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Die Sorge vor einem Virusgeschehen in Bielefeld, das außer Kontrolle geraten könnte

Wenn die Zahlen weiter steigen...

Bielefeld (WB). „Das Virusgeschehen in Bielefeld ist noch nicht außer Kontrolle geraten. Aber wenn die Zahlen weiter so stark steigen, droht uns, dass es uns aus den Händen gleitet.“ Es sind eindringliche Worte des Krisenstabsleiters. Und sie zeigen: Die Lage ist ernst. Ein Überblick.

André Best

Krisenstabsleiter Ingo Nürnberger mit den neuen Plakaten, die in Kürze in den Fußgängerzonen und auch auf Wochenmärkten aufgehängt werden. Er sagt: „Jeder kann dazu beitragen, dass wir das Virusgeschehen in Bielefeld im Griff behalten.“ Foto: Bernhard Pierel

Die Weihnachtsmärkte

Bis Anfang November soll entschieden werden, ob es einen Weihnachtsmarkt gibt oder nicht. Die Stadt möchte zunächst die Entwicklung der Coronazahlen abwarten. Sollte sich das Virusgeschehen nicht verbessern – und davon ist derzeit auszugehen – werden die Weihnachtsmärkte in der Stadt abgesagt.

Die Cluster

Große Cluster gibt es kaum noch oder gar nicht mehr. Das Virus betrifft nahezu alle Lebensbereiche. Auch wenn die Gruppe der jüngeren Menschen (20 bis 29 Jahre), die sich infiziert, noch immer die größte ist, sinkt deren Anteil. Es stecken sich aktuell immer mehr Ältere an. In einer Flüchtlingseinrichtung in der Nikolaus-Dürkopp-Straße, einer Außenstelle der Flüchtlingsunterkunft Oldentruper Hof, hat es zuletzt 26 neue Infektionen gegeben. Die Lage ist aber unter Kontrolle. Auch im Amateursport hat es zuletzt vereinzelt Coronafälle gegeben.

Die Zahlen

„Wir wissen es nicht, warum die Coronazahlen so stark steigen.“ Der Krisenstabsleiter vermutet, dass die kälteren Temperaturen eine Ursache darstellen. Eine weitere sei, dass sich die Menschen wieder mehr in Räumen aufhalten würden. Die Zahl der Neuinfektionen hat sich innerhalb einer Woche verdoppelt. Innerhalb eines Monats ist sie um das Zehnfache gestiegen. „Das macht mir Sorgen“, sagt Nürnberger. „Jeder kann sich ausrechnen, wo wir landen, wenn die Infektionen weiter so drastisch steigen.“

Die Kontrollen der Kneipen

In den vergangenen fünf Tagen hat das Ordnungsamt 650 Gaststätten, Restaurants, Tankstellen, Kioske, Wettbüros und andere Betriebe nach 23 Uhr kontrolliert. Es gab 22 Beanstandungen (3,5 Prozent). Das Ordnungsamt war mit 20 Teams mit jeweils zwei Mitarbeitern im Einsatz. Überwiegend hält sich die Gastronomie an die Regeln. In einem Fall wurde die Wirtin einer Kneipe aber so stark betrunken angetroffen, dass sie nicht in der Lage war, ihren Betrieb abzuschließen. Das musste das Ordnungsamt für sie erledigen. Der Vorfall wird ein Nachspiel haben. Auch in den nächsten Tagen wird weiter kontrolliert.

Die Kontaktnachverfolgung

Es ist noch nicht alles aufgearbeitet, aber die Rückstände werden weniger. „In diesem Bereich ist das Virusgeschehen nicht außer Kontrolle“, sagt Nürnberger. Das dürfe auch nicht geschehen. Die zehn Bundeswehrsoldaten sollen noch länger bleiben. Eine Verlängerung bis Ende November ist beantragt. Zwölf neu eingestellte Mitarbeiter sind vergangene Woche angefangen, 13 weitere beginnen in Kürze ihre Tätigkeit bei den „Covid-Detektiven“.

