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Adenauer-Plakataffäre: Staatsanwaltschaft begründet Einstellung des Strafverfahrens

Respektloser Umgangston normal

Kreis Gütersloh

Wie viel muss ein politischer Amtsträger wie zum Beispiel ein Landrat sich in einer öffentlichen Debatte gefallen lassen? Die Begründung der Staatsanwaltschaft Bielefeld, warum sie das Strafverfahren in der sogenannten Adenauer-Plakataffäre letztlich eingestellt hat, gibt darauf einige interessante juristische Antworten.

Stefan Küppers

Um dieses Wahlplakat von Landrat Sven-Georg Adenauer und den Zusatz der Jusos „Präsentiert von Clemens Tönnies“ ging es. Foto: Die Glocke

Zum Beispiel, dass die Herabsetzung insbesondere von Politikern mittlerweile als etwas Normales im gesellschaftlichen Umgangston allgemein toleriert werde und somit die Schwelle für Beleidigungen immer schwerer erreicht werde.

Wie ausführlich berichtet, hatten die Jusos als Jugendorganisation der SPD im Kommunalwahlkampf Wahlplakate von CDU-Landrat Sven-Georg Adenauer mit kleinen Plakatzusätzen versehen, auf denen zu lesen war: „Präsentiert von Clemens Tönnies“. Adenauer hatte daraufhin persönlich einen Strafantrag gestellt, die Staatsanwaltschaft hatte Ermittlungen wegen des Verdachts der üblen Nachrede und Beleidigung eingeleitet. Mittlerweile liegt der WB-Redaktion das Schreiben der Staatsanwaltschaft vor, warum das Strafverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts gegen zwei Vertreter der Jusos eingestellt wurde.

Staatsanwaltschaft: Satz kann mehrdeutig verstanden werden

Aus Sicht der Strafverfolgungsbehörde ist nicht mit Gewissheit festzustellen, dass es sich bei dem Plakatzusatz „Präsentiert von Clemens Tönnies“ um eine Tatsachenbehauptung handelt. Der Satz könne mehrdeutig verstanden werden. Das Zusatzplakat könne jedenfalls nicht eindeutig in dem Sinne verstanden werden, dass Clemens Tönnies den Wahlkampf von Adenauer finanziert oder gesponsert habe oder sich gar ein Recht erkauft habe, als Hauptsponsor aufzutreten. Das Plakat kann nach Argumentation der Staatsanwaltschaft auch so verstanden werden, dass Clemens Tönnies bestimmenden Einfluss auf die Politik der CDU und deren Kandidaten im Kreis Gütersloh genommen habe.

Zwar könne man in der Äußerung ein Verspotten als Marionette des Herrn Tönnies und damit eines in der Amtsehre herabsetzendes Werturteil erblicken, führt die Staatsanwaltschaft aus. Weil es sich jedoch um eine Äußerung im Rahmen des politischen Wahlkampfs handele, müsse nach der Rechtssprechung des Verfassungsgerichtes eine Abwägung zwischen der Ehre und der Meinungsfreiheit vorgenommen werden. Lediglich die Schmähkritik, die die persönliche Diffamierung zum Ziel habe, sei nicht mehr von der Meinungsfreiheit geschützt. Für die Staatsanwaltschaft ist der Satz aber nicht allein diffamierend, sondern erhebt zugleich auch einen inhaltlichen Vorwurf gegen Politik und Amtsführung des Landrates, was wiederum von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.

Vergleich mit Jan Böhmermanns „Schlampen“-Zitat

Zum Ende der Einstellungsverfügung geht die Strafverfolgungsbehörde auf den eingangs erwähnten „gesellschaftlich und medial zunehmend respektlosen Umgangston“ ein, der auch in der Rechtssprechung mehr hingenommen werde als früher. In diesem Zusammenhang erwähnt die Bielefelder Staatsanwaltschaft den sich als Satiriker verstehenden und mit Fernsehpreisen belobigten Jan Böhmermann, die vielfach zu beobachtende Herabsetzung in- und ausländischer Staatsoberhäupter und die Spottsendungen anerkannter „Comedians“ im Fernsehen, in denen Politikerinnen der AfD als „Schlampen“ bezeichnet würden. Damit solle nicht der Herabsetzung das Wort geredet, sondern nur deutlich gemacht werden, was heute als „normaler Umgangston“ toleriert werde. Die Äußerung „Präsentiert von Clemens Tönnies“ sei zwar drastisch, doch die Grenze der Strafbarkeit werde nicht erreicht.

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