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Bundestagsabgeordnete Britta Haßelmann (Bielefeld): „Diese Behauptung ist falsch“

Wollen die Grünen wirklich Einfamilienhäuser verbieten?

Bielefeld (WB)

Für seine Aussagen zum Bau von Einfamilienhäusern hat nicht nur Anton Hofreiter, der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, scharfe Kritik aus dem bürgerlichen Lager einstecken müssen. Die Grünen stehen mal wieder als Verbotspartei da.

wn

Wollen Grüne Einfamilienhäuser verbieten oder den Bau auf kommunaler Ebene erschweren?

Andreas Schnadwinkel hat mit der einzigen Grünen-Bundestagsabgeordneten aus OWL, Britta Haßelmann aus Bielefeld, über die Einfamilienhaus-Kontroverse gesprochen.

Frau Haßelmann, Sie sind Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion. Haben Sie schon mit Ihrem Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter geschimpft?

Britta Haßelmann: Wir haben darüber gesprochen, das ist doch selbstverständlich. Die Behauptung, dass Grüne Einfamilienhäuser verbieten wollen würden, ist falsch. Daran ändern auch die vielen Wiederholungen aus verschiedenen Parteizentralen nichts. Wenn man sich Anton Hofreiters Aussagen durchliest, dann sieht man ganz deutlich, dass er die wichtige Bedeutung der eigenen vier Wände für viele Menschen betont. Und dazu zählen Einfamilienhäuser genauso wie Reihenhäuser, Mehrfamilienhäuser und Miethäuser. Das zeigt doch, dass die Aussagen nicht zur Polarisierung geeignet sind. Und auch nicht zu solch einem politischen Schlagabtausch.

Warum das nicht? Weil den Grünen das Thema nicht passt?

Haßelmann: Wer die Kommunalpolitik kennt, der weiß, dass die Fragen von Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Flächenverbrauch über Parteigrenzen hinaus immer zu ganz schwierigen Abwägungen führen. Wo welche Häuser gebaut werden und wie Quartiere entwickelt werden, wird vor Ort entschieden. Das ist gut so. Es liegt in kommunaler Verantwortung, weil die Situationen in jeder Stadt und Gemeinde verschieden sind.

Laut jüngsten Erhebungen wünschen sich 70 Prozent der Deutschen als Wohnform ein frei stehendes Haus mit Garten. Im Bezirk Hamburg-Nord gebe es dafür keine Flächen, sagt der zuständige grüne Amtsleiter. Wie sehen Sie das?

Haßelmann: Wo Einfamilienhäuser in geltenden Bebauungsplänen ausgewiesen sind, können sie auch weiter gebaut werden. Deswegen ist es eine irrige Annahme, dass der Bezirk Hamburg-Nord Einfamilienhäuser verbieten wolle. In der Debatte muss es doch vielmehr darum gehen, wie die wachsenden Großräume Hamburg, Berlin, München, Köln und Frankfurt mit dem ständig steigenden Bedarf an Wohnraum umgehen können. Die Flächen und Ressourcen sind begrenzt, und dennoch soll Wohnen in diesen Regionen bezahlbar bleiben. Diesen vielen Interessen muss Stadtplanung Rechnung tragen, das ist eine große Herausforderung. Und dazu braucht es ein sehr unterschiedliches Wohnangebot. Von daher haben wir als Grüne einen sehr differenzierten Blick auf die Bedürfnisse und Anforderungen bei Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Denn wir müssen die Probleme der Menschen vor Ort im Blick haben. Horrend steigende Mieten und Flächenverbrauch sind ernste Probleme.

In Großstädten ist der Bau von neuen Einfamilienhäusern beinahe unbezahlbar, und auch in den Speckgürteln wird es immer teurer. Dadurch wird der ländliche Raum zunehmend zum Ziel und durch den Homeoffice-Trend attraktiver. Kann man das nutzen?

Haßelmann: Unbedingt, dafür brauchen wir Programme zur Unterstützung, zum Beispiel Förderung für den Kauf leerstehender Häuser. Um es ganz klar zu sagen: Wir Grüne unterstützen, dass Familien in ihren eigenen vier Wänden wohnen können. Und wir fördern in den Ballungsräumen bezahlbares Wohnen für alle. Die Lage ist überall anders, deswegen brauchen wir unterschiedliche Ansätze – von der Nutzung frei werdender Kasernen und der Innenstadtverdichtung bis zur Wiederbelebung von Dorfkernen durch günstigen Kauf von freien Häusern.

Bei der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen 2019 in Bielefeld haben Sie einen Beschluss mit dem Titel „Bauwende“ gefasst, in dem das stand, was Hofreiter jetzt gefordert hat. Warum ist die Aufregung darum erst jetzt groß?

Haßelmann: Unser Beschluss ist überaus differenziert. Und da wird auch keine Wohnform „verboten“. Die Bauwende ist aber dringend notwendig, weil wir weniger Platz und weniger Ressourcen haben und sich neue Anforderungen wegen des Klimaschutzes stellen. Deswegen ist diese Zuspitzung in der aktuellen Debatte kontraproduktiv, wenn man so tut, als gäbe es nur noch die Alternativen Ei­genheim oder Plattenbau. Das entspricht nicht der Lebenswirklichkeit. Denn wir benötigen einen breiten Mix aus Wohnangeboten.

Den Grünen wird vorgeworfen, eine Partei für Stadtbewohner zu sein und von Lebenswirklichkeit im ländlichen Raum keine Ahnung zu haben. Was sagen Sie zu solchen Vorwürfen?

Haßelmann: Von solchen Plattitüden halte ich nichts. Wir haben bei den Kommunalwahlen in NRW 20 Prozent erzielt, und zu diesem guten Ergebnis haben nicht nur Großstädte beigetragen. Wir haben in ländlichen Regionen stark zugelegt. Unser Anspruch ist, Politik für Stadt und Land zu machen.

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