Fußball: „Winterview“ mit Ingo Seidel, Hauptorganisator des Girls Snow Cups
„Blümchen-Cup statt Snow-Cup“
Lübbecke (WB). Die besten deutschen U15-Fußballerinnen zeigen in der Kreissporthalle ihr Können: Der Girls Snow Cup ist mittlerweile eine feste Institution in der deutschen Fußball-Turnierlandschaft. Turniergründer und -Hauptorganisator Ingo Seidel spricht im großen „Winterview“ mit den Redakteuren Hans-Peter Tipp und Ingo Notz über die Anfänge und die Zukunft des Turniers ebenso wie über Diskriminierungen und sonstige Probleme des Frauen- und Mädchen-Fußballs.
Es ist der neunte GSC, das Jubiläum naht...
Ingo Seidel: Genau, ein Jahr noch, dann haben wir die 10 voll. Die schaffen wir auch, definitiv. Wir wollen auch länger. Es ist ja das Ziel, und das war es von Anfang an, dass wir durch den GSC den Mädchenfußball hier im Altkreis und jetzt auch im Kreis Minden-Lübbecke weiter voranbringen.
Bei den Kreismeisterschaften Frauen waren fast keine Zuschauer, wenig Mannschaften, auch aus Ihrem Verein. Ist das Projekt Mädchen- und Frauenfußball nicht schon gescheitert?
Ingo Seidel: Nein! Das ist sicherlich nicht gescheitert. Das ist eine allgemeine Tendenz im Bereich des Frauen- und Mädchenfußballs, dass wir da abnehmende Zahlen haben. Sowohl, was die Spielerinnen selbst anbelangt, als auch was die Mannschaften anbelangt. Es gibt eine entsprechende Studie, wir haben in manchen Bereichen im Frauen und Mädchenfußball einen Rückgang von 50 Prozent. Das erleben wir hier im Kreis Minden-Lübbecke auch, wir haben hier in den fetten Jahren 2007 um 36 C- und B-Mädchen-Mannschaften im Kreis gehabt, zusätzlich noch die eine oder andere D-Juniorinnen-Mannschaft. Als wir das Turnier 2012 angefangen haben, hatten wir noch 25 Mannschaften B und C – tja, und heute sind es nur noch sieben Mannschaften beziehungsweise Vereine im Kreis, die B-/C-Mannschaften am Start haben, da haben wir noch knapp über 100 Spielerinnen.
Woraus führen Sie diese Entwicklung zurück? War das Hoch nur eine künstliche Übertreibung rund um die Heim-WM 2011, die vom DFB bewusst groß gemacht wurde und die dann keine Nachhaltigkeit hatte?
Ingo Seidel: Da spielen viele Faktoren rein. Auf der einen Seite ist es sicherlich so, dass es vom Verband, das heißt vom DFB, Maßnahmen getroffen wurden, die sicher nicht immer richtig waren, unter anderem sehe ich zum Beispiel auch die vor zwei Jahren eingeführte Zweite Bundesliga als Punkt, wo auch Zweitvertretungen von Erstligisten spielen, das gibt es im Männerbereich nicht. Da dürfen die Zweitvertretungen von Bundesligisten bis maximal Dritte Liga hoch und danach ist Sense. Alleine wenn in dem Bereich Mannschaften wie Bayern und Wolfsburg und so unterwegs sind, dann ziehen die natürlich auch aus dem Umfeld Spielerinnen aus der Region, dann wird es für kleine Vereine auch schon schwerer, ihre eigenen Mannschaften zu bestücken.
Ingo Seidel (Turnierchef Girls Snow Cup)
Hier haben Sie aber keine Bundesligisten außer Herford. Das kann im Kreis dann ja nicht der Grund sein...
