.
War es mehr Chance oder mehr Risiko, bei Arminia anzufangen?
Arabi: Als ich im März 2011 nach Bielefeld kam, konnte ich das ganze Ausmaß noch nicht einschätzen. Ich habe das damals als Chance begriffen, aber dann explodierte beinahe jeden Tag eine Bombe. Der Etat wurde gefühlt von Woche zu Woche kleiner. Dann hieß es: Reisekostenetat? Gibt’s nicht. Spielerberateretat? Gibt’s nicht. Wir haben den Erhalt der Lizenz anfangs gefeiert wie einen Aufstieg. Rückblickend war es blauäugig, den Job anzutreten. Bereut habe ich es zu keinem Zeitpunkt.
Es gab für Sie auch andere Optionen, schneller als Sportchef in die Bundesliga zu kommen als mit Arminia.
Arabi: Diese Optionen gab es. Aber wenn man so eine enge Verbundenheit zu der Sache und sich den Erfolg selbst erarbeitet hat, ist es viel emotionaler. Das hat für mich persönlich einen deutlich höheren Wert als der Seiteneinstieg bei einem anderen Klub.
Mit welchem Etat plant Arminia in der 1. Liga?
Arabi: Unser Bundesliga-Etat in der nächsten Saison wird deutlich geringer sein, als aktuell der HSV, Nürnberg, Hannover oder Stuttgart in der 2. Bundesliga haben. Das muss man wissen, um unsere Situation realistisch einschätzen zu können.
Welche Ziele lassen sich damit erreichen?
Arabi: Man muss realistisch sein – ambitioniert, aber realistisch. Unser ehemaliger Präsident Dr. Jörg Zillies hat über das Finanzielle immer gesagt: ‚Wenn es gut geht, bleibt’s eng.’ Das gilt jetzt insbesondere für das Sportliche.
Wir müssen das Gallische Dorf sein . Wir werden unser Publikum brauchen. Wir haben nur dann eine Chance drinzubleiben, wenn wir am Limit spielen. Gleichzeitig müssen andere Vereine deutlich unter ihrem Limit bleiben. Und wir brauchen unerwartbare Siege. Wenn dann der Klassenerhalt gelingt, wäre das ein Fußballmärchen. Was aber nicht bedeutet, dass hier irgendeiner jetzt schon die Flinte ins Korn wirft. Nur: Wir müssen die Situation richtig einordnen. Es ist, als würde ein Gummiboot gegen lauter Motorboote antreten. Und wegen Corona hat das Gummiboot jetzt auch noch ein Leck.
Bis zu welchem Grad ist der Klub bereit, ein finanzielles Risiko einzugehen?
Arabi: Wir werden in Bielefeld kein wirtschaftliches Risiko eingehen und uns nicht verschulden. Solange offiziell nicht wieder mit Zuschauern gespielt werden darf, werden wir garantiert kein Geld aus hypothetischen Zuschauereinnahmen für Spielerverpflichtungen ausgeben.
Inwiefern soll der Kader für die 1. Liga verändert werden?
Arabi: Wir würden gern in allen Mannschaftsteilen etwas machen. Es wäre sicher wünschenswert, den einen oder anderen bundesligaerfahrenen Spieler dazuzunehmen. Doch ob das alles wirtschaftlich darstellbar ist, wissen wir aufgrund der Corona-Situation noch nicht.
Wie sind die Planungen für die Saison-Vorbereitung?
Arabi: Ob wir ein Trainingslager absolvieren, steht noch nicht fest. Wir wissen ja nicht, ob nicht vielleicht noch eine zweite Corona-Welle kommt. Wir wissen nicht, wann die Saison beginnt. Wir wissen nicht, ob die Saison ohne Pause durchgespielt wird und wir so das Geld für ein Wintertrainingslager einsparen. Wir wissen nicht, wann das Transferfenster öffnet und wann es schließt. In der nächsten Woche ist die nächste DFL-Mitgliederversammlung, vielleicht wissen wir danach mehr.
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