125 Jahre Osthusschule – Jubiläumsfeier fällt wegen Corona aus
Von der Schulstube zur Volksschule
Bielefeld (WB). Der Begriff Schulstube darf in Senne Mitte des 18. Jahrhunderts wortwörtlich genommen werden. Bauer Osthus holte die Heuerlingskinder und seine eigenen mangels anderer Räumlichkeiten in die gute Stube, um ihnen Lesen, Schreiben, Rechnen und die Bibel nahezubringen. Das Backsteingebäude, in dem heute Schul-Geschichte erzählt wird, entstand erst 1895, also genau vor 125 Jahren. Volker Menzel und Hans Schumacher, die gemeinsam das Museum Osthusschule gründeten, nehmen das Jubiläum zum Anlass für einen Rückblick.
1717 wurde die Schulpflicht in Minden-Ravensberg eingeführt. „Wann sie hier genau umgesetzt wurde, wissen wir nicht“, räumt Hans Schumacher. Doch seit Mitte des 18. Jahrhunderts gab es drei Schulbezirke in der Bauernschaft Senne, die nach Höfen benannt wurden: Reckmann, Tönsmeise und eben Osthus.
Wanderlehrer gaben Unterricht
„Familie Osthus war sehr sozial eingestellt und verfügte wohl über gewisses Vermögen sowie Bildungsstand“, erzählt der ehemalige Heimatpfleger Hans Schumacher, dessen Recherchen zur Schulgeschichte in eine Chronik der Osthusschule eingeflossen sind. Als im letzten Drittel des 18. Jahrhundert die Stube zu klein wurde, baute man ein Stallgebäude um. „Zu dieser Zeit gab es schon Lehrer“, weiß der 83-Jährige. Es waren so genannte Wanderlehrer, die mehrere Schulen betreuten, in Senne jeweils zwei und mit Ummeln zeitweise sogar drei Schulen.
Hölzernes Zeugnis dieser Zeit ist ein Pult in der Ausstellung. Es ist ziemlich niedrig und zusammenklappbar, damit der Wanderlehrer es schultern konnte. Das Pult im Museum Osthusschule stammt von Lehrer Bentkämper, einem der ersten Wanderlehrer in Senne. „60 Jahre lang habe ich versucht, es für die Ausstellung zu bekommen“, erzählt Schumacher, der mit einem Nachfahren zu Schule ging und das Pult schon als Schüler im Bentkämper-Haushalt entdeckte. Die meisten Exponate im Museum stammen jedoch aus der Sammlung von Volker Menzel, der 20 Jahre lang die Bahnhofschule leitete und auf dem Dachboden und Keller so manche Schätze entdeckte. „Aber das Pult ist unser ganz großer Stolz“, betont der 82-Jährige.
Erstes Schulgebäude wurde 1806 errichtet
Im Jahr 1806 wurde auf dem Hofgelände ein schulähnliches Gebäude in Fachwerkbauweise errichtet. Fast 90 Jahre lang wurden dort Kinder unterrichtet. Die ehemalige Fachwerkschule stand noch mehr als zwei Jahrzehnte auf dem Hof, wurde 1920 abgebaut und in Avenwedde neu errichtet und erweitert. Sie dient heute als Wohnhaus.
Mit der Reichsgründung 1870/71 wurde die Schulhoheit an den Staat übertrage. Die Wanderschulen sollten durch Schulen in massiver Bauweise ersetzt werden. Den Anfang machte 1890 die Reckmann-Schule (heute Bahnhofschule). Es folgte 1892 die Schule Tönsmeise, allerdings nicht mehr auf dem Hofgelände, sondern neben der Schlachterei Niermann in der Grundheide, was ihr auch den Namen Grundheider Schule gab. Anna-Luise Osthus und Heinrich Wilhelm Osthus stellten ein Grundstück zur Verfügung für die „Volksschule Osthus“. Bis 1968 wurden dort Volksschüler in zwei Klassen unterrichtet, dazu gab es eine Lehrerwohnung, Bestallung und einen Garten.
Nach der Schulreform fungierte das Gebäude zwei Jahre lang bis 1970 als Grundschule, bis es zu klein wurde. Auch die Realschule zog dort für drei Jahre ein, bis die Gebäudekapazität ebenfalls nicht mehr ausreichte. Die letzte Schulstunde wurde im Sommer 1973 gehalten.
Nutzung als Jugendtreff
Es folgten erfolgreiche Jahre als Jugendheim mit zahlreichen Angeboten für Jugendliche wie zum Beispiel Dunkelkammern für Fotografieworkshops, Kinosaal und Teestube. Doch der einstige Vorzeige-Jugendtreff verlotterte zusehends. „Das war eine Kaderschule für Vandalismus“, erinnert sich Volker Menzel. Die Stadt schloss den Jugendtreff 1991, es folgten konkrete Überlegungen, dort eine Asyl für Obdachlose einzurichten.
Das rief Hans Schumacher und Volker Menzel auf den Plan. Als man 1990 gemeinsam das 100-jährige Bestehen der Bahnhofsschule feierte, wurde die Idee zu einem Schulmuseum geboren. „Wir haben drei Jahre lang wirklich kämpfen müssen“, erinnerte sich Lothar Schmalen. Den Schlüssel gab es 1992 – es folgten unzählige Stunden, in denen die beiden sich handwerkliches Geschick an den Tag legten.
Jährlich 5000 Besucher
Heute findet wieder Unterricht statt im Museum Osthusschule: Die Teilnahme an einer historischen Schulstunde ist ausgesprochen beliebt. Schüler aus mehr als 30 Klassen kommen jedes Jahr vorbei und nehmen Platz auf den engen Schulbänken, zwischen Lesetafeln, Tierpräparaten, alten Globen, einer Schultütensammlung, einer großen Anzahl historischer Schulbücher und vielem mehr. Die Nachfrage ist ungebrochen. Kamen im ersten Jahr noch 100 Besucher, sind es mittlerweile 5000. So bitter es für die Herzblut-Pädagogen und Museumsgründer ist, dass coronabedingt kein Jubiläum gefeiert werden kann, blicken sie doch positiv in die Zukunft – auch weil sich mittlerweile jüngere Kollegen gefunden haben, die mit Elan Schulgeschichte auch im 21. Jahrhundert schreiben wollen. Das Museum kann dienstags von 15 bis 18 Uhr besichtigt werden.
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