Gastbeitrag
„CDU muss als Volkspartei ihre Zukunft finden“
Bielefeld
Die CDU muss sich reformieren. Und sie soll sich dafür Zeit lassen, schreibt ein Urgestein der Union, der Bielefelder Europapolitiker Elmar Brok, in einem Gastbeitrag vor dem heutigen CDU-Parteitag.
Friedrich Merz hat durch das starke Ergebnis in der Mitgliederbefragung ein großes, wirkmächtiges Mandat erhalten. Der Bundesparteitag am Samstag hat keine andere Wahl, das zu bestätigen.
Es sieht auch so aus, dass alle Teile der Partei bereit sind, das zu unterstützen. Dies war nicht der Fall in der Schlussphase des Parteivorsitzes von Angela Merkel. Auch haben manche konservative und wirtschaftsnahe Kräfte in der CDU die Parteitagssiege von Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet bis zu den Bundestagswahlen nicht akzeptiert oder nach außen hin gar unterstützt, was ein entscheidender Beitrag für den Sieg des SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz war.
Das scheint jetzt anders zu sein. Der neue Vorsitzende Friedrich Merz wird aus der Erkenntnis, dass Einigkeit Bedingung für Erfolg ist, breite Unterstützung von allen Flügeln der Partei erhalten. Daraus erwächst für Friedrich Merz und die CDU eine große Chance. Sie sollten daraus aber auch nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass die Rückkehr zur Macht unmittelbar bevorsteht.
Die neue Bundesregierung zeigt zwar überraschend früh Schwächen, Streitigkeiten und Führungsschwäche. Dies und die Einigkeit der CDU sind gute Voraussetzungen für einen Erfolg der CDU vor allem bei den Landtagswahlen in NRW im Mai.
Da die Ampelregierung aller Wahrscheinlichkeit nach aber mindestens bis 2025 durchhalten wird, ist die CDU gut beraten, sich in Ruhe zu reformieren, sich als Volkspartei dieser Zeit im Inneren und nach Außen neu auf der Grundlage ihrer Werte klar zu definieren und bei aller tagespolitischen Hektik sich die Zeit dafür zu nehmen.
Im Übrigen könnte darin in dieser Phase auch der Sinn einer kooperativen Arbeitsteilung zwischen Partei- und Fraktionsvorsitzendem liegen. Dies hat zwischen Helmut Kohl und Karl Carstens zwischen 1973 und 1976 hervorragend geklappt und hätte beinahe zur absoluten Mehrheit bei der Bundestagswahl 1976 geführt. Merz und die neue Parteiführung benötigen alle Kraft für die organisatorische und inhaltliche Erneuerung der CDU.
Elmar Brok
Die CDU war immer eine Partei, in der alle Teile der Bevölkerung sich heimisch fühlen konnten. Sie war nie eine Klientelpartei, sondern eben eine Volkspartei auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes.
Sie muss bei ihrer Modernisierung darauf achten, dass sie den Anspruch an sich und die damit verbundenen Werte und Prinzipien bewahren muss. Gleichzeitig muss sie aber auch darauf aufbauend Antworten auf neue Entwicklungen, Herausforderungen und gesellschaftliche Veränderungen geben.
Das hat nichts mit Nachlaufen des Zeitgeistes zu tun, wenn das christliche Menschenbild und die damit verbundenen Werte beachtet werden.
Elmar Brok
Die CDU muss immer die Familie als Keimzelle der Gesellschaft sehen. Das kann aber nicht das Familienbild von 1955 mit der damaligen Rolle der Frau sein. Die CDU sollte weiterhin die Unabhängigkeit der Zentralbank fördern, aber nicht glauben, dass es in dieser globalen Finanzordnung noch eine nationale deutsche Geldpolitik geben kann. Die technologischen Entwicklungen jetzt und in der Zukunft erfordern andere Regeln, Methoden etwa in der Wettbewerbs-, Steuer-, Wirtschafts-, Bildungspolitik als 1955.
Das Verhältnis von Stadt und Land und die damit verbundenen Veränderungen für Kultur und Lebensgefühl der Menschen erfordert neue Antworten. Wie können der notwendige Kampf gegen Klimawandel, Wettbewerbsfähigkeit und nationale wie internationale Gerechtigkeit in Einklang gebracht werden? Das sind Themen, auf die Ludwig Erhard heute eher eine Antwort hätte als manche seiner strukturkonservativen und interessenorientierten Gralshüter.
Die neue CDU muss aber wissen, dass Erfolg nur beim Einbeziehen der gesellschaftlichen Mitte in ihrer Vielfalt möglich bleibt, dass diese Mitte nicht den Ampelparteien überlassen werden darf. Die letzte Bundestagswahl sollte da Warnung sein.
Elmar Brok
Die Mitte ist mehr als der wirtschaftliche Mittelstand. Die Soziale Marktwirtschaft ist etwas anderes als nur freier Markt. Sie ist ein Gesellschaftsmodell zwischen Sozialismus und Kapitalismus, das das christliche Menschenbild und die christliche Soziallehre mit dem Gedanken der sozialen Gerechtigkeit als einem Teil davon versteht. Das ist klassische CDU-Programmatik, die als Gesamtheit für die Zukunft definiert werden muss.
Der Paderborner Carsten Linnemann und Friedrich Merz haben eine große Aufgabe vor sich.
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