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Sekundarschule Wermelskirchen schickt Schüler nach Hause - auch in Bad Oeynhausen gibt es eine solche Kleiderordnung

Dürfen Schulen Jogginghosen im Unterricht verbieten?

Wermelskirchen/Bad Oeynhausen

Jogginghosen haben im Unterricht nichts zu suchen. Das jedenfalls gilt an der Sekundarschule in Wermelskirchen. Die hat vor ein paar Tagen Schüler zum Umziehen nach Hause geschickt, weil sie gegen das schon länger in der Kleiderordnung der Schule niedergelegte Jogginghosenverbot verstoßen hatten. Seither wird über die Schlabberbuxe im Klassenzimmer heiß diskutiert. Dabei haben Juristen Zweifel, ob so ein Verbot überhaupt zulässig ist.

Von dpa

Eine Schülerin sitzt in einer Jogginghose auf dem Schulhof einer Schule Foto: Lars Klemmer/dpa

Die Schulordnung in Wermelskirchen ist kein Einzelfalls. Auch in OWL gibt es solche Beispiele. Die Realschule Süd in Bad Oeynhausen bestätigte dieser Zeitung, dass ein bereits vor geraumer Zeit verhängtes Jogginghosenverbot weiter in Kraft sei.

Schule wehrt sich gegen Kritik

Nachdem das Verbot an der Sekundarschule in Wermelskirchen bekannt geworden war, wurde über den Schritt vor allem in den sozialen Medien viel diskutiert. „Trotz Kritik in den Medien“ wolle man die Kleiderordnung aufrechterhalten, hieß es von der Schule in der vergangenen Woche. „Wir möchten unsere Schüler:innen dazu animieren, Kleidung zu tragen, die nicht zum „Chillen“ verleitet.“ Für die Vorbereitung auf das Berufsleben sei einer Abkehr von der Jogginghose wichtig, teilte die Schule weiter mit.

Dabei haben Juristen Zweifel an der Zulässigkeit des Verbots. „Es gibt keine Grundlage für ein individuelles Verbot. Die Rechtslage ist ziemlich eindeutig“, sagte Professor Hinnerk Wissmann, Hochschullehrer von der Uni Münster.

Keine Grundlage im Schulgesetz

Das nordrhein-westfälische Schulgesetz lasse in der Sache wenig Spielraum. „Die Schulkonferenz kann in Fragen der Kleiderordnung eine Empfehlung aussprechen, mehr aber auch nicht.“ Entsprechend könne das Tragen einer Jogginghose nicht als Pflichtverstoß gewertet werden, der einen Ausschluss vom Unterricht rechtfertigt. Damit werde das Recht auf Bildung unterlaufen, sagte Wissmann.

Die Schule könne zwar im Einzelfall Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen gegen Schüler verhängen. Dafür müsste aber ein Pflichtverstoß vorliegen, den das bloße Tragen einer Jogginghose nicht darstelle. „Da müsste schon noch mehr dazu kommen“, sagte Wissmann, der das Land NRW in Fragen des Schulrechts beraten hat.

Wenn ein Gespräch mit der Schulleitung nicht fruchte und eine Eingabe beim Schulamt auch nicht, könnten Betroffene gegen den Ausschluss vom Unterricht Rechtsschutz bei den Verwaltungsgerichten suchen.

Ähnlich äußerte sich Professor Markus Ogorek von der Uni Köln: „Eine Empfehlung kann schon dem Wortsinne nach keine Verpflichtung sein.“ Der Ausschluss von mit Sporthosen bekleideten Schülern dürfte daher rechtlich nicht gedeckt sein: „Wer Sanktionen aus dem Nichtbefolgen einer Empfehlung ziehen will, verkennt schlichtweg deren mangelnde Bindewirkung“, so der Rechtswissenschaftler. Angesichts der bewussten Festlegung des Gesetzgebers bestehe zudem kein Raum, über Konstruktionen wie einer Gefährdung des Schulfriedens eine Verpflichtung doch noch pauschal durchzusetzen, erklärte Ogorek.

Wie die Bezirksregierung Köln auf Nachfrage mitteilte, haben sich laut Auskunft der Schule sechs Eltern von betroffenen Schülern beschwert, weil diese nach Hause geschickt wurden, um sich umzuziehen.

Stilexperten uneins

Auch unter Stilexperten wird das Jogginghosenverbot diskutiert. Jogginghosen seien Funktionskleidungsstücke, die zum Sport oder zum Entspannen getragen werden, sagte eine Sprecherin der Deutschen Knigge-Gesellschaft. „Sportler tragen auf dem Sportplatz ihr Trikot als Arbeitsuniform und nach getaner Arbeit die Jogginghose in Ihrer Freizeit. Schulzeit ist Arbeitszeit, daher hat die Jogginghose dort keinen Platz.“

Modeschöpfer Thomas Rath lehnt ein Jogginghosen-Verbot hingegen klar ab. „Die Jahre des Modediktats sind, Gott sei Dank, vorbei und wir können uns individuell kleiden“, sagte Rath, der unter anderem als Juror bei „Germany’s Next Topmodel“ zu sehen war.

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