Ingo Seidel: Herford hat uns da in der Vergangenheit sicher schon recht weh getan. Das muss man ganz klar sagen. Mittlerweile dürfte sich das auch auf eine komplette Mannschaft belaufen, die in den letzten Jahren dorthin gegangen ist. Die eine oder andere Spielerin ist nach Bielefeld gegangen. Die eine oder andere ist auch nach Gütersloh gegangen, das hat uns sicher nicht extrem gut getan. Darüber hinaus sind wir hier auch in einer Handball-Region. Wenn man guckt, was im Handballvereinen im Mädchenbereich läuft, die sind da schon in den Jahrgängen durchgehend vertreten. Das ist bei uns im Mädchenbereich im Fußball nicht der Fall. Und die Vereine müssen für sich entdecken in einer Zeit, in der auch im Jungen-Bereich viele Zusammenschlüsse sind – wir haben teilweise drei, ja vier Vereine gehabt, die zusammengehen – dass gerade das natürlich ein Punkt ist, wo die Vereine sagen können: Im Mädchen-Fußball steckt das Potenzial, das ist auch nach wie vor da, wir müssen die Mädels nur abholen, dann haben wir auch wieder andere Mitgliederzahlen in den Vereinen. In dem einen oder anderen Verein sind natürlich Mödchen integriert, in den Jungen-Mannschaften, überhaupt keine Frage, nichtsdestotrotz müssen wir hier im Kreis an der Stelle wesentlich mehr zusammenarbeiten als wir es heute tun. Auch Vereine. Nicht nur die Vereine, die Mädchenfußball anbieten, sondern auch alle darüber hinaus, denn das Potenzial ist da.
Was wären kurzfristig Maßnahmen, die man ergreifen könnte, die Vereine ergreifen sollten?
Ingo Seidel: Was wir im Sommer schon mit der Kreisauswahl besprochen haben, ist, dass die Kreisauswahl seit dem Sommer auch im Hinblick auf den GSC „Freundschaftsspiele“ gegen die Jungen-Mannschaften hier im Kreis spielen, fünf in der Hinrunde, fünf in der Rückrunde, um ihnen die Möglichkeit zu bieten, technisch guten Fußball spielen zu können, weil nur Training es am Ende des Tages auch nicht bringt. Jetzt müssen auch noch andere Maßnahmen kommen.
Was ist nötig, damit die Mädchen wieder in die Vereine kommen und wieder Mannschaften gebildet werden können?
Ingo Seidel: Was wir machen müssen, ist, dass wir Tage des Mädchenfußballs anbieten müssen, wie wir es von Gehlenbecker Seite oder der eine oder andere auch gemacht haben, was in den letzten zwei, drei Jahren so ein bisschen ausgeblieben ist. Das müssen wir flächendeckend machen. Wir müssen uns da so zusammenschließen, dass die Bereiche Lübbecke, Espelkamp, Dielingen/Stemwede Tage des Mädchenfußballs veranstalten, wo wir den Mädchen zeigen. Hey, das ist ein geiler Sport.
Die letzten Versuche sind bei Teilnehmerzahlen von mal zwei, mal sechs gescheitert, teilweise ganz ausgefallen...?
Ingo Seidel: Das ist so. Als wir es vom TuS Gehlenbeck gemacht haben, hatten wir in der Spitze bis 40 Mädchen, die zum Tag gekommen sind, zum Schluss waren es noch gute 20. Du musst halt laut sein! Wir müssen Werbung machen, wir, die Vereine, der Kreis, dass es ein Stück weit auch gehypt wird – dann sehe ich da eigentlich überhaupt keine Probleme.
Ingo Seidel (Turnierchef Girls Snow Cup)
Warum sind die Kinder nicht zu diesen Aktionen erschienen? Vor Jahren hatten wir Frauen-Landesliga, Du hattest mehr Vereine auf einem höheren Niveau, mehr Nachwuchs...
