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Weihnachtsmobil rollt an Heiligabend durch Bielefeld-Jöllenbeck, Kirchen sind auch ohne Gottesdienst Treffpunkte

Ein ganz besonderes Weihnachtsfest

Bielefeld

Vertraute Rituale, Begegnungen - vieles davon war an diesem Weihnachtsfest nicht möglich. Aber die Bielefelder haben dennoch Wege gefunden, die Geburt Christi zu feiern - auf ganz andere, aber auch auf ganz besondere Weise.

Hendrik Uffmann

Pfarrer Andreas Kersting liest auf dem „Weihnachtsmobil“, das an Heiligabend durch Jöllenbeck rollte, aus der Weihnachtsgeschichte. Foto: Thomas F. Starke

Wie etwa in Jöllenbeck, wo sich an Heiligabend um kurz vor 15 Uhr die Initiatoren einer außergewöhnlichen Aktion vor der Marienkirche versammelten. Allesamt in dicke Jacken, Schals und Mützen gehüllt, denn für die nächsten mehr als drei Stunden waren sie draußen unterwegs, „damit Kirche trotz allem sichtbar bleibt“, wie Reiner Küstermann erklärte.

Gemeinsam mit gut 20 Aktiven der evangelischen Versöhnungs-Kirchengemeinde hatte er an den Vorbereitungen und der Organisation gearbeitet, die schließlich zu einem Korso führten, wie es ihn in Bielefeld bislang wohl noch nicht gegeben hat. Auf einem offenen Anhänger hatte die Gruppe das montiert, was bei einem Gottesdienst an Heiligabend dazu gehört: Ein kleiner Altar, ein Christbaum und eine Krippe.

Am Mikrofon, das mit einer ebenfalls installierten Lautsprecheranlage verbunden war, standen abwechselnd Pfarrer Andreas Kersting und andere Gemeindemitglieder und lasen die Worte aus der Weihnachtsgeschichte nach Lukas, während der von einem Auto gezogene Anhänger im Schritttempo durch Jöllenbeck rollte.

Und weil Musik erst recht an Weihnachten nicht fehlen darf, fuhren Mitglieder des Posaunenchors des CVJM Jöllenbeck in mehreren Autos hinterher und spielten aus den geöffneten Fenstern die Lieder, die zum Fest einfach dazu gehören. „Dabei haben wir natürlich auch auf die Corona-Regeln geachtet und nicht mehr als zwei Haushalte in einem Auto platziert“, betonte Reiner Küstermann.

Einen Tag hatte es gedauert, bis der Anhänger umgebaut worden war. Mit einer Krippe aus Holz, einem gut gesicherten Weihnachtsbaum und einem Altar, der mit goldfarbener Rettungsfolie verkleidet war. Die Strecke, die die Initiatoren ausgetüftelt hatten, war 18 Kilometer lang. „Wir wollten jede Siedlung in Jöllenbeck erreichen“, betonte Küstermann.

In Sennestadt war ein Anziehungspunkt der Rundweg mit Bildern und Texten, den die Gemeinde der evangelischen Jesus-Christus-Kirche um ihr Gotteshaus herum aufgebaut hatte. Tanja Baßler traf sich dort mit ihrer Familie, draußen und mit Abstand. Jeweils viele Meter voneinander entfernt stand diese in der Dämmerung um den erleuchteten Baum vor der Kirche und sang „O du fröhliche“. „Es ist traurig, dass jeder von uns nach diesem Treffen wieder getrennt in seine Wohnung zurückgehen muss. Aber die Sicherheit geht einfach vor“, erklärte Tanja Baßler.

In der katholischen Kirche St. Thomas Morus in Sennestadt kamen die Menschen in kleinen Gruppen zur Kirche, auch wenn es dort wie fast überall keinen Gottesdienst gab. „Es ist ganz merkwürdig, sonst wäre hier jetzt der Familiengottesdienst“, sagte Pastor Joachim Köhler gegen 17 Uhr.

Während die Kirche an Heiligabend sonst um diese Zeit komplett gefüllt ist, saßen in einige wenige Gläubige in den Kirchenbänken, andere entzündeten an der Krippe eine Kerze. Und alle zehn Minuten begrüßte Pastor Köhler die neu hinzugekommen und betet das Vater unser. Damit auch hier die Musik nicht fehlte, spielten Heti Schmidt-Wissing und ihre Tochter Lioba Schmidt weihnachtliche Stücke auf der Orgel und der Querflöte.

Auch in der evangelischen Kirche Peter-und-Paul in Heepen verweilte Gläubige für einige Minuten, um das Weihnachtsfest zu begehen. Höchsten zehn Menschen durfte gleichzeitig in das Gotteshaus, geduldig warteten die anderen Besucher vor der Tür.

In der Neustädter Marienkirche erlebte Kantorin Ruth M. Seiler ebenfalls ein ganz anderes Weihnachtsfest. Für die knapp ein Dutzend Besucher, die dort gleichzeitig waren um zu beten oder für einen Moment inne zu halten, spielte sie immer mal wieder Werke auf der Orgel. „Aber natürlich kein Konzert, damit niemand zu lange bleibt“, erklärte die Kantorin. Die ersten Gläubigen seien schon um 8.30 Uhr dort gewesen. Ruth M. Seiler: „Sie können die schön geschmückte Kirche und ein wenig Musik erleben und so etwas von der Weihnachtsatmosphäre mitnehmen.“

So war es ein anderes Weihnachten in diesem Jahr, ohne viele Traditionen und Begegnungen. Doch es war auch ein besonderes Fest das gezeigt hat, dass die Menschen neue Wege finden, das zu feiern, auf das es ankommt.

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