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In NRW wird über eine mögliche Studie zum „Racial Profiling” diskutiert

Macht dunkle Haut verdächtig?

Herford/Düsseldorf (WB). Geraten Menschen wegen ihrer Hautfarbe in Polizeikontrollen? Gibt es bei uns das sogenannte Racial Profiling, die Bewertung eines Menschen aufgrund seiner Ethnie?

Christian Althoff

Polizisten kontrollieren Dunkelhäutige: Ist der Anlass für die Überprüfung nur die Hautfarbe, ist die Kontrolle illegal. Foto: Imago

Noura W. (27) aus Herford, Deutsche mit libanesischen Wurzeln, befürchtet, dass das so ist. Sie trug ein Kopftuch und saß am Steuer, als der Wagen ihrer Familie mit Herforder Kennzeichen auf der Autobahn gestoppt wurde. „Wir mussten unsere Ausweise vorzeigen und konnten dann weiterfahren.” Ein Grund für die Kontrolle sei ihnen nicht genannt worden.

Ein Bielefelder Rechtsanwalt mit türkischer Herkunft sagt, er sei in den letzten zehn Jahren zweimal von der Polizei angehalten worden. „Wahrscheinlich häufiger als jeder Hellhäutige.”

Gerichtsurteile

Bereits 2016 hatte das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz unter dem Aktenzeichen 7 A 11108/14 entschieden, die Kon­trolle einer dunkelhäutigen, deutschen Familie in einem Zug sei rechtswidrig gewesen. Wenn die Hautfarbe das alleinige oder ein ausschlaggebendes Kriterium sei, um Personen auf der Suche nach illegal Eingereisten zu überprüfen, verstoße das gegen das Diskriminierungsverbot. Die Richter wiesen außerdem darauf hin, dass die Bundespolizei nur bei einem Prozent solcher Kontrollen illegale Einwanderungen aufdecke.

Und das nordrhein-westfälische OVG befand 2018 die Kontrolle eines Dunkelhäutigen im Hauptbahnhof Bochum für rechtswidrig. Erst wenn Personen einer bestimmten Hautfarbe an dem betreffenden Ort überproportional oft strafrechtlich in Erscheinung träten, dürfe die Hautfarbe als Kriterium für eine Kontrolle herangezogen werden, steht sinngemäß in Urteil 5 A 294/16.

Sind diese Erlebnisse Einzelfälle? Das könnten wissenschaftlichen Studien möglicherweise herausfinden, und um diese ist jetzt ein Streit entbrannt, auch in Nordrhein-Westfalen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte zwar jüngst verkündet, dass er eine solche Studie nicht wolle, aber er hat das nicht zu entscheiden. Seehofer ist nur für das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei zuständig, die auf Bahnhöfen und Flughäfen arbeitet. Alle anderen Polizisten unterstehen den Innenministern der Bundesländer, und die können jederzeit Studien in Auftrag geben.

Unter Politikern umstritten

Im nordrhein-westfälischen Innenministerium hieß es dazu in dieser Woche, eine Untersuchung sei im Moment nicht beabsichtigt, ganz ausschließen wolle man sie aber auch nicht. Ein Problem: Die Polizeigewerkschaften in Nordrhein-Westfalen sind sich uneins, und die GdP, mit etwa 44.000 Mitgliedern die größte Berufsorganisation der Polizisten in NRW, lehnt die Studie kategorisch ab. Damit wäre die Bereitschaft vieler Polizisten, an einer freiwilligen Umfrage teilzunehmen, möglicherweise nicht sehr groß.

Umstritten ist eine Racial-Profiling-Studie auch unter Politikern. Während die Grünen im Landtag fordern, die Polizei müsse „selbstkritisch die eigenen Wirkungsweisen hinterfragen”, sieht die FDP eine Studie kritisch, die nicht alle staatlichen Behörden umfasst. Vize-Fraktionschef Marc Lürbke aus Paderborn: „Nicht jede Polizeikontrolle ist gleich Rassismus oder Racial Profiling, sondern fußt auf polizeilichem Wissen und kriminalistischer Erfahrung. Bestimmte Kriminalitätsfelder werden in NRW glasklar von bestimmten Gruppen dominiert. Wer das ausblendet, stellt sich nicht ehrlich der Debatte.”

Sebastian Fiedler, Bund Deutscher Kriminalbeamter Foto: dpa

Ein klares Votum für eine wissenschaftliche Befragung kommt von Sebastian Fiedler, ehemals Kriminalbeamter beim LKA in Düsseldorf und Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Er plädiert dafür, dass Wissenschaftler Polizisten nach ihrer Einstellung und ihren Erfahrungen befragen, und zwar bundesweit. Diese Forderung habe der BDK bereits 2019 beschlossen, nachdem er sich mit rechtsextremen Vorfällen befasst habe

„Es gab die Netzwerke Nordkreuz und Hannibal, in denen sich Polizisten auf einen Tag X vorbereiteten und Munition bunkerten. Und es gibt Drohbriefe, die mit NSU 2.0 unterschrieben sind und die aus Polizeikreisen stammen sollen. Wir haben also ein Pro­blem, aber wir wissen nicht, wie groß es ist.” Diese Vorfälle hätten zwar nicht unmittelbar etwas mit Racial Profiling zu tun. „Aber letztlich geht es doch darum, welche Einstellung die Leute bei der Polizei haben.”

Der BDK-Vorsitzende sagt, es sei schlecht für die Gesellschaft, wenn Menschen mit Migrationshintergrund glaubten, die Polizei sei gegen sie. „Das sollte uns allen zu denken geben.” Er selbst glaube allerdings nicht, dass Racial Profiling in NRW ein Massenproblem sei. „Ein Polizist, der sich auf das besinnt, was er im Studium gelernt hat, wird niemals einen Menschen wegen dessen Herkunft überprüfen.” Ein Verdacht ergebe sich immer erst aus weiteren Umständen: „Die Örtlichkeit, bestimmte Begleiter oder ein verdächtiges Verhalten können eine Rolle spielen.” Fiedler sagt, die Polizei könne bei einer wissenschaftlichen Studie nur gewinnen: „Läuft etwas falsch, ist es gut, wenn wir es selbst aufdecken und verändern können. Gibt es die Probleme nicht - umso besser.”

Michael Maatz, Gewerkschaft der Polizei Foto: Sven Vuellers Fotografie

Dagegen spricht Michael Maatz, Vize-Landesvorsitzender der GdP in Nordrhein-Westfalen, von einem Generalverdacht, unter den die Polizisten mit einer solchen Studie gestellt würden. „Wir haben kein Rassismusproblem”, sagt er. Es gebe zwar „bedauerliche Einzelfälle”, aber die würden aufgedeckt und dann „mit aller Härte und Schärfe” verfolgt. Wenn irgendwo etwas schief laufe, könnten Polizisten das jederzeit dem Extremismusbeauftragten ihrer Behörde melden.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte diese Beauftragten erst im Mai in allen 47 Kreispolizeibehörden eingesetzt. Der Anlass war, dass im Polizeipräsidium Hamm offensichtliche Hinweise auf eine rechtsradikale Einstellung eines Mitarbeiters folgenlos geblieben waren.

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