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Flutkatastrophe in Bad Neuenahr

Drama auf dem Kita-Dach

Bad Neuenahr

Die Straße: plötzlich ein reißender Fluss. Hanna Schmitt schaffte es nicht rechtzeitig in Sicherheit, als am 14. Juli 2021 eine Flutwelle ungeahnten Ausmaßes ihre Heimatstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler flutete. Sie rettete sich auf ein Kita-Dach – und wartete dort elf Stunden auf Hilfe.

Von Gunnar A. Pier

Die Straße ist zu einem reißenden Fluss geworden, Hanna Schmitt hat sich aufs Dach der Kita gerettet. Foto: Hanna Schmitt

Ob das Gebäude des Blandine-Merten-Hauses in Bad Neuenahr gerettet werden kann, ist noch nicht klar – doch das Gebäude selbst war in der Katastrophennacht für drei Menschen die letzte Rettung. Sie flüchteten sich aufs Dach der Kita, als die Flut zu schnell anstieg – und harrten dort elf Stunden aus, bis Rettungstaucher sie abholten.

Als am 14. Juli abends gegen halb Neun jemand fragte, wie die Lage sei, sagte Hanna Schmitt noch: „Alles wunderbar“. Es war Hochwasser angekündigt, deshalb hatte sie die wichtigsten Sachen aus dem Keller ins Erdgeschoss geschafft.

„Das Wasser kam mit ziemlicher Geschwindigkeit“

Ihre Schwester hatte die beiden Kinder (10, 11) mitgenommen, die Lage schien unter Kontrolle. Als ein befreundeter Feuerwehrmann sagte, es könne sein, dass auch die Straße geflutet würde, versuchte sie, die Kellerfenster abzudichten. Ein Freund fasste mit an, ihr Bruder auch, denn Hanna Schmitts Mann war gerade erst im Urlaub in Schweden losgefahren Richtung Heimat.

Plötzlich ging alles ganz schnell.

„Das Wasser kam mit ziemlicher Geschwindigkeit“, erinnert sich die 38-Jährige. Erst lief es in den Garten, dann war innerhalb von zehn Minuten der Keller geflutet. Da war es 23 Uhr.

In der Flut-Falle

Das Haus schien ein sicherer Ort. Aber: Im ersten Obergeschoss waren die Rollläden runter und würden nicht wieder hochgehen, weil der Strom ausgefallen war. Eine Falle. Dort hätten Hanna Schmitt und ihre Begleiter zusehen können, wie das Erdgeschoss voll läuft. Aber sie hätten nicht rausschauen können, und um das Haus zu verlassen wollten, hätten sie Dachpfannen rausschlagen müssen. „Wir müssen hier raus“, sagt ihr Bekannter.

Die Drei flüchteten auf die Straße. „Das Wasser war knietief, ein reißender Strom.“

In Sichtweite, aber unerreichbar

Bis zur Kita auf der anderen Straßenseite schafften sie es noch, „wir wollten in die höher gelegene Seitenstraße gelangen.“ Aber weiter ging es nicht. Das Wasser stieg. In den Fluten rasten Tanks, Baumstämme, Autos vorbei. „Auf die Straße gehen – daran war nicht mehr zu denken.“ Dabei stand auf dem nächsten Bürgersteig ein Freund, der mit ihnen flüchten wollte. In Sichtweite, aber unerreichbar.

Also retteten sich Hanna Schmitt, ihr Bruder und ihr Bekannter aufs Flachdach der Kita. Kurze Hose, T-Shirt, keine Schuhe: Eine kalte Nacht stand ihnen bevor. Um Mitternacht waren sie oben und harrten bis 11 Uhr aus. Vorher war die Strömung auf den Straßen zu stark für Rettungsboote und Unimogs.

Ihr Blick zurück auf die Nacht ist überraschend fröhlich: „Ich bin dankbar, wie das gelaufen ist.“ Denn sie kam unbeschadet durch die Nacht. Und das ist nicht selbstverständlich.

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