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OVG-Urteil: Bebauungsplan unwirksam

Kohlekraftwerk Datteln 4 vor unsicherer Zukunft

Münster

Der Bebauungsplan der Stadt Datteln für das umstrittene Kohlekraftwerk Datteln 4 wurde gekippt. Die Wahl des Standortes habe nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprochen, urteilte das Oberverwaltungsgericht in Münster.  

Von Stefan Werding

Bei der Suche nach Kraftwerksstandorten hat die Stadt Datteln einen zu kleinen Umkreis gewählt.  Foto: dpa

Juchzer und Schluchzer folgen auf das Urteil in der Aula des Polizei-Bildungszentrums in Münster. Groß war bei den Klägern offenbar die Erleichterung über das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, den Bebauungsplan „Nr. 105a – Kraftwerk“ der Stadt Datteln für unwirksam zu erklären.

Auch wenn sich in der mündlichen Verhandlung, die wegen a.) Corona, b.) der erwarteten vielen Prozessbeteiligten und c.) des öffentlichen Interesses ins Polizei-Bildungszen­trum ausgewichen war, schnell abzeichnete, dass es so ausgehen würde. „Es ging offensichtlich darum, den Standort Datteln nicht zu gefährden“, sagte der Vorsitzende Richter Detlev Klein Alt­stedde gleich zu Beginn. Er schloss mündlich ab, was „schriftsätzlich auf vielen, vielen, vielen, vielen, vielen Seiten erörtert“ worden sei, meinte er. 

Allein Anwalt Dirk Teßmer schätzt seinen Beitrag auf 1000 Seiten und sein Kollege Philipp Heinz sei ähnlich fleißig gewesen. Der für die Stadt wenig beglückende Verlauf der Verhandlung kam für ihre Anwälte nicht überraschend. Schon vor drei Wochen hatten die Richter ihre Bedenken zu den beiden Punkten angekündigt, sagt der Anwalt der Stadt Datteln, Georg Hünnekens, der seit 15 Jahren an dem Prozess arbeitet. Fragen wie die Umweltverträglichkeit spielten zum Schluss kaum noch eine Rolle.

Das Gericht konzentrierte sich bei der mündlichen Verhandlung am Donnerstag schließlich nur noch auf zwei Fragen: die Standortauswahl und die Möglichkeit, statt eines Steinkohlekraftwerks auch Planungsmöglichkeiten etwa für ein Gaskraftwerk zu ermitteln, das viel weniger Platz brauchen würde. Das hat die Stadt Datteln nicht getan.

„Was nicht passt, wird passend gemacht“

Der größte Fehler ihrer Ratsmitglieder war es, eine falsche Standortauswahl aus dem Gebietsentwicklungsplan des Regionalverbands Ruhr zu übernehmen. Der hätte den Suchraum für Standortalternativen „wegen der ganz erheblichen umweltbezogenen Auswirkungen des Steinkohlekraftwerks“ möglichst weit bestimmen müssen. Stattdessen habe er Standortalternativen von vornherein nicht geprüft.

„Die Stadt Datteln, Uniper und das Land NRW sind in ihrem Versuch, den falschen, aber bereits bebauten Standort nachträglich zu begründen, immer nach dem Prinzip ,Was nicht passt, wird passend gemacht’ vorgegangen“, erklärte nach dem Urteil der BUND NRW, der mit der Stadt Waltrop und vier Privatleuten gegen den Bebauungsplan vor Gericht gezogen war. „Dem haben die Richter heute einen Riegel vorgeschoben.“

BUND fordert Entzug der Betriebserlaubnis

Auf die anderen Punkte, die nach Ansicht des BUND für die Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans sprechen, sei es daher gar nicht mehr angekommen. Er fordert von der Bezirksregierung Münster nun, dem Kraftwerk die Betriebserlaubnis zu entziehen. Ganz so schnell, wie die Umweltschützer sich das wünschen, wird es vermutlich nicht gehen.

„Das Gericht hat heute nicht über die Stilllegung von Datteln 4 entschieden, sondern über formale Aspekte des Planungsrechts“, sagte ein Sprecher von Uniper, dem Betreiber des Kraftwerks. Uniper gehe weiterhin von der Rechtmäßigkeit der für das Kraftwerk erteilten Genehmigung aus. Uniper verfügt seit dem 19. Januar 2017 über eine „immissionsschutzrechtliche Genehmigung“ – eine Art Baugenehmigung für das umstrittene Kohlekraftwerk.

Klagen dagegen hat ein anderer Senat des OVG auf dem Tisch liegen. Der muss entscheiden, was der nun fehlende Bebauungsplan für das Kraftwerk bedeutet. Für den Pressesprecher des BUND ist die Antwort schon klar. Dessen Sprecher Dirk Jansen sagt: „Wird jemandem ein Teppich unter den Füßen weggezogen, kippt alles um, was drauf steht.“ Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist eine Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

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