Ausstellung »Serendipity – Vom Glück des Findens«
Kunsthalle zeigt Luhmanns Zettelkasten
Bielefeld (WB). Nein, ein Kunstwerk sei er nicht, der Zettelkasten des Soziologen Niklas Luhmann (1927-1998), sagt Kunsthallen-Direktor Dr. Friedrich Meschede: »Er ist eine Gedankenwelt.«
Gebe es den Zettelkasten nicht, gebe es auch die Ausstellung »Serendipity – Vom Glück des Findens« nicht. Er diene als Scharnier zwischen den künstlerischen Positionen von Jörg Sasse und Ulrich Rückriem. Rückriem, der Bildhauer, der seit zehn Jahren nur noch zeichnet, verfolge eine ähnlich strenge Systematik wie Luhmann, Foto-Künstler Sasse stellt unter anderem »Speicher« aus, in denen Ansichtskarten lagern, die durch Bildbeschreibungen verlinkt sind und dadurch mehr als eine Sicht bieten. Die Besucher der Kunsthalle können mit Hilfe der Aufsichten Bildmotive, die ausgestellt sind, auswechseln, in dem sie den Hinweisen folgen.
Der Zettelkasten sei weder Reliquie, noch Ikone oder Fetisch, betont André Kieserling, der als Professor für Allgemeine Soziologie/ Soziologische Theorie Nachfolger auf Luhmanns Lehrstuhl an der Bielefelder Uni ist. Er sagt: »Der Zettelkasten ist ein technisch schmuckloses Instrument, das entmythologisiert werden soll.« Das geschieht im Rahmen eines Langzeit-Forschungsprojektes.
Johannes Schmidt (Luhmann-Archiv): »Das Projekt ist auf 16 Jahre angelegt, verfügt über einen Etat von fünf Millionen Euro.« Die Zettel Luhmanns – etwa 100 000 in 24 Schubfächern, seit den frühen 1950er Jahren beschrieben – werden transkribiert, digitalisiert, die Ordnungsstruktur abgebildet, Verschlagwortung und Verweise erfasst; zudem sollen 200 Manuskripte aus dem Nachlass gesichtet und zum Teil publiziert werden. Für Luhmann, so Kieserling, habe der Kasten Bücher geschrieben. Ein Zitat Luhmanns: »Der Zettelkasten kostet mich mehr Zeit als das Bücherschreiben.« Und ein weiteres: »Der Zettelkasten gibt nicht, was ich suche, sondern was ich brauche.«
Jörg Sasses Postkartenspeicher, so Friedrich Meschede, vermittele eine »Alltäglichkeit der Eindrücke«. Und all’ das konkretisiere sich im Titel der Schau. »Serendipity« nämlich bezeichne das zufällige Finden von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem, eben das – so der Untertitel – »Glück des Findens«.
Von Jörg Sasse, in Bad Salzuflen aufgewachsen, ein regionaler Künstler, der international bekannt ist, sind zudem Fotoarbeiten aus Serien wie »Stillleben«, »Lost Memories« und die neu entstandenen »Cotton Paintings« zu sehen, die regelrecht stofflich wirken. Der »Speicher IV« ist eigens für die Kunsthallen-Ausstellung entstanden. 512 alte Ansichtskarten (von 9500, die er gesammelt hat) hinterfragen das kollektive Sehen und Beurteilen von Bildern. Sasse: »‘Das sieht aus wie eine Postkarten’ gilt schließlich als großes Lob für einen Amateurfotografen.« Für die Besucher der Schau soll der »gelenkte Zufall« überraschen.
Startseite