Funktionär von Milli Görüs tritt in Bielefeld zur Wahl an - ++ mit Kommentar
Die Grünen und ihr umstrittener Kandidat
Bielefeld (WB). Die Nominierung erfolgt am 13. Juni auf dem Kommunalparteitag. Trotz zum Teil heftiger Kritik aus den eigenen Reihen wollen die Bielefelder Grünen – wie berichtet – mit einem Kandidaten bei der Kommunalwahl am 13. September antreten, der zugleich Funktionär bei einer Moscheegemeinde ist, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Der Fall wird öffentlich. Es dauert nicht lange, bis die Landesspitze sich von den Parteifreunden aus Bielefeld distanziert. Seitdem ist der Ärger groß.
Selvet Kocabey, 39 Jahre alt, ist Sprecher der Hicret-Moschee in Brackwede. Die Gemeinde gehört Milli Görüs an, einer umstrittenen Gruppierung, der Antisemitismus und ein antidemokratisches Staatsverständnis nachgesagt werden und die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht.
Gegen Grundprinzipien
Laut NRW-Verfassungsschutzbericht vertritt Milli Görüs Ziele, „die mit den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar“ sind. Konkret strebe sie an, die Vorherrschaft der westlichen Zivilisation durch eine islamische zu ersetzen. Zudem träten bei den Äußerungen einiger Funktionäre antisemitische Einstellungen deutlich zu Tage.
Die Grünen in NRW distanzieren sich von ihren Bielefelder Parteikollegen. Deren Landesvorsitzende Mona Neubaur hält nichts von der Kandidatur des umstrittenen Funktionärs, sagte sie der Funke-Mediengruppe, die als erstes berichtet.
Selvet Kocabey hat seine Ämter niedergelegt, will aber trotzdem bei der Kommunalwahl in Brackwede antreten. Er sagt: „Von der Milli Görüs Bewegung, die aktuell in der Türkei aktiv ist, distanziere ich mich ausdrücklich. Antisemitismus und Rassismus sind nicht akzeptabel.“
Spott und Häme
Der Kreisverband der Grünen verteidigt die Entscheidung, ihn für die Kommunalwahl zu nominieren. Auf der Homepage heißt es: „Wer sich bei uns engagiert, verpflicht sich dem Grundgesetz, der Rechtsstaatlichkeit, unserer lebendigen Demokratie und unseren Werten.“ Klaus Rees, Fraktionsvorstand, Ratsmitglied und Fraktionsgeschäftsführer der Grünen in Bielefeld, sagt: „Selvet Kocabey hatte nie mit der politischen Ausrichtung der Milli Görüs zu tun, sondern mit ihrem religiösen Hintergrund. Ich sehe keinen Anlass, seine Position in Frage zu stellen oder daran zu zweifeln, dass er die grünen Grundwerte mit Überzeugung vertritt.“
Völlig anderer Meinung ist Birgit Ebel, seit 24 Jahren Grünen-Mitglied: „Als ich im Juni auf dem Kommunalparteitag die Wahl von Selvet Kocabey kritisierte, wurde mir mit Spott und Häme begegnet und mir wurde Rassismus unterstellt. Diese Realitätsverweigerung hinsichtlich des Scharia-Islams, speziell bei SPD und Grünen, muss aufhören, denn das wird letztlich auch noch die AfD stärken.“
Ähnlich kritisch äußert sich auch Mehmet Ali Ölmez, der auch Integrationsbeauftragter der Stadt ist: „Es ist untragbar, dass Grüne die Strategie der Gemeinde nicht erkennen wollen und sich zum Steigbügelhalter dieser Verfassungsfeinde machen lassen.“
Kommentar
Man wundert sich: Die NRW-Landesvorsitzende der Grünen, Mona Neubaur, sagt: Die Entwicklung von Milli Görüs geht stark in Richtung des türkischen Präsidenten Erdogan, seiner AKP und seines Regimes. Und weiter: Nationalismus und Antisemitismus stünden diametral zu den liberalen Werten der Grünen in NRW. Die Grünen in Bielefeld sagen das Gegenteil. Zwei Meinungen einer Partei, die am 13. September gewählt werden will.
Wenig nachvollziehbar erscheint auch Selvet Kocabeys Verhalten. Warum tritt er von allen Ämtern als Funktionär zurück, wenn er sich nach eigener Aussage nichts vorzuwerfen hat?
Entweder er bleibt Funktionär der umstrittenen Bewegung und tritt bei der Wahl an – mit allen Konsequenzen für die Grünen. Oder er legt sein Amt nieder und zieht auch seine Kandidatur zurück. Das wäre wenigstens konsequent. André Best
Startseite