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Teile des Walls aus der Zeit des römischen Kaisers Augustus in Sennestadt entdeckt – mit Video

Neuer Fund eines römischen Marschlagers in Bielefeld

Bielefeld (WB/dpa). Bis zu 25.000 römische Legionäre und ihre Gefolgsleute haben vor rund 2000 Jahren in einem Lager beim heutigen Bielefeld gerastet. Wissenschaftler präsentierten die Überreste des alten Marschlagers am Mittwoch der Öffentlichkeit.

Der Praktikant des LWL in Münster, Nico Calmund (von links), die Archäologie-Studentin Aileen Nowack, die Auszubildende zur Grabungstechnikerin, Sophia Lippe und der Grabungstechniker Detlev Jaszczurok, sitzen an dem freigelegten römischen Marschlager. Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) haben im Stadtteil Sennestadt die Reste eines rund 2000 Jahre alten römischen Marschlagers freigelegt. Foto: dpa

Weitere Lager in Westfalen

In Westfalen selbst sind bereits einige andere Marschlager aus augusteischer Zeit bekannt. Zuletzt wurde 2011 bei Olfen-Sülsen im Kreis Coesfeld ein römisches Lager entdeckt. Weiter westlich befinden sich im Kreis Recklinghausen in Dorsten-Holsterhausen und in Haltern am See gleich mehrere Marschlager entlang der Lippe. Ein weiteres befindet sich nordöstlich von Bielefeld an der Weser in Barkhausen bei Porta-Westfalica (Kreis Minden-Lübbecke). Dazu kommen auch noch die festen Standlager in Haltern, Bergkamen-Oberaden und Lünen-Beckinghausen im Kreis Unna sowie Kneblinghausen (Kreis Soest) und Delbrück-Anreppen (Kreis Paderborn).

Zur Zeit der Germanienfeldzüge unter Kaiser Augustus hätten die Truppen auf ihrem Weg nach Norden, von der Lippe zur Weser, dort Halt gemacht, erklärten die Forscher des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) am Mittwoch. »Diverse Puzzle in der Geschichte können dadurch wieder geschlossen werden«, sagte LWL-Kulturdezernentin Barbara Rüschoff-Parzinger.

In Westfalen sei ein solches Lager mit gut erhaltenem Erdwall und zeittypischen Eingangstoren bisher einzigartig. Meist seien überirdische Bodendenkmäler wie diese überbaut oder durch Ackerbau zerstört. Durch die Entdeckung verdichte sich das Netz römischer Marschlager in der Region. Möglicherweise lasse sich hier sogar eine römische Marschroute fassen, die öfter genutzt wurde, sagte die Römerexpertin des LWL, Bettina Tremmel.

Aufmerksam geworden auf das Gelände waren die LWL-Archäologen bereits 2017 durch den kundigen Hinweis eines Laienwissenschaftlers. Der Mann hatte nach eigenen Angaben frei zugängliche Oberflächenscans und Bilddaten ausgewertet. So war er auf die Wallstrukturen gestoßen.

Wallstrukturen erkennbar

Das Lager befindet sich in der Oerlinghausener Senne, unmittelbar am Menkhauser Bach. Das Gelände wurde im 19. Jahrhundert aufgeforstet, in römischer Zeit dürfte sich hier nur ein lockerer Bestand von Birken und Eichen befunden haben. »Glücklicherweise wurde das Gelände nie landwirtschaftlich genutzt, sodass sich noch heute die Wallstrukturen des Lagers erkennen lassen. In Westfalen ist das bisher ein Einzelfall«, sagt LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger.

»Alle anderen hier bekannten römischen Lager sind durch Bebauung oder Landwirtschaft modern überprägt worden. Dadurch wurden die oberflächigen Strukturen zerstört.« Die Grenzen dieser Lager mussten daher unter anderem durch teilweise langwierige Ausgrabungen erschlossen werden.

Platz für 25.000 Menschen

In Bielefeld-Sennestadt sei das nicht notwendig. »Mithilfe von Laserscans aus der Luft kann der Wall des Lagers und somit dessen Ausmaß schon jetzt genau bestimmt werden«, so der Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen, Prof. Michael Rind. Mit einer Größe von etwa 26 Hektar entspricht das Lager ungefähr 36 Fußballfeldern.

»Darin hätten ohne Probleme drei römische Legionen inklusive Hilfstruppen und Tross gleichzeitig untergebracht werden können, also je nach Truppenstärke etwa 25.000 Menschen«, erklärt Dr. Bettina Tremmel von der LWL-Archäologie für Westfalen. Sie ist wissenschaftliche Referentin für Provinzialrömische Archäologie und beschäftigt sich schon lange mit Römerlagern. »Auf dem Marsch campierten die Legionäre in Lederzelten.« In römischen Schriftquellen ist überliefert, dass eine Legion auf dem Marsch weniger Platz benötigte als in einem Standlager wie beispielsweise in Delbrück-Anreppen (Kreis Paderborn) wo eine Legion auf einer Fläche von 23 Hektar untergebracht war. »Zelte nehmen natürlich weniger Platz weg als fest errichtete Gebäude«, so Tremmel.

Führungen

Für Interessierte gibt es die Gelegenheit das Gelände näher zu erkunden. Am Wochenende, 11. und 12. Mai, bietet Bettina Tremmel sowohl am Samstag als auch am Sonntag jeweils um 11 Uhr, 13.30 Uhr und 15 Uhr eine öffentliche Führung an. Neben der aktuellen Grabung wird sie auch die im Gelände noch erkennbaren Wallstrukturen des Lagers zeigen.

Treffpunkt ist der Eingang von Haus Neuland (Senner Hellweg 493, 33689 Bielefeld). Festes Schuhwerk wird empfohlen.

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