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„Manifest für den Frieden“: Linkspartei fühlt sich missverstanden - SPD schweigt

Koalitionskrach in Bielefeld verschärft sich

Bielefeld

Noch vor wenigen Tagen hat sich die Linkspartei in Bielefeld offen dazu bekannt, sofortige Friedensverhandlungen für richtig zu halten und die Ukraine nicht mehr mit Waffen zu unterstützen. Sie folgt somit dem „Manifest für den Frieden“ von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer. Es hagelte Kritik, die rot-grün-rote Rathauskoalition geriet stark in die Krise. Nun geht der Krach auf offener Bühne weiter.

Die Linkspartei in Bielefeld fühlt sich von Teilen der Politik und ihren Koalitioonspartnern diskreditiert. Foto: Peter Endig/dpa

Die Linke in Bielefeld sieht sich von FDP „und ihrem Umfeld“ in der örtlichen Presse und in den sogenannten sozialen Medien diskreditiert und als Freundin Putins dargestellt, heißt es in einer Stellungnahme. Und weiter:  Dass sich diesem Tenor der grüne Koalitionspartner anschließe, sei für die Zusammenarbeit in der Mehrheitskoalition des Rates nicht förderlich.

Ende der Koalition gefordert

Florian Straetmanns, Vorstand des Kreisverbands der Linken, verteidigte die Position der Fraktion seiner Partei im Bielefelder Rat. Diese werde von anderen Parteien wegen dieser Haltung diffamiert. „Jeder, der nicht in das Horn der Scharfmacher bläst, wird als Parteigänger des Feindes bezeichnet oder zumindest als dessen nützlicher Idiot“, sagte Straetmanns bei einer Demonstration am Samstag auf dem Jahnplatz. Und in Richtung von FDP und Grünen, von denen ebenso wie von der CDU massive Kritik an der Linken-Ratsfraktion gekommen war, sagte er: „Wir müssen uns Verleumdungen erwehren, die von vielen Parteien, von den Populisten bei FDP und Grünen verbreitet werden.“ Die Linke lasse sich auch als Koalitionspartnerin „nicht in ihrer klaren Friedenshaltung verbiegen“.

Zuletzt hatten die FDP, die Grünen und die CDU die Linke scharf kritisiert. Die Christdemokraten forderten das Ende der rot-grün-roten Koalition in Bielefeld. Die Grünen sprachen davon, „fassungslos“ zu sein angesichts einer Haltung der Linken. „Dass die Bielefelder Linken dieses Manifest unterstützen, das selbst unter führenden Linken höchst umstritten ist, ist für uns nicht nachvollziehbar“, erklären die Fraktionsvorsitzenden Christina Osei und Dominic Hallau.

Die SPD schweigt weiter:
Keine öffentliche Stellungnahme

Ähnlich äußerte sich auch die CDU. Kreisvorsitzende Dr. Christiana Bauer und der Vorsitzende der Ratsfraktion, Ralf Nettelstroth werden in einer Mitteilung zitiert: „Angesichts des Leids, das der Aggressor Putin mit seinem völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine über die Menschen gebracht hat, ist dieser Aufruf unsäglich. Dass die Bielefelder Linken Wagenknecht und Schwarzer nun auch noch den Rücken stärken, ist für uns vollkommen unverständlich.“

Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Klaus Rees legte am Rande der Friedensdemonstration am Freitag, bei der viele Ukrainer mitmachten, nach: „Was soll ich denn den Leuten hier sagen?“, fragte er entnervt mit Blick auf die Beteiligung der Linken am Bündnis. Bei solch harscher Kritik irritiert es viele umso mehr, dass die SPD als dritter Koalitionspartner bislang öffentlich schweigt und sich wegzuducken scheint – um die Koalition nicht zu gefährden.

Parteien wollen am Montag beraten

SPD-Fraktionschef Riza Öztürk versucht, den Ball flach zu halten. Die Koalition sehe er nicht in Gefahr, sagt er. SPD-Vorstand und Fraktionsspitze hätten nicht mit einer Beurteilung vorpreschen wollen, sondern wollen die Bewertung am Montag in einer Sitzung der gesamten Fraktion überlassen. Intern ist Bielefelds SPD-Chefin Wiebke Esdar deutlicher geworden und hat die Haltung der Linken in einem Schreiben an die Mitglieder des Unterbezirksvorstands als „gefährlich und falsch“ bezeichnet. Der Aufruf sei von der Person Sahra Wagenknecht nicht zu trennen, die immer wieder mit gefährlichen Äußerungen auffalle, die Putins völkerrechtswidriges Verhalten relativierten. Allerdings wolle man erst mit dem linken Koalitionspartner das Gespräch suchen, bevor man als SPD an die Öffentlichkeit gehe.

Er selbst teile die Anliegen des Wagenknecht-Manifests nicht, sagt Öztürk und betont das „gute Miteinander“ mit den Linken im Bielefelder Rat. Anders als die Grünen versucht der SPD-Fraktionschef, die bundespolitische Positionierung der Bielefelder Linkspartei und deren Kommunalpolitik auseinanderzuhalten. Für ihn sei entscheidend, „wie die Linken vor Ort Politik machen“.

