Am Ende ihres Produktlebenszyklus: Die klassische Lebensversicherung
Bei vielen von unseren Eltern und Großeltern kam der Versicherungsvertreter in den Sechzigerjahren noch höchstpersönlich an die Haustür, um die monatlich fällige Rate der Lebensversicherung in bar zu kassieren.
Genauso wie diese Art des Beitragseinzugs per pedes scheint nun auch die klassische Lebensversicherung mit Garantiezins selbst zum Anachronismus zu werden. Schuld ist die Senkung des Höchstrechnungszinses. Er wird vom Bundesfinanzministerium festgelegt und reguliert den Zinssatz, der von den Versicherern maximal zur Berechnung von Versicherungsangeboten angesetzt wird.
Neben den klassischen Policen sind auch private Renten- und Berufsunfähigkeitsversicherungen (BU) betroffen.
Klassische Lebensversicherungen kurz definiert
Generell wird eine Lebensversicherung abgeschlossen, um für sich oder seine Familie im Todesfall vorzusorgen. Beim klassischen Versicherungsmodell wird eine bestimmte Summe vertraglich festgelegt, die im Todesfall an die im Versicherungsvertrag bevollmächtigte Person ausgezahlt wird. In der Regel handelt es sich in klassischen Verträgen um die Ehepartnerin, den Ehepartner oder die Nachkommen.
Als Teil der privaten Altersvorsorge wird die sogenannte Kapital-Lebensversicherung genutzt. Erleben die Versicherungsnehmer das Rentenalter, erhalten sie die angesparte Summe dann in der Regel als monatliche Rente.
Höchstrechnungszins beschleunigt den Niedergang
Die klassischen Lebensversicherungen kommen durch die jahrelange Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank immer mehr in Bedrängnis. In Zusammenhang mit der steigenden Inflation führt das mittlerweile zu deutlich negativen Realzinsen. Die erneute Senkung des Höchstrechnungszinses von 0,9 auf 0,25 Prozent zum 1. Januar 2022 könnte diesen althergebrachten Versicherungsprodukten nun endgültig den Garaus machen.
Sie bedeutet praktisch den Rückzug aller klassischen Versicherungsprodukte vom Markt, die bisher einen garantierten Festzins über die gesamte Laufzeit beinhaltet haben.
Auch private Rentenversicherungen sind betroffen
Die negativen Folgen der Rechnungszinssenkung betreffen dabei nicht nur nicht nur die klassischen Versicherungen, sondern auch Renten- und Berufsunfähigkeitsversicherungen (BU). Der Grund hierfür: Durch die Senkung wird die effektive Versicherungssumme am Ende der Laufzeit geschmälert – bei gleichen Einzahlungsbeträgen.
Die Finanzdienstleister von tecis erklären auf ihrer Website, welche Verluste diese Entwicklung gerade für junge Anleger zur Folge haben, die seit Beginn dieses Jahres einen Abschluss getätigt haben. Das ist insofern tragisch, weil gerade die jungen Verbraucher von heute besonders effizient privat vorsorgen müssen, um die späteren Defizite bei der sinkenden gesetzlichen Rente auszugleichen.
Laut tecis wurde der Höchstrechnungszins gesenkt, um den Folgen der Pandemie zu begegnen. Das wiederum beeinflusse die Absicherungsmöglichkeiten bei der privaten Vorsorge. Etwa bei einem 27-jährigen Arbeitnehmer, der vor dem 1. Januar dieses Jahres eine fondsgebundene Rentenversicherung abgeschlossen hat und 40 Jahre lang 100 Euro pro Monat in den Rentenvertrag einzahlt.
Da er die Police im letzten Jahr abgeschlossen hat, kommt er noch in den Genuss des Rechnungszinses in Höhe von 0,9 Prozent. Gemäß den Berechnungen der tecis-Experten erhält er am Ende der Laufzeit einen Auszahlungsbetrag in Höhe von 148.335 Euro.
Hat der Arbeitnehmer seine Police erst im Januar 2022 oder später unterschrieben, erhält er zu denselben Konditionen einen Betrag in Höhe von 135.210 Euro – der gesunkene Höchstrechnungszinses beschert ihm 13.125 Euro weniger.
Höhere Beiträge für Berufsunfähigkeitsversicherungen, bei gleicher Auszahlungshöhe
Laut den tecis-Angaben beeinflusst die Rechnungszinssenkung auch den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) negativ. Dazu liefern die Finanzdienstleister aus Hamburg folgendes Rechnungsmodell: Eine 25-jährige Arbeitnehmerin hat im letzten Jahr eine BU mit einer monatlichen Absicherung von 1.000 Euro abgeschlossen. Dadurch kommt sie noch in den Genuss des alten Rechnungszinses und zahlt für diese Leistung einen monatlichen Beitrag von 65,36 Euro.
Hat sie ihre BU erst in diesem Jahr abgeschlossen und ist damit von der Senkung des Rechnungszinses von 0,9 auf 0,25 Prozent zum Jahreswechsel betroffen, erhöht sich ihr monatlicher Beitrag auf 69,58 Euro – bei gleich hoher finanzieller Absicherung im Falle der Berufsunfähigkeit. Damit zahlt sie für dieselbe BU-Leistung deutlich mehr.
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