Ingo Seidel: Am Ende des Tages müssen alle verstehen, dass wir miteinander etwas schaffen müssen und nicht jeder für sich alleine. Es ist mir egal, ob das Mädchen am Ende des Tages in Gehlenbeck anfängt oder in Isenstedt, Frotheim, Espelkamp oder Stemwede, das ist mir relativ egal. Hauptsache, die Mädchen kommen und sie machen was, das ist für mich wichtig. Dann werden die Vereine auch wieder mehr Zulauf haben. Wir müssen wirklich konzertierte Aktionen fahren, die auch wirklich in der Öffentlichkeit gehört werden, sei es ein Soccer-Turnier nur für Mädchen in der Langen Straße hier in Lübbecke, das gleiche in Espelkamp zum Beispiel, und das in Kombination mit dem Tag des Mädchenfußballs, dann wächst auch wieder das Interesse. Wir müssen den Mädchen hier aber auch eine Perspektive bieten. Es gab in der Vergangenheit Landesliga in Isenstedt, wir müssen dazu kommen, dass wir Teams haben, die überkreislich, überregional unterwegs sind. Ob man das in Isenstedt oder Gehlenbeck oder wo auch immer macht, oder ob man sagt, man bildet in dem Moment einfach ein Altkreis-Team oder ein Kreis Minden-Lübbecke-Team, das aus all diesen Vereinen bestückt wird. Wenn ich dann eine Spielerin habe, die ambitioniert ist, die weiterkommen will, dann muss ich ihr einfach die Möglichkeit bieten, hier im Kreis Minden-Lübbecke auch hochklassig zu spielen. Punkt!
Fehlte es in der Vergangenheit an der Stärke der Spielerinnen oder an der Stärke der Vereine, über den eigenen Schatten zu springen und so etwas zu organisieren?
Ingo Seidel: In der Vergangenheit war es definitiv so, dass es nicht an der Stärke der Spielerinnen gelegen hat... Es sind ja auch aus dem Kreis Minden-Lübbecke einige Spielerinnen, die weitergekommen sind, die in Herford, Gütersloh oder Bielefeld gelandet sind. Wie Gentiana Fetaj, die jetzt in Bielefeld in der 2. Bundesliga spielt und eine Vergangenheit beim GSC hat. Das Potenzial ist durchaus da, aber als Verein muss ich in dem Moment einfach sagen: Es geht nicht um den TuS Gehlenbeck, es geht nicht um den SC Isenstedt oder VfL Frotheim oder um wen auch immer, es geht darum, dass wir den Mädchen hier eine Perspektive bieten.
Gentiana Fetaj kommt aus Petershagen, musste hier aber bei den Jungen in Espelkamp spielen, weil im ganzen Kreis keine Mädchenmannschaft in der Lage war, ein solches Talent zu fördern?
Ingo Seidel: Auf der einen Seite gab es damals kein entsprechendes Mädchenteam, auf der anderen Seite musste sie ja auch im Jungen-Team überkreislich spielen – und seinerzeit war Espelkamp halt in der Bezirksliga und da auch so ziemlich das einzige Team von hier, da war die Notwendigkeit einfach da, dass sie da auch spielt, weil es von Seiten des FLVW so kommuniziert war: Pflichtprogramm, um auch in der Westfalenauswahl zu spielen oder höherklassig.
Das heißt, der Verband verhindert im Prinzip, dass kleine Vereine groß werden können, weil er die einzelnen guten Spielerinnen zwingt, früh zu wechseln, in höheren Ligen zu spielen und nicht über Jahre mit einem Verein wachsen können?
Ingo Seidel: Ja, das ist sicher ein Stück weit so. Ob es im Detail so ist, kann ich schlecht beurteilen. Die Spielerinnen werden natürlich in den größeren Vereine beobachtet, in der Kreisliga gucken sich die Auswahltrainer auch nicht unbedingt um.
Ingo Seideel (Turnierchef Girls Snow Cup)
Fühlen Sie sich im Fußballkreis gleichberechtigt? Fühlen Sie sich gehört?
Ingo Seidel: Gehört werden wir schon. Auch ich werde sicherlich gehört. Am Ende fehlt es im Moment so ein bisschen an der Umsetzung. Wir brauche an der Stelle sicher auch mehr Manpower, keine Frage – sowohl Männer als auch Frauen, die unbedingt wollen. Der Kreis sperrt sich da gegen nichts, das muss man sagen. Wo es im Moment noch hakt, das sind die Vereine. Die Vereine müssen die Notwendigkeit sehen, in dem Bereich präsenter unterwegs zu sein – und das ist heute sicherlich heute noch nicht der Fall. Das muss man ganz klar so sagen! Guckt Euch Borussia Dortmund an, guckt Euch Schalke, an, die sich partout dem Frauenfußball verweigern. Es ist noch nicht angekommen, das liegt aber auch ein Stück weit an uns Männern. Der Satz von Inka Grings, „Es gibt nicht nur tolle Männer auf dieser Welt“ – das ist so. Wir Männer meinen heute, wir sind der Nabel der Welt – auch im Sportbereich. Natürlich muss ich mir keine Illusionen hingeben, dass eine Frau mit 1,70 Meter nicht an Bälle herankommt, die ein Manuel Neuer mit 1,90 erreicht, das ist logisch. Das muss uns allen bewusst werden.
