Imkerin Martina Varchmin beobachtet das Insektensterben, sieht aber auch positive Entwicklungen
»Die Biene ist ein Sympathieträger«
Bielefeld (WB). Martina Varchmin ist seit elf Jahren Imkerin, und seitdem hat sie beobachtet, dass das Insekten- und Bienensterben überall stattfindet, auch in Bielefeld. Und doch sieht sie auch positive Entwicklungen: »Die Biene ist ein Sympathieträger.«
Da sei zum einen das Bewusstsein für die Rolle und die Wichtigkeit der Insekten, sagt Martina Varchmin. Und dies zeige sich auch ganz konkret im Stadtbild. »Ich sehe in Bielefeld viele Verbesserungen wie zum Beispiel immer häufiger Blühstreifen, die angelegt werden«, sagt die Biologin. Das allein reiche zwar nicht, um den Rückgang zu stoppen, zeige jedoch, dass sich mehr Menschen Gedanken über das Problem machten.
Gestiegen ist nach ihrer Einschätzung auch die Bereitschaft, Bienen in der Nähe zu tolerieren. Immer häufiger hielten Imker ihre Bienen auch in der Innenstadt, in kleinen Gärten und Hinterhöfen. Die Zahl der Beschwerden darüber nehmen nach ihrer Wahrnehmung ab – auch wenn es immer noch Fälle gebe, in denen sich Nachbarn daran stören würden.
Mehr Interesse an der Imkerei
Deutlich gestiegen sei auch das Interesse an der Imkerei selbst. Seit vielen Jahre gibt Varchmin bei der Volkshochschule Einsteigerkurse, »und während ich bei dem ersten Kursus gerade die Mindestteilnehmerzahl hatte, sind die Kurse inzwischen meist überbucht«.
Dabei gehe es den Teilnehmern nicht immer nur darum, später selbst zu imkern und eigene Völker zu halten. »Manche wollen sich auch nur informieren und etwas über die Tiere lernen.« Das größere Interesse an der Imkerei sei auch in den fünf Vereinen zu beobachten, die zum Kreisimkerverein Bielefeld gehören. Als Beispiel dafür nennt Varchmin den Imkerverein Isselhorst, der dazu zählt und in dem sie selbst Mitglied ist. 2008 habe er noch 18 Mitglieder gezählt, aktuell seien es 85. Dabei gehe es den neuen Mitgliedern nicht immer um die Honigernte, sondern eher um den Umwelt- und Naturschutz.
Die größte Gefahr ist die Varroa-Milbe
Die größte Gefahr, die den Honigbienen derzeit drohe, sei die Varroa-Milbe, erklärt Martina Varchmin. Der Parasit komme eigentlich in Asien vor und befalle dort die Honigbienen. Durch weltweite Transportwege sei die Milbe auch nach Europa gekommen, und die europäischen Bienen seien ihr hilflos ausgeliefert.
Zu schaffen mache den Bienen aber auch die Gestaltung der Umwelt durch den Menschen. Es gebe immer weniger Trachtpflanzen, die über das Jahr hinweg versetzt blühen und so die Nahrung über einen langen Zeitraum sicherstellten. »Wo es große Rapsfelder gibt, gibt es für die Bienen bei der Blühte ein großes Nahrungsangebot. Doch anschließend hungern die Bienen, wenn es in der Umgebung keine anderen Nahrungsquellen gibt.« Was fehle, sei die Vielfalt und die Kleinteiligkeit der Landschaft, die durch Monokulturen verloren gehen.
Für die Honigbiene sei sie dennoch zuversichtlich, dass diese überlebe – vor allem, weil die Völker von den Imkern betreut und im Zweifelsfall gefüttert werden. Denn wild lebende Honigbienen gebe es in Deutschland überhaupt nicht mehr. Anders sehe es für die wilden Solitärbienen aus. Was diese bräuchten, sei eine Vielfalt an Pflanzen. Und auch diese Bienen seien wichtig für die Bestäubung auch von Kulturpflanzen.
Jedes Volk hat seinen eigenen Charakter
Martina Varchmin selbst hat 30 Bienenvölker, mit denen sie imkert. Und die haben durchaus ihren eigenen Charakter. Manche Völker seien aufgeregter und schon eher mal etwas aggressiv, wenn sie gestört werden, andere dagegen ziemlich friedlich und entspannt. Dies hänge auch von der jeweiligen Königin ab.Wichtig sei, ein Volk immer als eine Einheit zu betrachten und auch zu behandeln. »Man kann nicht einfach etwas in den Beuten ändern oder umstellen. Das wäre, als ob man bei einem menschlichen Körper die Glieder oder Organe anders anordnet.«
Helfen – aber richtig
Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht – das gilt auch beim Insekten- und Bienenschutz. »In Internetforen kursieren zum Beispiel einige Empfehlungen, die ein absolutes No-Go sind«, warnt Imkerin Martina Varchmin. Einige der Irrtümer sind diese:
●- Um Bienen zu füttern, kann man draußen Zuckerwasser oder mit Honig getränkte Schwämme aufstellen. »Da stellen sich mir die Nackenhaaren auf«, lautet Martina Varchmins Kommentar. Denn so kann sich die Faulbrut, die tödlich für Bienen ist, weiter ausbreiten.
●- Auch Bienenkisten, die als Behausung für ganze Völker dienen sollen, die sich dann selbst überlassen werden, sind nicht sinnvoll. Auch Bienenvölker müssen durch Imker betreut werden, sonst können sie verhungern oder von der Varroa-Milbe befallen werden. Martina Varchmin: »Wer sich Bienen anschafft, muss wissen, was er tut und die Verantwortung für die Tiere übernehmen.«
-● Insekten- und Bienenhotels, die fertig gebaut angeboten werden, sind oft nicht günstig konstruiert. Bei manchen etwa gibt es Materialien, in denen sich zum Beispiel Ohrenkneifer, Fressfeinde der Bienen, die deren Larven fressen, ansiedeln. Und ein Bienenhotel allein reicht ohnehin nicht. Varchmin: »Es muss in der Umgebung auch genügend Nahrung geben.«
-● Neben den Honigbienen, die von Imkern gehalten werden, gibt es viele weitere Bienenarten – allein in Deutschland mehr als 500. Diese Solitärbienen leben nicht in Völkern, sondern brüten allein. In Bielefeld gibt es unter anderem neben der Hummel, die ebenfalls dazu zählt, Sand-, Seiden und Mauerbienen.
-● Wildbienen stehen unter Schutz. Sie dürfen werde bekämpft noch umgesiedelt werden. »Wenn dies dringend notwendig ist, sollte man beim städtischen Umweltamt anrufen«, sagt Martina Varchmin. Manchmal reicht es jedoch auch, ein wenig abzuwarten. Denn die meisten Bienenarten sind nur kurze Zeit vor Ort, um ihre Eier abzulegen. »Der Spuk ist dann in wenigen Tagen vorbei.«
-● Alle Bienen können Menschen unangenehme Stiche verpassen – falsch! Dies gilt für die Honigbiene, die meisten Solitärbienen haben zwar auch einen Stachel, mit dem sie sich jedoch nur gegen andere Insekten verteidigen. Und die menschliche Haut kann dieser nicht durchdringen.
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