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Einstimmiger Beschluss: Kammer wird Bauherr für Millionen-Projekt

Bielefelder Campus-Handwerk-Erweiterung 50 Prozent teurer

Bielefeld

Höhere Baupreise sowie gestiegene Kreditkosten treffen auch nun das Handwerk selbst: Die geplanten Neubauten auf dem Gelände der Handwerkskammer OWL in der Nähe des Hauptbahnhofs Bielefeld verteuern sich um rund 50 Prozent von bisher geplanten rund 60 auf nunmehr etwa 90 Millionen Euro – zu viel für die Kreishandwerkerschaft Gütersloh-Bielefeld mit ihren angeschlossenen 2300 Firmen und 46 Innungen.

Von Paul Edgar Fels

Auf dem Grundstück vor dem  Campus Handwerk ist Platz für weitere Werkstätten und ein Verwaltungsgebäude der Kreishandwerkerschaft Gütersloh-Bielefeld.  Foto: Thomas F. Starke

Bei einer außerordentlichen Sitzung beschloss am Mittwoch (3. Mai) die Vollversammlung – das „Parlament des Handwerks" – einstimmig, dass die Kammer selbst in die Rolle des Bauherren schlüpft.

Eile war geboten, denn das OWL-Handwerk will die in Aussicht stehenden Fördermittel von Bund und Land über „mindestens 70 Millionen Euro “ nicht verlieren. Bis zum Sommer muss ein entsprechender Antrag gestellt werden.

Auf dem Campus-Areal soll bekanntlich ein weiteres modernes Ausbildungszentrum entstehen – und zwar für die Gewerke Kfz, Maler und Lackierer sowie Bau und Holz. Sie befinden sich derzeit noch im Handwerksbildungszentrum (HBZ) Brackwede. Zudem soll an gleicher Stelle ein neues Verwaltungsgebäude für die Kreishandwerkerschaft Gütersloh-Bielefeld gebaut werden.

Verkauft und vermietet

Vorgesehen ist, dass das Gebäude zu einem späteren Zeitpunkt „zum Selbstkostenpreis“ von der Kammer an die Kreishandwerkerschaft verkauft wird. Die Werkstätten indes sollen von der Kammer an die Kreishandwerkerschaft vermietet werden. Ursprünglich wollte die Kreishandwerkerschaft selbst als Bauherr auftreten. Die Explosion bei den Baupreisen hat nun aber die eigene Branche getroffen – und zur Umplanung geführt.

„Dieser Beschluss ist ein wichtiger und richtiger Schritt für die Sicherung qualitativ hochwertiger Aus-, Fort- und Weiterbildung im OWL-Handwerk. Somit wird bald das nächste Leuchtturmprojekt unserer Zukunftsvision Realität werden“, betonte Peter Eul, Präsident der Handwerkskammer OWL. Auch in finanzieller Hinsicht sei die Durchführung des Neubaus sinnvoll, versichert Kammer-Hauptgeschäftsführer Jens Prager. „Der Rückzug aus dem Bauvorhaben würde den Verzicht auf öffentliche Mittel in der Größenordnung eines hohen zweistelligen Millionenbetrags bedeuten.“ Aufgrund des hohen Fördervolumens wären die Investitionskosten für einen ungeförderten Neubau der kammereigenen Kfz-Ausbildungswerkstätten fast genauso hoch wie die notwendigen Eigenmittel für das geförderte Gesamtvorhaben von Verwaltungs- und Bildungsgebäuden, so Prager.

Baubeginn Frühjahr 2024

Mit den Bauarbeiten soll im Frühjahr 2024 begonnen werden, die Fertigstellung ist für den Sommer 2026 geplant. Am Campus – wie die Kammer das 2015 errichtete Gebäude nennt – sind neben der Verwaltung bereits Aus- und Weiterbildungswerkstätten für die Bereiche Heizung, Sanitär und Klima untergebracht sowie ein Kompetenzzentrum für intelligente Gebäudetechnologien.

