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Station in Bielefeld: Johannes Staudinger besucht in 53 Tagen 20 Anlagen mit dem Rad

Marathon zu Europas Velodromen

Bielefeld (WB). Voller Respekt schaut er in die Steilkurve hoch. Wenige Minuten später dreht Johannes Staudinger (47) mit seinem Rennrad die erste Runde in der Bielefelder Radrennbahn. Staudinger ist auf Europa-Tour: 53 Tage, 5300 Kilometer, 20 Radrennbahnen – da darf das Bielefelder Oval nicht fehlen.

Michael Diekmann

Packende Schilderungen (von links): Johannes Staudinger hört gespannt zu, was Schrittmacher-Urgestein Christian Dippel über die überhöhten Bahnkurven und manchen Abflug erzählt. Rechts lauscht Jan Scholten vom Förderverein der Bahn. Foto: Michael Diekmann

Später Nachmittag. Der Mann aus Linz platzt just in die Vorbereitungen zum Steher-Cup hinein. Praktisch, da ist Steher-Urgestein Christian Dippel an der Bahn und kann dem interessierten Österreicher gleich ein paar spannende Episoden aus seiner Schrittmacher-Karriere erzählen. Die beiden Vollblut-Radsportler verstehen sich auf Anhieb. Viele gemeinsame Bekannte gibt es, viele Bahnen kennen beide, man tauscht sich aus.

Dippel ist begeistert, dass jemand solche Strapazen auf sich nimmt und durch ganz Europa radelt. Aber Ziele verbinden bekanntlich. Während Dippel als Chef des Bielefelder Fördervereins mit seinem Team für ein tragbares Zukunftskonzept für die denkmalgeschützte Bahn kämpft, engagiert sich Staudinger mit seiner Solo-Radtour dafür, dass in seine Heimatstadt Linz wieder eine Radrennbahn kommt. Seit 1920, erzählt er, habe es keine Anlage mehr gegeben. Sein Verein hat einen treffenden Namen: »Velodrom Linz«.

»Lieber wellig als gegen den Wind«

Zu seinem Besuch in Bielefeld kommt Staudinger aus Göttingen. Wunderschön welliges Profil, sagt der Fachmann über die hügelige Landschaft: »Fast wie daheim in Oberösterreich. Aber lieber wellig als gegen den Wind.« Gut, abseits der Donau haben sie selbst um Linz gute Berge. Staudinger reist bescheiden. Trikot, Windweste, Helm. Sein Gepäck hat er am Rad festgemacht. Eine kleine Satteltasche, eine zweite Tasche am Oberrohr. Kleidung fingert er da nicht hinaus, wohl aber eine kleine Kamera. Täglich dreht er Sequenzen für seinen Blog, auf dem ihm viele Fans die Daumen drücken. Und für ein Projekt, erzählt er, drehe er in jeder Bahn, die er besucht, von einem bestimmten Punkt aus ein Stück. Das wird anschließend zusammen geschnitten und zu einem Video verarbeitet.

Schon 1350 Kilometer hat Johannes Staudinger seit dem 8. August absolviert. Immer allein. In Tschechien war er schon, in Breslau, in Görlitz, über Riesa nach Leipzig, dann Erfurt, Göttingen und nun Bielefeld. Der Österreicher kennt sich aus in Sachen Radrennbahnen. Daten und Fakten sprudeln nur so aus ihm heraus, in die Historie ist er sattelfest. Und saugt trotzdem fasziniert auf, was ihm Christian Dippel über die Steher-Szene erzählt, über schwere Maschinen und Windschattenspiele. Am Tag nach dem Stopp in Bielefeld geht es nach Münster. Staudinger trifft Ralph Schürmann, den Enkel des Architekten der Bielefelder Bahn.

Immer neue Einladungen

Seit er seinen Blog betreibt, bekommt der radelnde Linzer immer neue Einladungen. Nach England geht es noch, der Vierwaldstättersee lockt, im Saarland hätte er noch ein Ziel. Wenn am 22. September die Rad-WM in Innsbruck ist, wäre der Familienvater gern wieder in Österreich.

Eineinhalb Jahre hat er die Tour geplant. Im Hauptberuf ist Staudinger Trainer in der Computerbranche. Für die einzigartige Tour hat er unbezahlten Urlaub genommen. Täglich 140 Kilometer will er schaffen. Wenn das Wetter mitspielt. Und das Rad hält. Bislang ist er pannenfrei gefahren. Eine Reifendecke als Reserve hat er mit. Und radwandererfahrene Bielefelder wie Jan Scholten, Beisitzer im Förderverein, staunen über den Minimalismus des Österreichers, der mit seiner Mission in erster Linie Informationen sammeln möchte über Velodrome und ganz nebenbei ein Netzwerk zwischen den verschiedenen Städten, Bahnen, Vereinen und der Architektur knüpft.

Christian Dippel ist stolz, dass die Bielefelder Bahn, das Wohnzimmer des Schrittmachers, auf der Etappenliste Staudingers stand. Das Oval in den Heeper Fichten ist es wert. Die Kurvenüberhöhung, gesteht der Gast, ist wirklich einzigartig. Und für ein Reiserad nicht zu schaffen. Wer Johannes Staudinger auf seiner Mission weiter begleiten möchte, kann das auf seinem Blog ride53.blogspot.com .

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