Es muss die jeweilige Leistung respektiert werden?
Ingo Seidel: Genau. Auch in der Leichtathletik, wo ein Mann 9,6 läuft und eine Frau ein oder zwei Sekunden langsamer läuft, das wird da akzeptiert. Im Fußball wird es nicht akzeptiert, dass eine Frau langsamer ist, das ist halt so, technisch ist sie aber trotzdem versiert.
Woran liegt es, dass im Fußball die Auswirkungen dieser Nichtakzeptanz größer sind als in anderen Sportarten?
Ingo Seidel: Die Strukturen sind im Mädchenfußball noch nicht so alt. Wir spielen Frauen- und Mädchenfußball seit den 70er Jahren, davor haben wir es nicht gemacht.
Nicht gemacht heißt: Es war verboten...
Ingo Seidel: Es war verboten! Es ist bis in die 70er Jahre verboten gewesen.
Warum?
Ingo Seidel: Tja, warum... Die Frage muss man anderen stellen, warum es so war. Wahrscheinlich weil auf den entsprechenden Ebenen überall Männer saßen und die es einfach nicht wollten – weil es die heilige Kuh war für sie und Frauen gehörten, auf gut Deutsch gesagt, für die hinter den Kochtopf. Das ist so.
Ingo Seidel (Turnierchef Girls Snow Cup)
Das Denken hat sich aber auch zum Teil in den Frauenfußball übertragen. Ich erinnere mich an eine EM, 1989, bei der die deutschen Nationalspielerinnen als Prämie kein Geld bekommen haben, sondern...
Ingo Seidel: ...ein chinesisches Tee-Service... Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen. Wenn wir uns heute die Bundesligen angucken, von den Gehältern müssen wir gar nicht sprechen: Die Leistung, die eine Frau bringen muss, um nicht einmal annähernd dahin zu kommen wie ein Mann, die ist eine ganz, ganz andere. Da gibt es vier, fünf Vereine, die das Geschehen diktieren, Wolfsburg, Hoffenheim, Essen, Potsdam, Frankfurt – die diktieren das Ganze. Wir haben nur eine Zwölfer-Liga und ein Großteil der Spielerinnen geht tagsüber einem geregelten Job nach. Da ist der Aufwand viel, viel höher. Und die können, wenn die mit 35 oder 40 aufhören, davon leben bis ans Ende ihrer Tage, wenn sie ihr Geld nicht verschleudern. Bei den Frauen funktioniert das so nicht. Die müssen einen Beruf haben.
Ist das eine Diskriminierung in Ihren Augen? Oder Marktwirtschaft?
Ingo Seidel: Beides!
Eine diskriminierende Marktwirtschaft?
Ingo Seidel: Ja.
Ingo Seidel (Turnierchef Girls Snow Cup)
In der Gesellschaft ist es ja auch häufig so, dass Frauen für den gleichen Job schlechter bezahlt werden oder mehr arbeiten müssen...
Ingo Seidel: Das ist ein generelles Problem. Deshalb spreche ich ja, wenn ich von Rassismus spreche, spreche ich nicht nur von Rassismus Schwarz/Weiß, unter den Religionen oder zwischen den einzelnen Staaten, ich spreche von Rassismus, der auch in diesen Bereichen reinspielt. Die Begrifflichkeit ist vielleicht ein Stück weit verkehrt, mag sein, aber etwas anderes, als die Frauen zu diskriminieren, machen wir da ja nicht. Das ist gelebte Praxis. Wir verstecken uns dahinter, dass wir sagen: Das war ja immer so – und die Fankultur, die wir mittlerweile haben, nimmt das so zur Kenntnis. Bei den Männern sind 60000 im Stadion, bei den Frauen sind es in der Spitze 2000. Wenn ich nach England gucke, da waren es bei einem Länderspiel über 60000.Da wird das schon ganz, ganz anders gelebt. Hier legt der DFB seine Länderspiele für die Frauen auf den Nachmittag, 15 Uhr, auf einen Mittwoch. Ja, warum denn? Damit keiner derjenigen, die sich dafür interessieren, oder viele andere, keine Chance haben, sich solche Spiele anzuschauen. Ich arbeite auch noch tagsüber. Der zweite Punkt ist, dass die Medien nur noch auf den großen Kuchen springen, Werbeeinnahmen sehen, die sie generieren können – das hängt alles miteinander zusammen.