Bereits Anfang 2020 hatten sich die Kreishandwerkerschaften und die Handwerkskammer in OWL auf eine gemeinsame Vision für die überbetrieblichen Bildungsstätten im OWL-Handwerk verständigt. Für die erforderliche Konzentration der Bildungslandschaft in der Fläche Ostwestfalen-Lippes sollen "sechs starke Leuchttürme" in OWL etabliert werden, mit denen die Attraktivität der handwerklichen Ausbildung in den einzelnen Wirtschaftsräumen und damit der Gesamtregion erhalten und gestärkt wird.

Intelligente Gebäudetechnologien

Das Berufsbildungszentrum am Campus Handwerk in Bielefeld bleibe dabei das führende Kompetenzzentrum für Intelligente Gebäudetechnologien und arbeitet weiterhin gewerkeübergreifend. Darüber hinaus ist geplant, dass das Handwerksbildungszentrum (HBZ) Brackwede seine Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote mit den Bereichen Bau, Holz, Kfz und Maler zukünftig am Campus ansiedelt. Als Leuchtturm kooperiert das HBZ im Bereich Kfz bereits eng mit dem Bereich Mobilität der Handwerkskammer, so dass durch eine sinnvolle Verzahnung künftig die Entwicklung sich ergänzender Bildungsangebote ermöglicht wird.

Weitere Kreishandwerkerschaften in OWL sind neben Gütersloh-Bielefeld: Paderborn-Lippe, Wittekindsland (für die Kreise  Herford und Minden-Lübbecke) sowie Höxter-Warburg. Sie alle sind bemüht, etwas gegen den seit Jahren andauernden Fachkräftemangel zu tun.

Resolution gegen Fachkräftemangel

So hat denn die  Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe bei ihrer Vollversammlung auch einstimmig eine Resolution zur Fachkräftesicherung verabschiedet. „Hochqualifizierte Fachkräfte sind das zentrale Fundament einer leistungs- und zukunftsfähigen Wirtschaft“, betonte Carl-Christian Goll, Geschäftsführer Berufsbildung der Kammer. Bereits jetzt behindere das Fehlen von Fachkräften die Geschäftstätigkeit von jedem zweiten Unternehmen in Deutschland. Den Handwerksbetrieben in OWL fehlten derzeit geschätzt 16.200 Fachkräfte. „Dies hat massive Auswirkungen auf die Umsetzung der gesellschaftlichen Transformation im Bereich der Digitalisierung, des Klima- und Umweltschutzes, der Energieeffizienz sowie der Nachhaltigkeit“, betonte Goll.

Die Mitglieder der Vollversammlung fordern in ihrer Resolution daher mehr ideelle und finanzielle Wertschätzung für die berufliche Bildung.  „Für das Handwerk in OWL steht fest, dass die Fachkräftesicherung der Zukunft nur mit einer echten Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung zu erreichen ist“, heißt es in der Resolution.

Politik soll helfen

Das OWL-Handwerk fordert die Bundes- und Landespolitik auf, diese Gleichwertigkeit rechtsverbindlich festzuschreiben und auch finanziell zu vollziehen. Zudem solle die Politik handwerkliche Kleinst-, Klein- und mittlere Betriebe bei der Fachkräftesicherung unterstützen. „Ausbildende Betriebe sollten durch eine steuerliche Förderung für ihr hohes Engagement in der betrieblichen Ausbildung entlastet werden“.

Um den wachsenden Fachkräftebedarf zu decken, bedürfe es darüber hinaus einer Intensivierung der Fachkräfteeinwanderung. Es braucht Anwerbestationen von Fachkräften im Ausland, regionale Unterstützungsstrukturen im Inland sowie die Schaffung und Finanzierung von Qualifizierungsinstrumenten zur beruflichen Integration, um den Ausbau der Sprachkompetenzen sicherzustellen“, erklärte Goll.

Ausbau zur Modellregion als Ziel

Darüber hinaus votierte die Vollversammlung dafür, die Überbetrieblichen Bildungsstätten des Handwerks zu einer OWL-Modellregion der qualifizierten Fachkräftesicherung auszubauen. „Als OWL-Handwerkfamilie haben wir im Rahmen der Zukunftsvision sechs starke Bildungsleuchttürme beschlossen“, erklärte Goll. Dieses Konzept könne für andere Flächenregionen als Impulsgeber dienen, um die beruflichen Bildungsstrukturen modern und zukunftsfähig aufzustellen.

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