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Online-Schach boomt: Niklas Schlangenotto und Co. führen in der 4. Liga ihre Gruppe mit vier Siegen ungeschlagen an

Blauer Springer hält Corona in Schach

Paderborn

Nicht jede Sportart ist im Lockdown vom Stillstand betroffen: Voll im Trend in dieser bizarren Kombination aus Krise und Gelegenheit ist Schach. Die Menschen probieren alles Mögliche aus, um sich in häuslicher Abgeschiedenheit zu beschäftigen. Und plötzlich mutiert das alte Spiel der Könige zum Hit. Die Popularität von Schach ist in Deutschland in der Covid-19-Pandemie erheblich gestiegen. Schachwebseiten wie Chess.com oder LiChess.org erleben einen nie gekannten Ansturm.

Jörg Manthey

Online-Schach boomt in Corona-Zeiten. Niklas Schlangenotto (18) spielt mit seiner Mannschaft SK Blauer Springer Paderborn in der Deutschen Online-Liga in der vierten Liga. Das Team führt die Tabelle ungeschlagen an. Foto: privat

Auch wenn das Vereinsleben und der „normale“ Spielbetrieb zum Erliegen gekommen ist, so hat der Deutsche Schachbund die Randsportart dank boomender Online-Plattformen stark positioniert.

Seit Mitte Januar und noch bis Ende April läuft zum zweiten Mal nach 2020 bundesweit die Deutsche Schach-Online-Liga (DOSL). Die Mannschaftskämpfe sollen dem regulären Präsenz-Spielbetrieb so nahe wie möglich kommen. Angemeldet haben sich insgesamt 385 Teams mit fast 3000 Spielern; ein Zuwachs von 60 Prozent gegenüber der ersten Saison. Mittendrin im Feld der 13 Leistungsklassen mit insgesamt 50 Staffeln ein starker Paderborner Platzhirsch: der SK Blauer Springer 1926, normalerweise neben dem SK Delbrück in der OWL-Regionalliga unterwegs.

Entsprechend dem Wertungsdurchschnitt ihrer Stammspieler sind die Paderborner in der DOSL in der vierten Liga (Gruppe C) eingruppiert worden. Für Niklas Schlangenotto (Nicki02), Moritz Brockhoff (leMoritzz), Noah Stirnberg (NoahSchach1) und den als einzigen ungeschlagenen Robert Prieb (Robby11012007) läuft es prächtig. Alle vier Spiele konnten bislang gewonnen werden. „Das kommt für uns durchaus überraschend“, schmunzelt Niklas Schlangenotto. Zuletzt gab‘s ein 2,5:1,5 gegen die SF Bad Tölz. Am 4. März geht‘s weiter, dann heißt der Gegner SK Heidenau.

Die Blauer Springer-Riege ist breit aufgestellt. Ebenfalls gemeldet, aber allesamt noch ohne Einsatz sind Prof. Dr. Jürgen Klüners (Mannschaftsleiter), Moritz Hötte, Kevin Kesselmeier, Luca Esfehanian und Maurin Möller. Apropos Klüners: Der Mathematikprofessor an der Universität Paderborn gehört als stellvertretender Vorsitzender der Schiedsrichterkommission im Deutschen Schach-Bund der DOSL-Turnierleitung an. Die hat sogar schon vereinzelt Computerbetrug nachgewiesen und überehrgeizige Spieler auffliegen lassen, die versucht haben, mit illegalen Hilfsmitteln zu gewinnen.

Klar, Online-Schach und Präsenz-Schach sind zwei verschiedene Welten. Psychotricks, um das Gegenüber zu manipulieren, fallen aus. Keine Gestik und Mimik, kein Knistern am Brett. Stattdessen sieht man, wie sich am Bildschirm eine Figur wie von Geisterhand bewegt. Solche Anonymität schmälert Schlangenottos Spaß wohl erheblich; gleichwohl ist er glücklich, sich im Lockdown dank des Internets mit anderen Sportlern messen zu können. „Da sind wir echt privilegiert. Dieses Match ist jedesmal ein Ereignis, ein Highlight des Tages.“ Ungewöhnliche 45 Minuten Bedenkzeit, dazu gesellen sich noch 15 Sekunden pro Zug: Ein Modus, der Gefallen findet. „Blitzen“ ist in der Denkerszene nun mal nicht jedermanns Sache. Die Lust am Brett: Der 18-jährige Schlangenotto spielt Schach seit der ersten Klasse. „Mein Großvater hat es mir beigebracht.“ Derweil ihm bei diesem Denksport die mentale Herausforderung zusagt, findet er körperlichen Ausgleich beim Tischtennis, im SV Heide Paderborn. Aktuell absolviert er ein Freiwilliges Soziales Jahr beim Stadtsportverband Paderborn.

Für seine Eröffnungs-Vorbereitung versucht Schlangenotto schon mal Gegner auszuspionieren, indem er auf diversen Schach-Plattformen nach deren Benutzernamen fahndet. „Leider ohne Profit, die wählen aus Vorsicht andere Namen.“ Mithin sammelte er in seinen vier Partien erst einen Sieg und ein Remis.

Schrittmacherdienste dafür, dass Schach in dieser ungewöhnlichen Zeit im Internet einen Aufschwung wie noch nie erlebt, leistet wohl auch der Netflix-Hit „Das Damengambit“. Im Mittelpunkt steht dabei das Waisenmädchen Beth Harmon, das sich vom lokalen Phänomen zur internationalen Berühmtheit entwickelt. „Ich habe zwar noch keine Folge gesehen, das werde ich aber in Kürze nachholen“, schmunzelt Niklas Schlangenotto. „Das Ding ist weltweit supergut angenommen worden. Unfassbar, was da gerade abgeht.“

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