Man muss aber auch sehen, dass der Fußball schon einiges für die Frauen getan hat: Keine andere Sportart außer Fußball und vielleicht Biathlon oder andere Wintersportarten, schaffen es zur besten Fernsehzeit, irgendwelche Vorbereitungsspiele zu übertragen – und im Frauenfußball wird jedes Spiel öffentlich-rechtlich und live im deutschen Fernsehen übertragen...
Ingo Seidel: Aber wann? Ich kann mir das um 15 Uhr nicht angucken.
Es ist schon so, dass mehr Lobbyarbeit für Frauenfußball gemacht wird als für Frauen in anderen Sportarten oder generell viele andere Sportarten?
Ingo Seidel: Das ist sicherlich richtig. Da sind, wenn man sich die Werbemaßnahmen im Rahmen der WM letztes Jahr anguckt, die Frauen mittlerweile sicher auch etwas lauter geworden – aber wenn man sich da manche Kommentare anguckt, da packe ich mir nur an den Kopf als normal denkender Mensch.
Zum Beispiel?
Ingo Seidel: Dass man sich den Kram nicht angucken kann. Dass es technisch nicht versiert ist. Dass sie mehr oder weniger nur ein bisschen über den Platz laufen. Ganz ehrlich: Wenn ich negativ auf eine Geschichte eingestellt bin, dann halte ich mich da raus! Dann halte ich meine Fresse und gehe nicht in solche Gruppen rein und provoziere bis zum Anschlag.
Ingo Seidel (Turnierchef Girls Snow Cup)
Wir würden Sie das Niveau hier im Kreis aktuell beschreiben?
Ingo Seidel: Das Niveau hat sich jetzt nicht grundsätzlich verschlechtert. Es sind einfach viel, viel weniger Mannschaften, viel, viel weniger Frauen und Mädchen, die Fußball spielen. Das Niveau der Mädchen selber ist dadurch ja nicht schlechter, aber wir haben halt nicht die Menge, die Masse. Je mehr Masse ich habe, desto mehr hast Du Spielerinnen, um der Stammbesetzung noch einmal einen Schub zu geben, noch einmal eine Schippe draufzulegen, damit ich nicht auf der Bank sitze am Ende des Tages. Und das haben wir hier in dem Bereich nicht, das muss man ganz klar sagen.
Sie haben gesagt, sie müssten lauter werden. Welche Rolle spielt dabei der Snow Cup?
Ingo Seidel: Unsere Rolle ist die, dass wir zusehen müssen, hier möglichst viele Zuschauer darunter möglichst viele Mädchen und Frauen, in die Halle reinzukriegen und ihnen am Ende zeigen, was für ein geiler Sport das ist. Wenn ich am Samstag um 10 Uhr in die Halle komme, wird es gleich von Anfang an krachen. Wir haben einen anderen Modus als der Freeway-Cup, bei uns geht es von Anfang an zur Sache. Wenn ich mir eine Gruppe angucke mit Saarbrücken, Leipzig oder Essen, dann habe ich drei Mannschaften, die alle für die ersten drei Plätze infrage kommen oder eins bis fünf – aber einer davon wird rausgekegelt werden. Das ist das, was wir nach außen projizieren müssen, dass die Mädels, die hier rumlaufen, das Beste ist, was wir in Deutschland haben. Die spielen geilen Fußball. Auch wenn ich sie gegen Männer- oder Jungen-Teams laufen lassen würde, würden sie deshalb nicht schlechter aussehen. Auch da würden sie ihre „Frau“ stehen. Die Stimmung ist seit Jahren sehr, sehr gut, auch wenn wir sicher im Vergleich zum Freeway-Cup weniger Zuschauer haben, gar keine Frage. Aber der Unterschied zu den Mädchen ist, dass die zusammen feiern, auch miteinander, nicht nur in einem Team, auch die Teams miteinander – und im Jungenbereich ist es so: Der Junge, der Mann, der feiert sich selber, weil er eine gute Aktion hatte, weil er ein Tor geschossen hat – und, und, und... Das sind halt wirklich die Unterschiede. Und wenn wir uns selbst mal in die Köpfe reingucken, uns mal in einer ruhigen Minute Gedanken darüber machen, ob es bei uns ähnlich ist, ich glaube, dann werden wir zu dem Schluss kommen: Ja, es ist häufig so. Bei den Mädchen ist es halt ein bisschen anders.
