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Bielefelder CDU lässt Youtube-Ratssitzung platzen – Auch die Bezirksregierung hat Bedenken

Analoges Nachspiel

Bielefeld (WB)

Eine vorbereitende Videokonferenz, die auch über Youtube verfolgt werden konnte, und anschließend eine kurze Ratssitzung – so war es am Mittwoch eigentlich geplant. Weil Teile der Bielefelder CDU-Fraktion das „Recht am eigenen Bild“ reklamiert haben, wurde nichts daraus.

Michael Schläger 

Politiker möchten sich nicht im Bild zeigen – die Youtube-Sitzungen wurden nach der Premiere im Schulausschuss abgesagt. Foto: Screenshot: WB

Wegen Corona sollten die Ratsmitglieder nur möglichst kurz zusammenkommen. Weil sich Mitglieder der CDU-Fraktion nicht im Bild bei der geplanten Videokonferenz zeigen wollten, wurde die Online-Schalte nach einer Sondersitzung des Ältestenrates kurzfristig abgesagt. Dafür hagelte es anschließend Kritik von einzelnen Ratsmitgliedern. Es gibt aber auch Schützenhilfe von der Bezirksregierung.

„Mitglieder unserer Fraktion haben das Recht am eigenen Bild reklamiert“, sagte CDU-Fraktionschef Ralf Nettelstroth am Donnerstag. Außerdem fürchteten sie, dass die Bilder, die via Youtube übertragen wurden, aufgezeichnet und für andere Zwecke missbraucht werden könnten.

Die Bielefelder Grünen bedauerten, dass die CDU-Fraktion nicht bereit war, den geplanten und verabredeten Ablauf der Ratssitzung mitzutragen. „Gerade von der CDU, die regelmäßig strengere Einhaltung von Coronaregeln einfordert, hätten wir mehr erwartet“, sagte die grüne Fraktionsvorsitzende Christina Osei. „Sie sollte ihre Positionierung schleunigst überdenken und zum im Ältestenrat besprochenen Vorgehen zurückkehren.“

„Dann muss die CDU auch auf personalisierte Wahlplakate verzichten“

Doch dies wird wohl nicht geschehen. Und das liegt auch an der AfD. Deren zwei Vertreter hatten erklärt, nicht an Videositzungen teilnehmen zu wollen und die Bezirksregierung angerufen. Die hatte zwar nichts gegen Online-Zusammenkünfte der Kommunalpolitiker, stellte in einer Stellungnahme aber auch klar, dass den Politikern in Präsenzsitzungen nicht nur die Möglichkeit zur Abstimmung, sondern auch zur Stellungnahme eingeräumt werden müsse.

Kommentar

Die CDU ist mit ihrer Haltung von gestern, die anderen wollen den digitalen Fortschritt, zumal wenn er in Corona-Zeiten Präsenz-Ratssitzungen verkürzt. Ganz so einfach ist es dann auch wieder nicht. Der Schlüsselsatz in der Debatte um den Youtube-Aufreger kommt von der Bezirksregierung. Videokonferenzen? „Kein Problem!“, sagt sie. Aber Entscheidungen müssen in einer regulären Sitzung fallen. Und vor allem: Dort muss auch jeder Politiker seine Meinung äußern können. Ist das nicht dokumentiert, sind auch die Entscheidungen des Gremiums rechtlich angreifbar. So ist das leider. Nur der Gesetzgeber kann daran etwas ändern. Wie eine Lösung aussehen könnte, hat der CDU-Bundesparteitag am Wochenende gezeigt. Doch bisher gibt es keine gesetzlichen Neuregelungen. Da kann es für Bielefelds Politiker in den Sitzungen nur heißen: Fasse Dich kurz! Und das haben sie am Ende selbst in der Hand.   Michael Schläger

„Es ist nicht leicht zu vermitteln, dass eine Partei, die den ersten volldigitalen Parteitag erfolgreich abgehalten hat, nun 80 bis 100 Menschen länger als nötig in die Stadthalle zitieren lässt“, kritisierte auch Ratsfrau Gordana Rammert (Bürgernähe) die Haltung der Union. Wenn die CDU das Recht am eigenen Bild anführe, müsse sie dann konsequenterweise künftig auch auf personalisierte Wahlplakate verzichten, schloss sie an.

Die Sitzung des Schulausschusses hatte am Dienstag mit einer Vorab-Videokonferenz stattgefunden. Vorsitzender des Ausschusses ist Andreas Rüther. Der CDU-Politiker musste eine Zoom-Konferenz mit 39 Teilnehmern leiten. „Das hat soweit geklappt“, sagte er im Rückblick. „Es ist aber für den Vorsitzenden sehr schwer, den Überblick zu behalten.“ Auch bemängelte er, dass viele Punkte am Ende gar nicht in der Videokonferenz behandelt werden konnten. „Wie hätte das am Mittwoch mit 66 Vertretern plus Verwaltungsleuten in einer Rats-Videokonferenz ablaufen sollen?“

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