Bielefelder Jugendliche soll zwölf Mal auf Mitschülerin (15) eingestochen haben
Versuchter Mord: 14-Jährige vor Gericht
Bielefeld (WB). Vor einem Jugend-Schwurgericht des Bielefelder Landgerichtes soll in knapp drei Wochen ein Fall verhandelt werden, der für großes Aufsehen in der Stadt gesorgt hatte. Einer derzeit noch 14-Jährigen wird wegen versuchten, heimtückischen Mordes vom 10. September an der Prozess gemacht. Die Jugendliche soll zwölf Mal mit der zwölf Zentimeter langen Klinge eines Messers auf eine Mitschülerin (15) eingestochen haben.
Außerdem erlitt das Opfer bei Schlägen und Tritten ein Schädelhirn- und ein Bauchtrauma. Dass die 15-Jährige die Bluttat am Abend des 26. April im Keller eines Hauses überlebt hat, verdankt sie offenbar der Mutter der mutmaßlichen Messerstecherin. Die Frau soll die Schreie der von Kopf bis Bein verletzten Klassenkameradin gehört und ihre Tochter von der Mitschülerin weggerissen haben.
Nach Informationen dieser Zeitung soll die 14-Jährige das ein Jahr ältere Mädchen am Tattag gegen 20 Uhr in eine heimtückische Falle gelockt haben . Die Jugendlichen, die dieselbe 9. Klasse einer Realschule in der Innenstadt besuchten, hatten sich seit Wochen wegen des vor Ostern verhängten Coronavirus-Lockdowns und den damit verbundenen Schulschließungen nicht mehr gesehen. Unter dem Vorwand, einen alten Streit beilegen und ihr den neuen Hund der Familie zeigen zu wollen, soll die Angeklagte das Opfer zu sich eingeladen haben. Das Treffen fand in einem Haus am Lindenplatz zwischen Herforder- und Beckhausstraße statt.
Die 14-Jährige soll ihrer Mitschülerin vor der Tat die Augen verbunden haben. Dass sei angeblich nötig, weil der Hund Angst vor menschlichen Blicken habe, soll die Realschülerin der 15-Jährigen gesagt haben. Kurz danach soll es im Keller zu dem Angriff gekommen sein. Das Messer traf das Opfer sowohl von hinten als auch von vorne unter anderem in Rücken und Brustkorb.
Trotz der schweren Verletzungen soll es der 15-Jährigen gelungen sein, der Klassenkameradin das Messer zu entreißen. Daraufhin soll die Angreiferin das Opfer in eine Kellerecke gedrängt und auf die Mitschülerin eingetreten und eingeschlagen haben, bis ihre Mutter sie weg riss.
Staatsanwältin Claudia Bosse, die die Ermittlungen geleitet und Anklage gegen die 14-Jährige erhoben hat, geht davon aus, dass das Mädchen im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gehandelt hat. Es soll sich um eine Affekttat handeln.
Wesentliche Bedeutung bei der Urteilsfindung wird dem Gutachten eines Jugendpsychiaters zukommen. Der Prozess vor dem Schwurgericht wird nach Jugendrecht geführt und ist damit nicht öffentlich. Der 14-Jährigen drohen theoretisch bis zu zehn Jahre Haft.
Weder Staatsanwaltschaft noch Verteidigung können bis heute genau erklären, was letztlich genau zur Tat geführt hat. „Wir haben keine Erklärung dafür, warum die 14-Jährige zugestochen hat“, hatte die Staatsanwältin gesagt. Die mutmaßliche Täterin sei bislang für Polizei und Justiz „ein unbeschriebenes Blatt“. Für Rechtsanwalt Baris Devletli aus Bad Oeynhausen, der die 14-Jährige verteidigt, ist der mutmaßliche Mordversuch „nicht nachvollziehbar”. „Nach meiner Kenntnis waren die beiden Mädchen seit langer Zeit die besten Freundinnen. Meine Mandantin sagt, sie könne sich nicht erinnern, was an jedem Abend passiert sei.”
Die 14-Jährige wurde direkt nach der Bluttat am 26. April festgenommen und saß ein paar Wochen lang in einem Jugendgefängnis in U-Haft. Im Mai wurde sie in eine geschlossene Jugendeinrichtung in Bayern verlegt.
Rechtsanwalt Peter Rostek, der die Nebenklage für das 15-jährige Opfer vertritt, spricht davon, dass das Mädchen bis heute sowohl seelisch als auch körperlich an den Folgen des Messerangriffs leidet. „Der psychische Zustand ist nicht gut, meine Mandantin befindet sich unbefristet in Therapie. Die körperlichen Verletzungen müssen weiter behandelt werden.“ Die 15-Jährige habe die Schule wechseln müssen und könne bis heute nicht ertragen, wenn sich jemand von hinten nähere.
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