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Verdachtsfall: Zum ersten Mal in Bielefeld könnte eine Entschärfung unter einem Wohnhaus notwendig werden

Bombensuche unterm Keller

Bielefeld (WB). Ein roter Ordner mit der Aufschrift „Bombe“ enthält einen regen Schriftwechsel mit Behörden und Fachfirmen, darunter auch das Schreiben der Stadt Bielefeld, das im Haus der Familie Scholz in der Siedlung Grafenheide für manch schlaflose Nacht gesorgt hat. Im Juli 2019 teilte das Feuerwehramt den Bewohnern mit, dass unter ihrem Haus möglicherweise eine nicht detonierte Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg liegt. Die Klärung wird nun eine teure Angelegenheit. Sollte sich der Verdacht bestätigen, stünde die erste Bombenentschärfung unter einem Haus in Bielefeld an.

Peter Bollig

Rainer Scholz (links) und sein Neffe Rouben sind in der Siedlung Grafenheide aufgewachsen. Sondierungsbohrungen durch den Kellerboden haben den Verdacht erhärtet, dass in dreieinhalb Metern Tiefe ein Blindgänger liegen könnte. Foto: Thomas F. Starke

„Das ist jetzt ein anderes Gefühl als die Jahrzehnte vorher, in denen man von diesem Verdachtsfall nichts wusste“, sagt Rainer Scholz (57), der die Doppelhaushälfte am Ende der Siedlung mit seiner Schwester Doris (61) bewohnt. Beide wurden dort geboren, sind dort ebenso aufgewachsen wie ihr älterer Bruder Siegfried (69) und Doris Scholz’ Sohn Rouben (29), nachdem die Eltern das Haus 1956 bauen ließen. „Ich bin nicht ängstlich, aber das ist ein komisches Gefühl, möglicherweise auf einem Blindgänger zu sitzen“, sagt Rainer Scholz. Seine Schwester habe lange nicht schlafen können, sei bis heute beunruhigt, sagt der Maschinenführer.

Bewohner wollen Klarheit

Weil die Bitel vor dem Haus eine Breitbandleitung verlegen wollte, hatte die Stadt den Bereich anhand von Luftbildaufnahmen, die die Alliierten nach den Bombardements vor rund 75 Jahren gemacht haben, auf mögliche Blindgänger untersucht, erklärt Jesko Löhr vom Feuerwehramt. Der Bereich des nahe gelegenen Viadukts am Obersee und der Eisenbahnstrecke, die unweit des Hauses verläuft, war mehrfach Ziel alliierter Bomber. Die Blindgänger beschäftigen den Kampfmittelräumdienst bis heute, erst im Sommer war an der Jöllheide eine Fliegerbombe entschärft worden . auch unter Häusern ist Löhr zufolge schon öfter Verdachtsfällen nachgegangen worden, bislang seien aber noch keine Bomben unter Gebäuden gefunden worden.

Siegfried Scholz, der als kleiner Junge in den Neubau der Familie einzog, glaubt sich zu erinnern, dass das Gelände vor dem Bau auf Kampfmittel im Boden überprüft, aber nichts gefunden wurde. Möglicherweise war die Sondierungstechnik damals aber noch nicht so genau wie heute, vermutet Siegfried Scholz ebenso wie Jesko Löhr, zudem lägen heute mehr Luftbilder vor als damals.

Weil Rainer Scholz eine Breitbandanbindung eigentlich nicht braucht, wollte er auch den Verdachtsfall im Boden auf sich beruhen lassen. „Aber mein Nachbar wollte den Anschluss“, sagt der 57-Jährige, und ohne Klärung hätte die Bitel nicht weitergebaut. Und am Ende wollte auch die Familie Scholz Klarheit, ob sie tatsächlich auf einem Blindgänger lebt, auch weil das Haus massiv an Wert verlieren und mit dem Bombenverdacht wohl unverkäuflich wäre.

Familie soll Kosten tragen

15 Löcher im Boden der Kellerräume zeugen inzwischen vom Versuch, der mutmaßlichen Bombe nachzuspüren. Eine Fachfirma hat rund vier Meter tief in den Untergrund gebohrt und auf Metall im Boden sondiert. An einer Bohrung im Wirtschaftskeller wurde sie fündig, spürte einen metallischen Körper auf, der eine Bombe in etwa dreieinhalb Metern Tiefe sein könnte. Etliche weitere Bohrungen im Vorgarten waren zuvor ergebnislos geblieben. „Zutage kamen nur Reste einer alten Stromfreileitung vor dem Haus“, sagt Siegfried Scholz.

Ein mit gelber Farbe markiertes, zwei mal zwei Meter großes Quadrat auf dem Kellerboden zeigt, wo im Januar nach der vermeintlichen Fliegerbombe gegraben wird. Das will Rainer Scholz mit einigen Helfern ein Stück weit selber übernehmen – zumindest auf dem ersten Meter dürfe er das. Danach müsse die Fachfirma ran, bis die Bombe – oder was auch immer im Boden liegt – erreicht wird und dann gegebenenfalls der Kampfmittelräumdienst die Entschärfung übernimmt. Die Eigenarbeit ist für Familie Scholz auch eine Kostenfrage, wenn rund 17 Kubikmeter Boden – wohl eimerweise – aus dem engen Keller befördert werden sollen.

Und die Kosten, so die Mitteilung der Verwaltung, sollen die Hauseigentümer selber tragen. „Das ist nicht in Ordnung“, findet Siegfried Scholz, und sein Bruder konkretisiert: „Wir haben das Ding da schließlich nicht hingelegt.“ Teuer mache die Lage des Objektes unter dem Gebäude: Weil dort bis zu dreieinhalb Meter tief gegraben werde, werde ein Statiker einbezogen. Um die Fundamente nicht zu gefährden, würden Abstützungen nötig, und falls bei der Grabung Grundwasser hochkomme, müsse das abgepumpt werden. Und später soll das Loch mit Beton aufgefüllt werden. Mit 15.000 bis 20.000 Euro Gesamtkosten rechnen die Geschwister.

Löhr bestätigt, dass auf die Eigentümer Rechnungen zukämen. Grundsätzliche Kosten für die Suche nach Blindgängern übernehme das Land, aber all das, was über eine Bombensuche und -entschärfung im Freien hinausgehe, zahle der Eigentümer.

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