Das Jahr 2020 in Bielefeld: Nach zähen Verhandlungen überlebt das Karstadt-Haus in der Bahnhofstraße
Rettung in letzter Minute
Bielefeld
„Schockierend“, „ein schwerer Verlust“, „unverständlich“ – die Reaktionen in Bielefeld sind unzweideutig. Die Ankündigung des Warenhauskonzern Galeria-Karstadt-Kaufhof, das Karstadt-Haus in der Bahnhofstraße zum Jahresende schließen zu wollen, schlägt in der Stadt ein wie eine Bombe.
Spekuliert worden war über die Zukunft des Bielefelder Karstadt-Hauses schon seit längerem. Nach der Schließung des Kaufhof, der dem Einkaufszentrum Loom weichen musste, war Karstadt das einzige verbliebene Warenhaus in Bielefeld – und längst nicht mehr baulich und optisch auf dem neuesten Stand.
Zwar hatte der angeschlagene Kaufhauskonzern angekündigt, 62 seiner bundesweit 172 Filialen schließen zu wollen, doch dass dies auch das Haus in Bielefeld treffen würde, überraschte selbst Insider. Seit 1964 war Karstadt die wohl wichtigste Einkaufsadresse in der Bielefelder Bahnhofstraße. Nun stehen 200 Beschäftigte vor einer ungewissen Zukunft.
Es beginnt ein zähes Ringen um den Standort Bielefeld. Der Oberbürgermeister schaltet sich ein, der Deutsche Städtetag, Handelsverband und Gewerkschaften. Gut vier Wochen dauern die Verhandlungen – hauptsächlich geht es um den Mietzins. Galeria-Kaufhof drängt auf eine radikale Absenkung als Voraussetzung für eine Bestandssicherung über das Jahresende hinaus. Die Besitzerin der Immobilie, die Aachener Grundvermögen mit Sitz in Köln, zeigt alsbald Verhandlungsbereitschaft.
Die gute Nachricht ereilt Filialleiterin Eleonore Jennes und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter früh morgens an einem Freitag im Juli. Der Leiter der Finanzabteilung des Warenhauskonzerns persönlich überbringt die „frohe Botschaft“ der Rettung des traditionsreichen Warenhauses. „Der große Kampf hat sich gelohnt. Wir sind überglücklich. Viele von uns werden am Wochenende etwas feiern“, freut sich Thomas Weigmann (52), der seit mehr als 30 Jahren bei Karstadt beschäftigt ist.
Doch es ist keine Rettung für die Ewigkeit. Bis zum Jahr 2026 wird der Mietvertrag verlängert, dann soll das Haus abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Denkbar ist eine Mischung aus Handel, Gastronomie und Wohnen. Vielleicht weiter mit Karstadt als Mieter – Zukunftsmusik. Zusammen mit der Stadt will die Aachener Grund ein Quartiersentwicklungskonzept erarbeiten. Ob bei einer „Revitalisierung“ des Areals (die Aachener Grundvermögen besitzt weite Teile der Gebäude zwischen Arndt-, Bahnhof-, Friedenstraße und Jahnplatz, darunter auch das Sport-Scheck-Haus) auch die angrenzenden Gebäude mit einbezogen werden, ist offen, aber möglich.
Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD) begrüßte die gefundene Lösung. Über die Neugestaltung des Quartiers sei schon lange diskutiert worden. „Jetzt ist eine zukunftsweisende Lösung gefunden worden.“ Und auch der Handelsverband ist zuversichtlich, dass Bielefeld als Einkaufsstadt attraktiv bleibt.
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