Ingo Seidel (Turnierchef Girls Snow Cup)
Worauf können sich die Zuschauer freuen, die noch nie beim GSC waren?
Ingo Seidel: Auf der einen Seite natürlich auf ganz, ganz tollen Fußball. Auf eine extremst familiäre Atmosphäre. Das sind wir und das werden wir auch immer bleiben. Wir sind, was den Mädchenfußball angeht, mittlerweile eine Familie – und was unser Orga-Team angeht auch. Selbst unsere Helfer, die von weiter herkommen, das ist so familiär, man fühlt sich sofort aufgenommen. Das ist sicher ein Punkt. Darüber hinaus können sich die Events auch sehen lassen. Patsy Hull ist bei uns immer gesetzt für den Samstagmittag, die immer ganz, ganz tolle Sachen macht. Das gehört bei uns mittlerweile dazu, gehört quasi zum Inventar. Am Sonntagmittag haben wir dann unseren „großen“ Showact TJ Wheels, der vor ein paar Jahren auch schon mal beim Freeway-Cup war, war auch schon beim Supertalent, wird eine richtig schöne Sache. Für uns eine tolle Sache sind die Breitensportkids, die Sonntagnachmittag auftreten und danach auch mit den Mannschaften einlaufen. Das ist noch mal eine extrem emotionale Geschichte für uns, auch für mich. Alle, die hierhin zum Turnier kommen, auch die Auswärtigen, werden begeistert sein. Letztes Jahr ist auch durch Facebook noch mal ein richtiger Hype gegangen, wo uns gesagt wurde, dass das das beste Turnier gewesen sei, was wir je hatten. Wir können es schlecht beurteilen, wir können es nur immer aufnehmen, was wir von außen hören. Dieses Jahr werden wir noch eine Schippe drauflegen. Schlechten Fußball wird es bei uns sicher nicht zu sehen geben.
Gibt es schon Pläne für das Jubiläumsjahr?
Ingo Seidel: Definitiv. Das neue Jahr ist schon wieder im Kopf, das aktuelle ist zumindest für mich eigentlich schon abgearbeitet. Jetzt kommt das Turnier, aber der Blick geht schon zum nächsten Jahr, klar.
Haben Sie sich etwas Besonderes vorgenommen?
Ingo Seidel: Ja, wir sind sicher an etwas dran, was das Thema Events anbelangt, auf der anderen Seite auch diese Dinge wie Leinwände noch mehr zu spielen. Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal die Leinwand vom TuS N-Lübbecke, die wir nutzen können.Nächstes Jahr werden wir sicher noch einmal lauter sein, auch im Vorfeld lauter sein. Ansonsten denke ich: Vom Fußballerischen her können wir da nichts verbessern. Es wird immer wieder auch da Änderungen geben, wir haben auch eine Anfrage von den Mädchen von Bayer Leverkusen, die unbedingt dabei sein wollen.
Wie wäre es mit internationalen Mannschaften wie beim Stemweder Pfingstturnier? Wäre das ein Gedanke?
