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Bielefelder Lasse Rheingans glaubt an seinen Weg – und kritisiert viele Unternehmen

Es bleibt beim Fünf-Stunden-Tag

Bielefeld (WB). Als der Bielefelder Unternehmer Lasse Rheingans vor rund zweieinhalb Jahren den Fünf-Stunden-Tag bei vollem Lohnausgleich einführte, ließ er damit nahezu die gesamte Wirtschaft aufhorchen. Konnte das etwa ein Modell für die Zukunft sein? Und was sagt Rheingans zur Corona-Krise? Hier findet er drastische Worte.

Paul Edgar Fels

IT-Unternehmer Lasse Rheingans (rechts) hat sich den Manager André Bierbass als Partner in sein 15-köpfiges Mitarbeiterteam geholt.

Der 39-jährige Inhaber der IT-Beratungsfirma Digital Enabler war nach seiner Fünf-Stunden-Offensive ein gefragter Interviewpartner und Vortragsredner. Er tourte quer durch Deutschland, saß in etlichen Talkshows. Zudem hat Rheingans ein Buch über seine Ideen geschrieben. Allerdings hat in dieser Phase das operative Geschäft seines IT-Unternehmens gelitten. „Im Jahr 2019 waren wir nicht profitabel“, räumt er jetzt im Gespräch mit dieser Zeitung ein. „Ich war zu viel unterwegs und fehlte im Büro.“

Kein Personalabbau geplant

Gleichwohl ist Lasse Rheingans von der Richtigkeit seines Vorstoßes weiterhin überzeugt. Seine derzeit 15 Mitarbeiter seien auch heute nur rund fünf Stunden täglich im Einsatz. Einen Personalabbau plane er ebenfalls nicht.

In einem Punkt aber musste Rheingans das Steuer herumreißen: – entweder im Büro oder je nach persönlicher Neigung im Homeoffice. Weil er auch künftig „jede Menge“ Vorträge halten werde – „es sei denn, Corona hält uns davon ab oder lässt diese ausfallen“ – hat sich Rheingans zum 1. April einen Manager als Partner ins Team geholt: André Bierbass (33). Rheingans bleibt aber alleiniger Gesellschafter. Bierbass soll sich um Vertrieb, Marketing und Organisation kümmern.

Bierbass war zunächst bei dem Beratungsunternehmen Ernst & Young (EY) und bei Edeka tätig. Seit 2016 war er Vorstandsmitglied des E-Commerce-Dienstes Triple A Internetshops mit Sitz in Bielefeld, zu dem die Online-Shops druckerzubehoer.de, der Erotikhandel eis.de sowie der Foto- und Bilderdienst bilder.de gehören. Hier war er für das operative Geschäft zuständig. Die Gruppe – einst ein Start-up – macht heute gut 200 Millionen Euro Umsatz, hat mehr als 18 Millionen Kunden und beschäftigt mehr als 250 Mitarbeiter weltweit.

Mittelständler hätten Zeitgeist „verschlafen

Bierbrass bringe bei Digital En­abler eine „weitreichende Expertise aus der Restrukturierung- und Prozessberatung“ ein, betont Rheingans. Gemeinsam wollen sie das Beratungsgeschäft bei Digital Enabler ausbauen. „Ich freue mich, dass wir unseren Kunden nun noch ganzheitlicher unterstützen können“, sagt Rheingans. Nun sei sein Team auch in der Lage, Prozesse von Beginn an kosteneffizient zu digitalisieren.

Die derzeitige Corona-Krise mache indes deutlich, dass viele Mittelständler den Zeitgeist „verschlafen“ hätten, kritisiert der IT-Unternehmer. Sie hätten sich auf ihren Erfolgen in den vergangenen zehn Jahren ausgeruht. „Viele Unternehmer haben zu lange gewartet, um technisch mit der Zeit zu gehen.“ Das mache gerade die Corona-Krise deutlich. „Was die Digitalisierung angeht, sind wir in Deutschland eine Bananenrepublik“, findet Rheingans deutliche Worte.

Außerdem lebten wir in einer VUKA-Welt. Dieses Kunstwort stehe für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz. „Es steht dafür, wie schnelllebig und komplex die Zeit ist.“ Wie nachhaltig sich bislang als sicher geltende Geschäftsmodelle änderten, das zeigten Rheingans zufolge auch relativ neue Unternehmen wie etwa der Wohnungsvermittler Airbnb oder das Fahrgast-Unternehmen Uber. Weder Taxifahrer noch Hotelbetreiber hätten mit so einer Online-Vermittlungsplattform gerechnet. Rheingans: „Die Unternehmen waren schlicht nicht darauf vorbereitet.“ Und auch der Einzelhandel hätte den Trend zum Online-Einkauf verpasst. „Corona zwingt jetzt alle Branchen zum Umdenken.“

Immer mehr Homeoffice

Rheingans hält es zudem für erforderlich, den Arbeitnehmern ein „optimales Umfeld“ zu bieten. Seine These: Nur zufriedene Mitarbeiter machen einen guten Job. „Wer unter Stress steht, erbringt bis zu 40 Prozent weniger Leistung.“ Gerade in einem Umfeld wie dem Fünf-Stunden-Tag müssten die Bedingungen daher passen. In seinem Unternehmen etwa werde die Arbeitskultur einmal im Quartal mit einem externen Supervisor diskutiert. Rheingans: „Es geht um einen Austausch auf Augenhöhe. Es geht um gegenseitiges Verständnis und um Kommunikation.“

Und wie sieht es beim Fünf-Stunden-Tag mit Nachahmern aus? Lasse Rheingans weiß von einer Steuerkanzlei, die den gleichen Weg geht. „Es gibt sicher noch einige weitere. Grundsätzlich kann ich feststellen: Das Thema wächst und die Bewegung, anders zu arbeiten, wird immer größer.“ Die Corona-Krise habe einen weiteren Trend deutlich gemacht: Immer öfter würden Arbeiten vom Homeoffice aus erledigt.

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