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WV-Serie „Meine Corona-Pause“, Folge 10: Dirk Steinicke, Sportschütze beim SSV St. Hubertus Elsen, hat zugenommen

„Ich wünsche mir mehr Aloha“

Paderborn.

Da wohnen, wo andere Urlaub machen: Dirk Steinicke, Sportschütze beim SSV St. Hubertus Elsen, lebt inzwischen im beschaulichen Ingelheim am Rhein. In der zehnten Folge unserer Serie „Meine Corona-Zeit“ gibt der älteste Luftgewehrschütze im Team des Bundesligisten Einblicke in seine Haltung, seinen Umgang mit der Pandemie.

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„Das Stilllegen des Schießsports liefert mit Sicherheit keinen größeren Beitrag zur Lösung. Jeder Einkauf im Supermarkt ist risikoreicher“, kritisiert Dirk Steinicke. Foto: privat

Beim Gang in den nahen Weinbergen kann der der „grundsätzlich positive Mensch“ auftanken. Um die Motivation, den Weg in den heimischen Sport-Keller anzutreten, ist es dafür mitunter nicht so gut bestellt.

Wie nah ist Ihnen das Virus bislang gekommen?

Dirk Steinicke: Schon ziemlich nah, da ich unübersehbar zugenommen habe seit März 2020. Allerdings bin ich mit niemandem in Kontakt gekommen, der sich infiziert hat. Lediglich über zwei, drei Ecken habe ich von einer Infektion gehört. Unter den Einschränkungen leide ich aber wie jeder andere. Ich bedauere auch die Situation der vielen Geschäfte, welche in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind und Existenzen bedrohen. Meine Gedanken sind besonders bei all denjenigen Menschen, die einen ihrer Liebsten verloren haben.

Was überwiegt bei Ihnen gerade: Vertrauen und Gelassenheit oder Unzufriedenheit und Frust?

Steinicke: Vertrauen und Gelassenheit. Ich bin grundsätzlich ein positiver Mensch, daher denke ich, wird auch diese Pandemie überstanden. Darum bin ich eher gelassen, zugleich aber auch regelmäßig unausgeglichen, da wir durch die großen Einschnitte im Leben nicht mehr wirklich vor die Tür kommen. Mir hilft aber mein kleiner Sportraum im Keller, um wieder auf andere Gedanken zu kommen und einen Ausgleich zum Büroalltag zu erhalten.

Der Amateursport ruht. Ist er Ihrer Meinung nach ein Teil des Problems oder ein Teil der Lösung?

Steinicke: Das Stilllegen des Schießsports wird mit Sicherheit keinen größeren Beitrag zur Lösung liefern. Dies liegt aber grundsätzlich im Wesen des Schießsports, keinen direkten Kontakt zu Kontrahenten zu haben mit Ständen, die eh einen gewissen Abstand besitzen. Wenn man dann noch jeden zweiten Schießstand frei lässt, ist jeder Einkauf im Supermarkt risikoreicher. Aber auf den gesamten Amateursport bezogen, eingeschlossen einer Vielzahl an Kontaktsportarten, die auch nicht so einfach zu regulieren oder kontrollieren sind, finde ich die aktuellen Einschränkungen vernünftig.

Wenn Sie für einen Tag Bundeskanzler sein dürften, was würden Sie für diesen einen Tag im Sinne der Nation ändern?

Steinicke: Es ist schwierig, hier mit großen Weisheiten zu kommen, wenn ich mir unsere Nachbarländer anschaue. Ich habe Kollegen in Paris, London, Mailand, Madrid, aber auch New York, welche wesentlich stärker durch staatliche Eingriffe eingeschränkt und von der Pandemie betroffen sind als wir hier in Deutschland. Daher denke ich, dass der Weg der Regierung grundsätzlich nicht ganz daneben war oder ist, obwohl ich nicht immer mit allen Maßnahmen oder dem Timing übereinstimme. Von meiner Seite aus würde ich aber zeitnah wieder beginnen, Restaurants und den Einzelhandel mit vernünftigen Hygienekonzepten (die ja teilweise bereits vorliegen) zu öffnen, um den Bürgern Abwechslung und den Gastronomen sowie Einzelhändlern eine Perspektive zu bieten.