Ingo Seidel: Nein. Wir haben in den Anfängen auch mit dem Gedanken gespielt, aber mittlerweile sehen wir und unsere Gäste auch uns als inoffizielle deutsche Meisterschaft, da würde dann ein Team aus England oder Frankreich nicht reinpassen. Außerdem gibt es drei Wochen vor unserem GSC ein internationales Turnier in Wiesbaden, mit dem wir sehr gut zusammen arbeiten, das ist mittlerweile ein richtig großes Netzwerk, da macht es am Ende des Tages keinen Sinn, wenn wir damit anfangen.
Ingo Seidel (Turnierchef Girls Snow Cup)
Beim Aufbau gibt es in diesem Jahr eine Besonderheit, weil am Vorabend noch ein Zweitliga-Spiel des TuS N-Lübbecke in der Kreissporthalle stattfindet, das eigentlich am ersten Turniertag des GSC geplant war...
Ingo Seidel: Das ist dieses Jahr ein dickes Brett gewesen, was wir da bohren mussten. Wir unterstellen da aber keine Absicht. Fehler passieren, das ist menschlich. Auch mir passieren diese Fehler. Der Termin ist einfach nicht eingetragen worden - aus Versehen. Es stehen alle dahinter, sowohl der Kreis als auch die Stadt Lübbecke sowieso. Es haben wirklich alle toll zusammengearbeitet, damit es jetzt so funktioniert: sowohl der Kreis, wie auch die Stadt, der TuS N-Lübbecke, der da jetzt ganz dick mit im Boot hängt – und logischerweise wir auch. Natürlich hat das dem einen oder anderen etwas Kopfzerbrechen bereitet, mir sicherlich zwischenzeitlich auch mal ein bisschen, es wird halt eine Nacht- und Nebelaktion sein...
Der Start zum offiziellen Turnierbeginn ist nicht gefährdet?
Ingo Seidel: Nein, in keinster Weise! Das ist von uns relativ minutiös durchgetaktet. Wir werden ungefähr um halb zehn in die Halle kommen, Torsten Appel und ich haben miteinander telefoniert, um das Ganze abzustimmen.
Es wird aber nicht schon während des Handballspiels umgebaut?
Ingo Seidel: Nein, nein! Es wird erst die Tribüne abgebaut, circa halb elf wird der Boden verlegt, dann können wir mit dem Kleben anfangen und alles andere vorbereiten. Als spätesten Termin in der Nacht habe ich drei Uhr vorgesehen. Samstagmorgen fangen die ersten Arbeiten um sechs Uhr an, um halb sieben wird der Freeway-Cup beziehungsweise die Jungs aus Börninghausen kommen, die die Rundumbande aufbauen, so dass wir allerspätestens um 9 Uhr mit allem fertig sind. Die Teams frühstücken in der VIP-Lounge, dafür wird dann um sechs Uhr angefangen. Der eine oder andere wird am Wochenende sicher einen müden Schauer kriegen und dem einen oder anderen möchte ich Sonntagabend dann sicher auch nicht direkt in die Augen schauen, da wird sicher das eine oder andere Auge mal zufallen. Das ist jetzt eine Ausnahmesituation. In den nächsten Jahren wird das fünfte Wochenende auch vom Kreis charmant geblockt sein.
Ingo Seidel (Turnierchef Girls Snow Cup)
Wie viele Helfer sorgen dafür, dass beim GSC alles über die Bühne geht?
Ingo Seidel: Es sind insgesamt immer zwischen 150 und 200 Helfer, das variiert. Diesen Freitag werden noch ein paar mehr dazukommen, die normalerweise nicht dabei sind. Der TuS Gehlenbeck ist da ganz stark involviert.
Wie viele Teilnehmerinnen werden es sein?
Ingo Seidel: Man kann von rund 250 ausgehen bis 300.
Wie viele Schiedsrichter managen das Turnier?
Ingo Seidel: Über beide Tage verteilt sind es 15,16. Wir haben auch wieder unseren Freund aus dem Stuttgarter Raum, der Mann mit dem halben Herzen. Er ist am 7. Januar aus dem Krankenhaus gekommen, am 9. hat er mir geschrieben, dass er wieder dabei ist. Das ist eine ganz, ganz tolle Sache.
Welche Zuschauerzahlen erwarten Sie?
