Gütersloh: Neue Datenschutzverordnung verschärft Umgang in Apotheken
Bitte keine Namen
Gütersloh (WB). Apotheker Peter Isenbort darf handgeschriebene Notizen nicht mehr einfach so wegwerfen. Er muss sie schreddern. In einem Aktenvernichter der Sicherheitsstufe 4. Der garantiert einen Partikelschnitt zu maximal zwei Millimeter Breite auf maximal 15 Millimeter Partikellänge.
Vereine, Unternehmen, Einzelhändler, Banken, Versicherungen – alle ächzen unter der neuen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union. Die Apotheker aber trifft es noch einmal eine Stufe schlimmer, weil das bisher gültige Bundesdatenschutzgesetz schon äußerst strenge Vorschriften für sie bereit hielt. Seit dem 25. Mai aber darf Isenbort kein Namensschild mehr in seiner Apotheke tragen und auch Stammkunden nicht mehr persönlich mit Namen ansprechen: »Ein anderer Kunde könnte daraus ableiten, dass der Stammkunde gesundheitliche Probleme hat. Warum sonst würde er eine Apotheke aufsuchen?« Diese kleine, zusätzliche Verschärfung stellt dem Apotheker weitere Fallen. Isenbort: »Was soll ich denn machen, wenn zwei Kunden sich bereits untereinander kennen, sich mit Namen begrüßen und möglicherweise noch über ihre Krankheiten sprechen? Einschreiten und es ihnen verbieten?«
Jeder noch so kleine Verstoß, jede noch so kleine Panne, die nicht binnen 72 Stunden der zuständigen Aufsichtsbehörde gemeldet wird, bedroht Isenbort fortan in seiner Existenz. Die den Apotheken in der Verordnung angedrohten Strafen belaufen sich auf 20 Millionen Euro. Isenbort: »Wo bleibt denn da noch die Verhältnismäßigkeit?«
Widersprüche und Ungereimtheiten
Zumal Isenbort und seine verordnungsgemäß berufene Datenschutzbeauftragte Susanne Bartz leicht ein ganzes Dutzend von Widersprüchen und Ungereimtheiten in der neuen Verordnung aufzählen können. Auf ausdrücklichen Wunsch eines Patienten hin sollen sie der Verordnung zufolge seine Daten löschen. Was aber ist mit der ebenfalls gesetzlich geforderten Aufbewahrungsfrist sensibler Daten für die Dauer von 30 Jahren? Die könnten eines Tages dringend gebraucht werden, bei Notfällen in Krankenhäusern oder bei Streitfällen vor Gericht.
Die Weitergabe der Daten an Verrechnungsstellen ist laut Verordnung erlaubt. Isenbort: »Was aber machen diese Stellen anschließend mit den Daten?« Andere Serviceleistungen – etwa die patientengenaue Medikamentenlieferung in Altenheime – werden durch die neue Verordnung extrem erschwert.
Kunden unterzeichnen Einwilligung
Isenbort lässt seine Kunden inzwischen eine Einwilligungserklärung zum Datenschutz nach der DSGVO unterzeichnen. Darin stimmen sie unter anderem zu, dass Isenbort den jeweiligen Haus- oder Facharzt anrufen darf, falls ihm bei den verschriebenen Medikamenten etwas auffällt: »Es könnte Kontraindikationen geben oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Der Patient selbst hat doch das höchste Interesse daran, dass ich mit dem Arzt darüber spreche.« Dem Geist der neuen Verordnung zufolge wäre das schon wieder ein Verstoß. Isenbort: »Die DSGVO zerstört das Grundvertrauen zwischen Patient und Apotheker.«
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