Was tun Sie und wo tun Sie es, um ihre körperliche oder auch geistige Fitness auf Trab zu halten?

Steinicke: Meine geistige Fitness halte ich durch meinen Job auf Trab. Als Rating Analyst gehört es zu meinen Aufgaben, Unternehmen zu analysieren und mich stets in neue Sachverhalte einzulesen. Hier gibt es keinen Stillstand, nur ständige Weiterbildung. Meine körperliche Fitness ist seit März schon eine Herausforderung. Durchaus lange Tage im Büro zehren an meiner Motivation, alleine in den Keller an den Boxsack zu gehen. In den Sommermonaten kann ich mich durchaus leichter motivieren, an der frischen Luft sportlich aktiv zu sein.

Welt verändert sich, Gewohnheiten werden erschüttert. Hat diese Extremsituation Ihr Lebensgefühl, Ihre Wahrnehmung, Ihr Denken verändert?

Steinicke: Sicherlich bleiben viele alltägliche und früher selbstverständliche Gewohnheiten erstmal für längere Zeit auf der Strecke. Mein positives Lebensgefühl hat sich trotzdem nicht verändert, dies lasse ich mir auch nicht durch die Pandemie nehmen. Aber ich glaube, die Wahrnehmung auf existenzielle Dinge im Leben hat sich schon geändert. Ich hoffe, dass wir uns wieder auf Grundwerte sowie persönlich Wichtiges besinnen und unsere Gesundheit im Blick haben. Während des ersten Lockdowns waren die Menschen auf der Straße nach meinem Empfinden freundlicher und haben zurückgegrüßt. Leider hielt dies nicht so lange an und es wurde schnell wieder stressiger und unentspannter. Hier würde ich mir mehr „Aloha” wünschen.

Was ist Ihr Lieblingsort, um aufzutanken?

Steinicke: Es gibt nicht den einen Ort. Wir haben das Glück, dort zu Hause sein zu dürfen, wo andere Urlaub machen. Wir sind umgeben von herrlichen Weinbergen, die wir zu Fuß in wenigen Gehminuten erreichen. Und nach einer 15-minütigen Radtour können wir den Sonnenuntergang am Rheinufer genießen. Aber auch Urlaub in der Natur lässt mich Kraft tanken. Beim Skifahren kann ich besonders gut abschalten und am Meer die Seele baumeln lassen.

Welches Buch lesen Sie gerade?

Steinicke: Aktuell lese ich „Rich Dad, Poor Dad“ von Robert Kiyosaki und „Confession of an Idiot“. Darin beschreibt Chris „Douggs“ McDougall – ein Haudegen vor dem Herrn und ein super sympathischer Zeitgenosse – seine Lebensgeschichte als Basejumper.

Sehnen Sie die ,,Normalität‘‘ der Vor-Corona-Zeit herbei oder ist Ihnen bewusst, dass es diese Normalität nicht mehr geben wird?

Steinicke: Ich hoffe sehr, mein altes Leben größtenteils wiederzubekommen. Freunde treffen und aktiv zu sein, das vermisse ich schon sehr. Das flexiblere Arbeiten hingegen habe ich lange Zeit genossen, obwohl ich in der Zukunft nicht gänzlich auf den persönlichen Kontakt zu Arbeitskollegen verzichten möchte. Dennoch ist mir bewusst, dass die alte Normalität wohl noch einige Zeit auf sich warten lässt.

Was möchten Sie dem Coronavirus sagen?

Steinicke: Oh, das dürfte wohl nicht gedruckt werden.

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