Viele Praxen sind telefonisch überlastet – Erinnerung aufs Handy
Arzttermin immer häufiger online
Bielefeld (WB). Heinrich U. war konsterniert: Er war eigens persönlich zum Hautarzt gegangen, um sich einen Termin für ein Screening zu holen. „Das ist nur online möglich“, wurde ihm beschieden. Auch der Hinweis, dass er, 86 Jahre alt, nicht über einen Computer verfüge, fruchtete nicht: Dann müsse er sich eben jemanden suchen, der den Termin für ihn verabreden könne, hörte der Bielefelder. Und ging ratlos von dannen.
Die Plattformen, über die Patienten heute einen Termin zum Ganzkörpercheck, zur Impfung oder zum Gespräch über den hohen Cholesterinspiegel verabreden können, heißen Doctolib, Samedi, Jameda (gestartet als Bewertungsportal), TerMed oder Doctena – je nachdem, wo sich der Arzt der Wahl hat registrieren lassen. Doctolib etwa, in Frankreich gegründet, wächst gewaltig.
„Die Terminvergabe per Computer nimmt zu, keine Frage“, sagt Dr. Ulrich Weller, Sprecher des Ärztenetzwerkes Medi-OWL. Er selbst hat auch just begonnen, sich darüber genauer zu informieren. „Das kann für die Praxis eine große Entlastung bedeuten“, betont er. In seiner eigenen Praxis sind zwei Vollzeitkräfte von morgens 8 bis abends 18 Uhr nur im Telefondienst beschäftigt – „und wir haben trotzdem eine schlechte Erreichbarkeit“.
Deswegen denkt Weller über eine Teillösung nach, will mithin immer noch – anders als der erwähnte Hautarzt – Termine auch direkt am Tresen oder telefonisch vergeben. Davon verspricht er sich eine Entlastung der Mitarbeiterinnen. „Für die ist es auch ein enormer Druck, Patienten in der Warteschleife abarbeiten zu müssen und ständig vor sechs blinkenden Knöpfen zu sitzen.“ Und die Patienten ihrerseits hingen nicht in der telefonischen Warteschleife fest. Zudem können sie Termine mit wenigen Klicks auch außerhalb der Praxiszeiten verabreden, etwa am Abend oder sonntags. Und auch Stornierungen sind schnell vorgenommen, der Termin wird dann sofort wieder freigegeben.
Erinnerungen per SMS
Die Anbieter der Online-Terminvergabe werben damit, dass die Arztpraxen auch einen „Verspätungsalarm“ buchen können und zudem die Termintreue besser sei: Um Unverbindlichkeit des Internets zu vermeiden, müssen Patienten ihre Handynummer angeben und verifizieren und können dann, wenn vom Arzt „mitgebucht“, einen Tag zuvor per SMS erinnert werden. „Tatsächlich ist es gerade für Facharztpraxen ein Problem, dass viele Patienten einfach nicht erscheinen“, bestätigt Weller. Ob es tatsächlich jeder Fünfte ist, vermag er nicht zu sagen, kann es sich aber vorstellen. „Und das ist vor allem für Praxen, die einen hohen zeitlichen Einsatz pro Patient einplanen, ein großes Problem.“
Dazu gehört etwa „Diranuk“, eine Praxis für Radiologie und Nuklearmedizin. Dort können Patienten auf ganz verschiedene Art einen Termin vereinbaren: Persönlich am Tresen oder telefonisch, sie können Termine per E-Mail oder Online anfragen und erhalten dann einen Rückruf oder sie können – seit wenigen Tagen – selbstständig online für MRT, CT oder Röntgenaufnahme einen Termin festlegen. „Wir wollen möglichst viel abdecken“, erklärt Carolin Müller für die Praxis. Auch für den Internisten Weller ist es keine Option, Termine ausschließlich online zu vergeben: Gerade für Ältere oder Menschen mit Sehbehinderung sei das doch schwierig. Bei ihm hätte Heinrich U. mithin ohne Probleme einen Termin bekommen.
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