Ermittler beschlagnahmen hunderte Gegenstände
Razzia im Kurdistan-Zentrum
Bielefeld (WB/hz). Kripoermittler des für politisch motivierte Kriminalität zuständigen Staatsschutzes der Bielefelder Polizei haben am Dienstagmorgen das Kurdistan-Zentrum an der Herbert-Hinnendahl-Straße durchsucht.
Bei dem zweieinhalbstündigen Einsatz im Bahnhofsviertel wurden Hunderte mutmaßliche Propagandamaterialien beschlagnahmt. Damit sollte Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft zufolge für die als Terrororganisation eingestufte und in Deutschland verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK geworben werden.
Nach Informationen dieser Zeitung wurde der vom hiesigen Amtsgericht erlassene Durchsuchungsbeschluss mit den Geschehnissen bei drei Demonstrationen in Bielefeld begründet. Anfang März und Anfang Mai sowie Ende Juni sollen bei den Kundgebungen Symbole der verbotenen Partei PKK und ihr nahestehenden Organisationen gezeigt worden sein. Zuletzt griffen Polizisten am Samstag bei der Demo gegen das neue NRW-Polizeigesetz ein. Es seien sechs Fahnen mit PKK-Bezug sichergestellt worden, hieß es.
Die Polizeirazzia am Dienstagmorgen im Kurdistan-Zentrum war offenbar generalstabsmäßig vorbereitet. Um 6 Uhr klingelten Polizisten an den Privatwohnungen von Nuri Koyun (57), Vorsitzender des Vereins Kurdistan-Zentrum, und vier weiteren Vorstandsmitgliedern. Gegen den fünfköpfigen Vorstand hat die hiesige Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verwendens von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen eingeleitet.
Strafverfahren gegen Verantwortliche des Vereins Kurdistan-Zentrum
»Ich war noch mit einem Schlafanzug bekleidet, als mir Zivilpolizisten an meiner Wohnungstür den Durchsuchungsbeschluss präsentierten. Die Beamten erklärten, dass soeben die Durchsuchung des Kurdistan-Zentrums begonnen habe«, berichtete Vorsitzender Koyun. Er sei von der Polizei informiert worden, dass die Ermittler die Eingangstür zum Kurdistan-Zentrum aufgebrochen hätten, um in das etwas versteckt in einem Hinterhof liegende Haus zwischen Willy-Brandt-Platz und Hauptbahnhof zu gelangen. Koyun, seine Vorstandskollegen und weitere Vereinsmitglieder kleideten sich sofort an, riefen ihre Anwälte zu Hilfe und eilten ins Zentrum an der Herbert-Hinnendahl-Straße 11a.
Polizeisprecher Michael Kötter bestätigte auf Anfrage, dass die Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen Verantwortliche des Vereins Kurdistan-Zentrum ein Strafverfahren führe. Es gehe um den Verdacht der Werbung für die verbotene Arbeiterpartei PKK. »Der Staatsschutz war vor Ort und hat nach Beweismitteln gesucht. Es wurden diverse Materialien wie Fahnen, Symbole und Bilder sicher gestellt«, sagte der Polizeisprecher. Inwieweit die Materialien gegen deutsche Gesetze verstoßen, werde jetzt geprüft. »Die Auswertung läuft noch.«
Vorsitzender Koyun verurteilte die Polizeirazzia im Kurdistan-Zentrums. »Das hat mich überrascht. Wir haben nichts Schlimmes gemacht«, sagte der 57-Jährige. Die Bielefelder Rechtsanwältin Katrin Niedenthal vertritt den Vorsitzenden des kurdischen Vereins, der seit Ende der 80er Jahre sein Zentrum im Bahnhofsviertel betreibt. Die Juristin wies auf die »totale Rechtsunsicherheit« hin, was an kurdischen Symbolen gezeigt werden dürfe und was nicht. »Das wird von Stadt zu Stadt ganz unterschiedlich gehandhabt.«
Protestkundgebung gegen die Durchsuchung
Den Angaben des Sicherstellungsprotokolls der Polizei zufolge beschlagnahmten die Kripoermittler bei der Razzia im Kurdistan-Zentrum am Dienstag mehr als 1000 Fahnen, Transparente, Bilder, Bücher, Zeitschriften Flugblätter, Postkarten, Buttons, Aufkleber und Jutetaschen. »Ich prüfe, Beschwerde gegen die Durchsuchung einzulegen«, sagte Katrin Niedenthal.
So hätten viele der von der Polizei aus dem Zentrum abtransportierten Bilder für die Mitglieder des kurdischen Vereins einen hohen ideellen Wert zum Gedenken an den Kampf für einen eigenen Kurdenstaat und an den Kampf gegen die Terrororganisation »Islamischer Staat« (IS). »Auf den zum Teil handgemalten Bildern sind unter anderem gefallene Kurden zu sehen. Diese Erinnerungen möchten wir wieder haben«, sagte Vorsitzender Koyun.
Bei einer Protestkundgebung gegen die Durchsuchung am Dienstagabend wurde der Einsatz der Bielefelder Polizei scharf verurteilt. »Dass die Razzia unmittelbar nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei stattfindet weckt den Verdacht, dass die deutschen Sicherheitsbehörden auf den Wunsch Ankaras agieren«, hieß es in einer Stellungnahme der Betroffenen.
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