Facebook-Post legt Nähe zu Querdenkern nahe – Leiterin der Jugendsparte des Theaters Paderborn in Erklärungsnot
Alles nur ironisch gemeint?
Paderborn
Die Kinder- und Jugendtheatersparte Jott des Paderborner Theaters wird sich in der kommenden Spielzeit mit dem Thema Demokratie befassen. Ausgerechnet jetzt sind Zweifel am Demokratieverständnis der künstlerischen Leiterin von Jott, Paulina Neukampf, aufgekommen. Ausgangspunkt ist ein Post bei Facebook, der von ihr stammt.
Darin reagiert sie auf die Meldung, dass der Schauspieler Volker Bruch („Babylon Berlin“) einen Mitgliedsantrag bei der noch jungen Partei „Die Basis“ gestellt habe, mit den Worten „Ich auch. Und nun?“. Zuvor hatte ein User Volker Bruchs Ankündigung mit „Der Schoß bleibt fruchtbar“ kommentiert. Der im Juli 2020 gegründeten Partei wird eine Nähe zu Corona- und Holocaust-Verharmlosern und zu Parteien wie der AfD nachgesagt.
Eine ehemalige Mitarbeiterin des Theaters Paderborn sagte dem WESTFÄLISCHEN VOLKSBLATT mit Blick auf den Facebook-Post: „Ich halte es für überaus bedenklich, dass die Dame, die nun für das Kinder- und Jugendprogramm des Theaters Paderborn federführend verantwortlich ist, die Mitgliedschaft in einer Partei sucht, die vorrangig durch Querdenker-Stimmungsmache und keine Abgrenzung nach rechts auffällt. Darf man somit annehmen, dass Frau Neukampf mit den politischen Haltungen der Querdenker-Bewegung übereinstimmt beziehungsweise, wie es jüngst im ‚Tagesspiegel‘ zu lesen war, mit den Haltungen einer Partei, der auch Holocaustverharmloser angehören? Und wie ist das zu vereinbaren mit der Tätigkeit an einem Theater, das noch vor wenigen Jahren wegen einer Anzeige durch die AfD in die Schlagzeilen geraten ist und sich auf der Bühne gegen Extremismus und rechtes Gedankengut ausspricht?“
Paulina Neukampf teilte auf Anfrage dieser Zeitung mit, sie gehöre nicht der Partei „Die Basis“ an. Und weiter: „Ich zähle mich aber zu den Menschen, die ironische Kommunikation unter Freunden sympathisch finden. Und als nichts anderes ist der besagte Facebook-Post zu sehen.“ Sie nehme die Nachfrage aber ernst und werte sie als ein großes Interesse am Theater und ihr als Leiterin der Kinder- und Jugendsparte Jott.
Auf ihrer Internetseite spricht die Partei „Die Basis“ von einem „Corona-Skandal“ und unterstellt Politik und Medien, die Bevölkerung „in einem Zustand der ständigen Angst und Sorge“ zu halten. „Big Pharma“ habe die Regierungen „gekapert“, um Impfstoff zu verkaufen. Deutschland scheint ihr offenbar wie eine Diktatur vorzukommen: „Mit den Maßnahmen, die 2020 getroffen wurden, geht der Verlust unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung auf dem Wege des Notstandsrechts einher.“
Der Paderborner Historiker Peter Fäßler bescheinigt der Partei „populistische Züge“. Sie behaupte, das Land werde von Eliten statt vom Volk regiert. Außerdem lehne sie die Corona-Schutzmaßnahmen der Regierung ab und rate den Menschen, auf ihren eigenen Sachverstand zu vertrauen. Der Geschichtswissenschaftler sagte dieser Zeitung: „Die Partei ist nicht bereit, die Expertise von Epidemiologen und Virusforschern zu akzeptieren – und schon gar nicht die gesundheitspolitischen Maßnahmen der Regierung.“ Allerdings werde die Existenz von Corona nicht geleugnet. Die Basis sei im esoterisch-anthroposophischen Bereich beheimatet, erläuterte der Experte. An die Stelle der repräsentativen Demokratie mit der Vertretung des Volkes in den Parlamenten wünsche sich die Partei die direkte Demokratie mit Volksentscheiden. Weil es sich bei der Partei um eine „stark anlassbezogene Gründung“ handele, hält es Peter Fäßler für möglich, dass sie nach Ende der Corona-Pandemie wieder verschwindet: „Viele werden dann vermutlich im Umfeld der AfD weiter aktiv sein.“
Apropos AfD: Mit ihr war das Theater Paderborn im Sommer 2018 heftig aneinandergeraten. Wie mehrfach berichtet, hatte die Art, wie das Stück „Andorra“ von Max Frisch im Spielzeitheft angekündigt worden war, den Kreisverband der AfD dazu veranlasst, Strafanzeige gegen das Theater wegen Verleumdung und Volksverhetzung zu stellen. In einer Grafik waren unter dem Hakenkreuz der Nazis und dem Logo der AfD die jeweils deutlich gestiegenen Wahlergebnisse der NSDAP aus den Jahren 1928 und 1932 sowie der AfD von 2013 bis 2017 untereinandergestellt und durch zwei Zahlen ergänzt worden – die der sechs Millionen ermordeten Juden und die der 681 antisemitischen Straftaten im ersten Halbjahr 2017 in Deutschland. Während die AfD sich mit der NSDAP gleichgesetzt fühlte, sagte die Intendantin Katharina Kreuzhage, die Grafik sei von der Kunstfreiheit gedeckt und suggeriere auch gar nicht, dass alle AfD-Mitglieder den Holocaust goutieren würden. Die Strafanzeige blieb folgenlos.
Zurück zur Partei „Die Basis“. Die Frage, ob sie vom NRW-Verfassungsschutz beobachtet wird, beantwortete das Innenministerium nicht direkt: „Der NRW-Verfassungsschutz gibt über die im Verfassungsschutzbericht erwähnten Organisationen hinaus grundsätzlich keine Auskunft über seine Beobachtungsobjekte.“ Eine Nichterwähnung lasse aber „keine Rückschlüsse darauf zu, ob eine Organisation tatsächlich beobachtet wird oder nicht“.
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