Zahl der neu angemeldeten Vierbeiner in Bielefeld hat sich mehr als verdreifacht
Mit dem Hund durch die Krise
Bielefeld (WB)
Die Corona-Pandemie hat den Alltag der Menschen in vielerlei Hinsicht verändert. Auch in dieser: In Zeiten der Krise schaffen sich nicht wenige Bielefelder ein Haustier an. Die Zahl der neu angemeldeten Hunde hat sich sogar mehr als verdreifacht.
In wie viele Haushalten Hamster, Katzen, Kaninchen oder Meerschweinchen Einzug gehalten haben, ist schwer abzuschätzen. Belegen lässt es sich aber bei den Hunden. Dort hat sich die Zahl der neu angemeldeten Vierbeiner mehr als verdreifacht.
„Es lässt sich ein deutlicher Corona-Effekt feststellen“, sagt Daniel Steinmeier, Sprecher der Stadt Bielefeld, bei der die Hundehalter ihre Tiere anmelden müssen. Dort weiß man seit Jahren von dem Trend, dass die Zahl der gehaltenen Hunde zunimmt. In der Regel liege der Zuwachs bei rund 100 Tieren pro Jahr. Anders im Krisenjahr 2020: Alleine bis November stieg die Anzahl der Hunde in Bielefeld um 322. Genau 14.182 Hunde waren zum 30. November bei der Stadt registriert. Ende 2015 waren es noch 12.705.
Dabei gibt es zudem eine Dunkelziffer, weil nicht alle Halter ihre Tiere tatsächlich anmelden. Das merkt die Stadtverwaltung immer dann, wenn sie etwa alle fünf Jahre über die Medien an die Pflicht zur Anmeldung erinnert. Steinmeier: „2017 war ein solches Jahr, da waren es dann letztlich 1100 Hunde mehr als im Vorjahr.“
Den Trend zum Haustier in Coronazeiten bestätigt auch Barbara Snelting. „Schon im ersten Lockdown im Frühjahr konnten wir uns vor Anfragen kaum retten“, erklärt die stellvertretende Tierheimleiterin.
Allerdings: Wer sich kurzentschlossen oder unüberlegt Hund oder Katze zulegen wollte, hatte bei den Bielefelder Tierschützern keine Chance. „Wer vorübergehend im Home-Office ist, sonst aber acht Stunden außer Haus arbeitet, bekommt von uns keinen Hund“, bekräftigt Snelting. Wer jedoch nur stundenweise arbeitet und die Zeit im Privat-Büro für die Eingewöhnung des Vierbeiners nutzen wollte, stieß auf offene Ohren. „Wir hatten jedoch gar nicht so viele Hunde, wie wir hätten vermitteln können“, erläutert Snelting. Besonders den gefragten Hundetyp – familienfreundlich, kniehoch und niedlich – gibt es nicht en gros. Bessere Vermittlungschancen gab es dagegen bei Katzen.
Barbara Snelting weiß, dass sogar Züchter nicht mehr hinterkommen, den Bedarf an Welpen zu bedienen. Als große Katastrophe wertet sie den Trend, dass die Tiere dann über Ebay gekauft werden. „Ein Laie kann nicht unterscheiden, ob der Welpe aus einer osteuropäischen Farm kommt oder eine seriöse Herkunft hat. Das böse Erwachen kommt dann beim ersten Tierarztbesuch. Wenn dann festgestellt wird, dass der Hund nicht gegen Tollwut geimpft ist, muss er in Quarantäne. Die Kosten trägt der Besitzer.“
Im Tierheim gibt es eine eigene Quarantänestation für Hunde. Und immer wieder landen junge Hunde dort, die vom Veterinäramt beschlagnahmt werden mussten. Nach der Impfung müssen die Tiere mindestens drei Wochen dort verweilen. Für zu junge Tiere verlängert sich die Isolation entsprechend. „Das ist für einen Welpen traumatisch“, weiß Barbara Snelting aus Erfahrung.
Eine Erklärung, warum sich Menschen insbesondere Hunde anschaffen, hat Johanna Kißler, Professorin für Emotionspsychologie an der Universität Bielefeld: „Hunde sind soziale Lebewesen, die mit in der Gruppe leben wollen und die gut hören.“ Daher gebe es auch den Trend, sich lieber einen Hund anzuschaffen als ein Kind. „Weil der Hund keine Widerworte gibt.“
Menschen hätten den Wunsch nach Partnerschaft, nach sozialen Kontakten. Und in Zeiten der Kontaktbeschränkung werde dieser Wunsch durch die Anschaffung von Haustieren erfüllt. Außerdem: „Kinder mögen Haustiere, und Eltern sind derzeit eher bereit, dem nachzugeben“, sagt Johanna Kißler. Dazu komme, dass die Familien jetzt mehr Zeit für ein Haustier hätten. Das werde sich nach der Corona-Krise wohl wieder ändern. Im Interesse der Tiere hofft sie, dass Hund, Katze und Co. ihren Platz als neues Familienmitglied bis dahin etabliert haben und nicht wieder abgeschafft werden.
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