Krankenhauszahlen

35 Menschen werden in den Krankenhäusern behandelt. Laut Nürnberger hätten sich die Zahlen innerhalb kurzer Zeit vervierfacht. Die Lage sei aktuell zwar noch kein Problem. „Aber wenn die Zahlen in diesem Tempo steigen, haben wir in den Kliniken ein Problem, sagt Nürnberger.

Die Maskenpflicht

Die Schilder der Stadt zur Erinnerung an die Maskenpflicht werden in Kürze aufgestellt, Prospekte sollen verteilt werden. Darin befindet sich zwar ein kleiner Rechtschreibfehler, aber das kann passieren, wenn es schnell gehen muss. Das Ordnungsamt kontrolliert weiter. Am Anfang habe es etwa 50 Maskenverweigerer pro Stunde gegeben. Aktuell sind es nach Auskunft der stellvertretenden Ordnungsamtsleiterin Christiane Krumbholz rund 200 am Tag. Strafen gibt es kaum, stattdessen werden die Menschen an die Maskenpflicht erinnert. Ab sofort gilt die Maskenpflicht auch auf den Gängen im Rathaus – auch für Mitarbeiter.

Mehr Tests = mehr Fälle?

Bundesweit habe es laut Nürnberger in der 41. und 42. Kalenderwoche etwa jeweils 1,2 Millionen Tests gegeben. Aber die Zahl der Infektionen sei um etwa 13.000 neue Fälle gestiegen. Eine ähnliche Tendenz gibt es in Bielefeld. Hier sind die Tests des Gesundheitsamtes im Wochenvergleich zwar von 1600 auf 2000 gestiegen, aber die Zahl der Neuinfektionen im Verhältnis regelrecht explodiert. Somit lässt sich nicht schlussfolgern, dass die Zahl nur aufgrund von mehr Tests steigt.

Die Schnelltests

Pflegeeinrichtungen können Schnelltests für Mitarbeiter, Bewohner und Besucher von der Stadt erhalten. Voraussetzung ist ein Testkonzept. Außerdem müssen die Mitarbeiter vom Gesundheitsamt geschult werden. In den nächsten Tagen und Wochen sollen Schnelltests in den Pflege- und Seniorenheimen flächendeckend angewendet werden.

Tanzfestival

In Folge einer Corona-Infektion beim „Urban Stylez Festival“ in der Tanzschule „DansArt“ befinden sich noch bis zum 3. November drei Schülerinnen des Ratsgymnasiums in Quarantäne. „Eine Schülerin hat sich als Teilnehmerin beim Tanzfestival infiziert, eine weitere hat teilgenommen und ist deshalb in Quarantäne. Und die dritte Schülerin war keine Teilnehmerin, hatte aber Kontakt zu der positiv getesteten Teilnehmerin“, bestätigte Schulleiter Hans-Joachim Nolting und bezeichnete die Lage nach den Herbstferien am Ratsgymnasium als „sehr gut beherrschbar“. Von der Quarantäne der Kinder sind auch die Eltern und Geschwister betroffen. Das sorgt für Unmut. „Wir fragen uns, warum dieses Tanzfestival überhaupt stattfinden durfte“, sagte eines der Elternpaare. Auf Anfrage betonte Ulla Agbetou von „DansArt“, dass das Festival (geplant vom 19. bis 25. Oktober, beendet am 22. Oktober nach Bekanntwerden des Covid-19-Falls) nur unter strengen Auflagen habe veranstaltet werden dürfen und diese behördlichen Auflagen auch streng befolgt worden seien.

Wie geht’s weiter?

Die Coronaschutzverordnung gilt noch bis Ende der Woche. Die Stadt möchte weder Alleingänge noch Schnellschüsse. Schärfere Regeln gibt es somit zunächst nicht. Nürnberger: „Wir halten nichts von einem Wettbewerb, wer der schärfste Hund unter den Städten ist.“

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