Ingo Seidel: Das variiert immer zwischen 1000 und 1500. Das hängt auch immer ein bisschen vom Wetter ab. Wir haben in der Vergangenheit immer mal das Problem gehabt, das pünktlich zum GSC der Schneefall eingesetzt hat – das wird dieses Jahr nicht so sein, wie mir unser Wetterfrosch Friedrich Föst berichtet hat. Wir könnten das Turnier eher in Blümchen-Cup statt Snow-Cup umbenennen, es gibt Hallenfußball-Wetter – das wird dem Turnier noch mal einen kleinen Schub geben, von daher denke ich, dass wir dieses Jahr noch den einen oder anderen Zuschauer mehr in die Halle kriegen.
Verfluchen Sie manchmal den Freeway-Cup...?
Ingo Seidel: Nein, definitiv nicht.
Wenn es den Freeway-Cup nicht gäbe, hätten Sie mehr Aufmerksamkeit und würden mit ihrem Turnier auch noch mal anders gesehen? Stören sich zwei solche Ereignisse in so kurzer Zeit nicht?
Ingo Seidel: Nein, das sehe ich ganz anders. Wenn es den Freeway-Cup nicht gäbe, gehe ich davon aus, dass es den GSC auch nicht gäbe.
Ingo Seidel (Turnierchef Girls Snow Cup 2020)
Sie sind inspiriert worden vom Freeway-Cup?
Ingo Seidel: Absolut! 2011 war es beim Freeway-Cup, der damalige Trainer meiner Tochter und ich waren oben beim Freeway-Cup und haben darüber philosophiert: Ist es möglich, so etwas auch für Mädchen ins Leben zu rufen? Dann haben wir es einfach getan... Wenn es den Freeway-Cup nicht gäbe, wäre das in dieser Form sicher nicht passiert. Darüber hinaus muss man sagen: Auch die Zusammenarbeit mit dem Freeway-Cup – die ist einfach bombig! Wir stehen uns da in keinster Weise im Weg, wir arbeiten auch miteinander, wir telefonieren auch miteinander – mit Christian Spönemann, Jochen Tiemann, Udo Redeker. Dieses Jahr hatten wir mal die Ruhe dazu, dass wir länger miteinander sprechen konnten: Das ist eine Win-Win-Situation für alle. Man sieht das Plakat an der Kreuzung in Lübbecke: Das sagt ja alles. Dass wir zusammenarbeiten. Dass wir beide wissen, was wir tun. Der Freeway-Cup ist für uns ein großes Vorbild, ohne dass wir sagen, wir wollen das genauso umsetzen wie es der FWC tut: Das sind wir nicht, das brauchen wir auch nicht. Wir sollten bei dem bleiben, was wir tun. Der Freeway-Cup fährt eine ganz, ganz dicke Nummer, wir haben immer mächtig Spaß dabei, das ist für uns immer das große Runterkommen, ehe für uns dann die Arbeit losgeht. Die Jungs vom Freeway-Cup werden dann auch bei unserem Turnier sein. Das passt alles zusammen, auch das Zusammenwirken, auch mit der Stadt Lübbecke, das passt einfach alles zusammen. Das ist halt das Schöne, wenn Du in so einer Kleinstadt bist, wo jeder jeden kennt. Ich kriege auch Tipps von Christian, man muss auch mal die Beurteilung von jemanden kriegen, der nicht so eng mit diesem Thema zu tun hat, das ist das, was Dich am meisten weiterbringt.
Was wünschen Sie sich von den heimischen Vereinen mit Blick auf den GSC 2020?
Ingo Seidel: Dass sie kommen und Gas geben, dass sie mit uns feiern, dass sie mit den Mädchen feiern und einfach für sich noch mal aufnehmen, wie geil Mädchenfußball ist! Das dann mit nach Hause nehmen und in die Vereine transportieren, dass sie da dann den Spielerinnen, die sie haben, auch die entsprechenden Spielzeiten geben. Und dass es auch bei Jungs irgendwann ankommt: Ja, auch wir brauchen Mädchen. Wenn wir nämlich Mädchen haben, dann brauchen wir keine Spielgemeinschaften, sondern haben dann drei, vier Mädels bei uns im Team und können unsere Heimspiele doch bei uns am Platz machen und nicht irgendwo anders in der JSG...
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