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Geologische Sammlung des Namu in Bielefeld muss konserviert werden

Kampf gegen das Bröckeln

Bielefeld (WB). Den Cyclotosaurus büchneri dürften viele Bielefelder kennen: Die Rekonstruktion des 220 Millionen Jahre alten Lurchs ist unter einer dicken Glasscheibe in der Stadtbahnhaltestelle Oetkerhalle zu sehen. Das Original ruht im klimatisierten Magazin des Naturkunde-Museums Namu, eingeschweißt in eine Spezialfolie, die aus Japan importiert wurde, und umgeben von Päckchen, die Feuchtigkeit absorbieren.

Sabine Schulze

Mark Keiter im Magazin der Geologischen Sammlung am Adenauerplatz. Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind hier möglichst stabil. Foto: Bernhard Pierel

„Nur so können wir unseren Cyclotosaurus vor Verfall schützen“, sagt Mark Keiter, der die geologische Sammlung des „Namu“ betreut. Und dennoch: Er deutet auf einige gräuliche Flecken und kleine Risse in dem Schilfsandstein, in den das Fossil eingebettet ist: „Hier beginnt der Zerfall. Wo die Flecken sind, haben sich Sulfate gebildet.“

Reichtum der Region

Keiter ist zuständig für 50.000 bis 60.000 Stücke, die die Namu-Sammlung umfasst. Viele von ihnen sind schon älter als 100 Jahre. Allen gemein ist, dass sie Geschichte erzählen – Erdgeschichte. Das Museum besitzt eine große Mineraliensammlung, „vor allem aber können wir den geologischen und paläontologischen Reichtum der Region zeigen“, betont Keiter. Wobei „Region“ durch die geologischen Grenzen definiert ist.

Auch wenn in dem Magazin mit möglichst gleichbleibender Temperatur und relativ niedriger Luftfeuchtigkeit ausschließlich Steine lagern, bedeutet dies nicht, dass sie für immer und ewig Bestand haben. Nicht alle sind steinhart. Der Findling vor dem Namu etwa ist robust und unempfindlich, Denkmäler aus Sandstein hingegen sind in Gefahr, irgendwann zu bröckeln und zu zerbröseln. Vieles, was Millionen und Abermillionen Jahre unbeschadet im Erdreich geruht hat, droht zu zerfallen, wenn es ausgegraben wird.

Von wegen steinhart

Auf einem Tisch hat Keiter Exponate für die nächste Ausstellung über die Wirbellosen bereit gelegt: Fossilien wie Trilobiten, 540 Millionen Jahre alt, in Kalkstein eingebettet und vorsichtig herauspräpariert. „Sie sind nicht in Gefahr, das sind harte, solide Steine“, sagt Keiter. Schwieriger wird es, wenn Gesteine organische Bestandteile enthalten: Schwefel, Kohlenstoffverbindungen, Schwefel-Eisen-Verbindungen. „Pyrit zum Beispiel ist sehr hübsch, zerfällt aber, wenn er mit Sauerstoff und Luftfeuchtigkeit in Berührung kommt: Dann bilden sich schweflige Säuren.“

Besonders tragisch erscheint das dem Laien bei Referenzobjekten wie dem Ur-Lurch Cyclotosaurus büchneri oder dem tatsächlich noch wichtigeren Arminisaurus Schuberti, der in den 80er Jahre in Jöllenbeck gefunden und vor der Zerstörung gerettet wurde. Diese Paddelechse, die etwa dreieinhalb Meter lang war, begründet eine Gattung für sich. Auch hier sind Wirbel, Schulterblatt- und Kieferfragmente zum Schutz aufwendig eingeschweißt und wird die Luftfeuchtigkeit absorbiert. Ein Indikatorplättchen in einzelnen Tütchen zeigt Probleme an: „Wenn die rosa Tablette blau wird, ist Feuchtigkeit in der Tüte. Dann muss ich sie öffnen und nachschweißen“, erklärt Keiter.

Echse aus dem Drucker?

Einige Wirbel und viele Rippen hingegen liegen noch „offen“ in ihren Schachteln. „Sie müssen noch durch 3-D-Fotografie erfasst werden“, sagt Keiter. Dazu wird jeder einzelne Knochen von einem Spezialisten von allen Seiten 300 bis 500 Mal fotografiert, danach wird ein 3-D-Bild erstellt. Ein durchaus aufwendiges und entsprechend teures Verfahren. Irgendwann, hofft Keiter, soll es in ein originalgroßes 3-D-Modell in der Dauerausstellung münden. „Immerhin haben wir 80 bis 90 Knochen gut identifizieren können und damit 25 Prozent des Skelettes.“

Kohle und Mammutzahn

Aber diese außergewöhnlichen Objekte sind es längst nicht allein, um die Keiter sich sorgt. Auch Hunderte unscheinbarer Sammlungsstücke sollten besonders verwahrt oder von Spezialisten konserviert werden: „Für vieles gibt es keinen Ersatz mehr. Gerade hier in der Region sind alle Steinbrüche und Tonkuhlen geschlossen, renaturiert oder mit Aushub und Müll zugeschüttet.“ Das macht vieles, was schon im 19. Jahrhundert gesammelt wurde, um so wertvoller.

„Unsere Altvorderen waren aktive Sammler, und viele Steine wurden ja noch als Baustoff genutzt“, erklärt Keiter. Das führte zu mancher Entdeckung. Und so verlangt die 145 Millionen Jahre alte Kohle aus Bückeburg ebenso eine achtsame Behandlung wie etwa ein gewaltiger Mammutzahn. Das kostet. Denn mit einfachem Überlackieren ist es nicht getan: „Heute weiß man, dass es darunter quasi arbeitet und brodelt, weil chemische und physikalische Prozesse ablaufen. Spezialisten sind gefragt – aber ebenso selten wie manches Gestein.“

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