Grüne bleiben bei ihrer Kritik

Für Klaus Rees vom grünen Koalitionspartner ist das problematischer: Der Kreisverband, der per Beschluss das Manifest unterstützt hat, und die Ratsfraktion seien bei den Linken nicht zu trennen, weil viele aus dem Vorstand auch im Rat sitzen. Aber auch bei den Grünen steht die Bewertung, wie sich die Positionierung zum Ukraine-Krieg auf die Koalition auswirkt, noch aus.

FDP fordert das Ende der Koalition in Bielefeld

Die FDP fordert, dass Grüne und SPD Konsequenzen ziehen und die Koalition beenden. Vorsitzender Jan Maik Schlifter: „Was müssen aus der Ukraine geflüchtete Menschen denken, wenn sie erfahren, dass hier Leute in Verantwortung stehen, die dem Kreml nach dem Munde reden und für die putinfreundliche Querfrontdemos offenbar kein Problem sind?“ Weltoffenheit und Eintreten gegen Extremismus sei nicht nur in Sonntagsreden gefragt, sondern auch im kommunalpolitischen Handeln.

Linke will Koalitionsbündnis fortsetzen

Die Linke sieht das anders und betont, das Rathausbündnis mit der SPD und den Grünen fortsetzen zu wollen. In der Stellungnahme heißt es: „Am Tag des trauernden Gedenkens um die vielen Tausend Menschen, die nach dem militärischen Überfall in der Ukraine schon ums Leben gekommen sind, können wir dies so nicht stehen lassen. Selbstverständlich gilt unsere Solidarität den Menschen in der Ukraine und den Geflüchteten in unserem Land und besonders in unserer Stadt. Als Koalitionspartner werden wir die unterstützende Politik vor Ort weiterführen.“

Linke belehrt die Grünen

Die Linke kann offenbar nicht nachvollziehen, warum sie so sehr kritisiert wird. Zitat: „Wieso die Forderungen nach einem Waffenstillstand ein ,Pro-Putin-Kurs' sein sollen, wie die Grünen schreiben, kann von ihnen selbst offenbar nicht begründet werden. Wer jetzt nicht für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen eintritt, riskiert einen langen Abnutzungskrieg um die Ukraine, der noch mehr Tod, Leid und Zerstörung verursacht. Militärexperten sagen, dass der Krieg von keiner Seite vollständig zu gewinnen ist."

Auch ein genaueres Lesen der vorschnell kritisierten Forderungen wäre nach Meinung der Linke anzuraten: die Grünen würden zum Teil kritisieren, was in der Petition gar nicht gefordert wird. Selbst die grüne Außenministerin Baerbock begrüße inzwischen die Friedens-Initiative von China. Aber der Kreisverband der Grünen in Bielefeld kritisiere, so die Linke,  jetzt offenbar Forderungen nach einem Waffenstillstand.

Vorwürfe der Linke an die FDP

Den Vorwurf der angeblichen Offenheit gegenüber Rechts weise die Linkspartei entschieden zurück.  Die Initiatoren, damit meinen die Linken wohl Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer, hätten klargemacht, dass Rechtsextremisten keinen Platz auf der Friedensdemonstration hätten. Diese eindeutige Haltung sei auch die der Bielefelder Linke. 

Die FDP versuche den unaufmerksam Lesenden nahezulegen, dass es eine Zusammenarbeit zwischen den Demo-Organisatoren und Rechten gibt. Das entspreche nicht den Tatsachen und sei schon mehrfach zurückgewiesen worden. Eher müsse die FDP sich umgekehrt fragen lassen, ob sie ihre Steuerpolitik aufgeben würde, weil diese von der AfD unterstützt werde.

Gegenpetition zu „Manifest für Frieden“

Weiter heißt es: „Weit mehr als 600 000 Menschen haben inzwischen das Manifest für Frieden schon unterzeichnet und zigtausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben ihre zustimmende Haltung in einer Kundgebung am Brandenburger Tor, bekräftigt. Auch die sehr gut besuchte Veranstaltung der Friedensinitiative am Samstag auf dem Jahnplatz und die breite Unterstützung von Personen des öffentlichen Lebens, wie der Grünen Antje Vollmer aus Bielefeld ermutigend uns in der Haltung, Verhandlungen für den Frieden in den Vordergrund zu stellen.“

Die von der laut Linkspartei sehr gute Veranstaltung am Samstag ist von 150 Menschen besucht worden.

An der Mahnwache am Rathaus zur Unterstützung der Ukraine nahmen mehr als 400 Menschen teil. 

Die Jugendorganisationen von CDU, CSU und FDP haben dem Friedensmanifest von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer ein eigenes Manifest zum Ukraine-Krieg entgegengestellt. An nur einem Tag kamen bereits 21.000 Unterschriften zusammen.

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