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Fotoaktion „Kulturgesichter 0521“ weist auf die prekäre Lage der Kultur- und Veranstaltungsbranche hin

Das Ausmaß der Krise sichtbar machen

Bielefeld

In Bielefeld gab es immer eine lebendige und vielfältige Kulturszene. Sie wurde getragen von der Kultur- und Eventbranche mit ihren unterschiedlichen Berufszweigen. Künstler, Musiker, Fotografen, DJs, Veranstalter und Veranstaltungstechniker, Thekenkräfte, Caterer, Floristen, Hotel-, Spielstätten- und Clubbetreiber bis hin zum Taxifahrer – sie alle waren Dienstleister vor oder hinter den Kulissen der Kulturbranche.

Uta Jostwerner

Erich Thon ist technischer Leiter einer Veranstaltungsagentur. Er ließ sich Foto: Bernhard Pierel

„Seit dem Lockdown im März kämpfen wir ums Überleben“, sagt Erich Thon. Seit 30 Jahren ist Thon als technischer Leiter von Stratmann Event tätig. Seit März ist bei ihm Kurzarbeit und Homeoffice angesagt.

Damit geht es ihm noch relativ gut. Denn viele Kulturschaffende wie etwa Sarah Stücker, die mit ihrem Ehemann erfolgreich eine Veranstaltungsagentur für Projektionen, Lichtelemente und Spezialeffekte (Provisuell) betreibt, stehen plötzlich ganz ohne Einnahmen da. „Unser Antrag auf Arbeitslosengeld II wurde nach vier Monaten abgewiesen mit der Begründung, wir sollten erst einmal die Lebensversicherungen, die wir für unsere Kinder abgeschlossen haben, aufbrauchen“, berichtet Sarah Stücker.

Sie ist eine von den vielen Unsichtbaren, die durch Corona einem zuvor leidenschaftlich ausgeübten Beruf nicht mehr nachkommen können und dadurch in eine wirtschaftlich prekäre Situation geraten sind. Die Hände in den Schoß zu legen ist indes nicht ihr Ding. „Ich war bei ‚Hart aber fair‘, habe an Demonstrationen teilgenommen und die ‚Night of Light‘ organisiert“, erzählt die junge Frau. Jetzt engagiert sie sich bei der Initiative „Kulturgesichter 0521“, einer deutschlandweiten Fotoaktion, die den Menschen der Kulturbranche ein Gesicht gibt und mittels Visualisierung auf ihr Schicksal aufmerksam machen möchte.

Am Dienstag konnten sich Kulturschaffende im Ringlokschuppen fotografieren lassen. 60 Branchenvertreter nutzten gleich am ersten Tag die Gelegenheit. Weitere sollen folgen. Ihre Porträts sollen in den sozialen Medien, auf Plakaten und Postkarten veröffentlicht werden.

Initiiert wird die Aktion in Bielefeld von Stratmann Event, dem Tips-Verlag und Provisuell. „Wir waren die ersten, die ihre Betriebe schließen mussten und sind die letzte Branche, die irgendwann einmal wieder ihre Tätigkeit aufnehmen kann. Es ist wichtig, dass wir endlich Aufmerksamkeit auf unserer Branche lenken, die durch die Pandemie existenziell so stark bedroht ist wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig in Deutschland und die unter dem andauernden Veranstaltungsverbot weiterhin stark leidet“, verdeutlicht Projektleiterin Sandra Koch.

Zu viel Bürokratie und Ignoranz von seiten der Politik beklagen die Betroffenen. „Uns fehlt derzeit in der Branche eine vereinende Stimme, die unsere Interessen vertritt. Wir werden uns in Zukunft besser organisieren müssen“, resümiert Cayhan Cankatli, der im Bunker Ulmenwall für popkulturelle Veranstaltungen zuständig ist. Jetzt sei indes wichtig, dass Kulturschaffende finanziell gefördert würden, sonst gebe es die Branche nach der Pandemie nicht mehr.

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