Ehrenamtliche Forscher lüften Geheimnis eines Flugzeugabsturzes von 1944
Das Wrack im Wiehengebirge
Lübbecke (WB). Die verbrannte Erde und die Vielzahl der Wrackteile sind für die Archäologen eindeutig. An dieser Stelle im Wiehengebirge bei Lübbecke ist das deutsche Jagdflugzeug am 2. Dezember 1944 abgestürzt. Ein tragischer Unfall, wohl aufgrund schlechten Wetters. Vier Menschen kamen ums Leben. Aber erst jetzt, im Oktober 2020, ist die ganze Geschichte geklärt – dank ehrenamtlicher Forschung und eines aufmerksamen, geschichtsbegeisterten Waldbesitzers.
Der pensionierte Lübbecker Lehrer Gerd Heinrich Niemeyer hatte schon vor vielen Jahren im Waldstück seiner Familie am Blasheimer Berg diverse Metallteile aufgesammelt, darunter Bleche einer Flugzeugverkleidung, ein Druckknopf, Panzerglasscherben oder auch angebranntes Gummi. „Ohne die Wildschweine, die den Boden durchwühlt haben, hätte ich das wahrscheinlich nicht gefunden“, sagt der heute 78-Jährige.
In alten Feldpostbriefen seines im Krieg gefallenen Vaters hatte Gerd Niemeyer gelesen, dass „ein Flugzeug in unserem Bergteil niedergegangen“ sei. Dazu passten seine Funde, doch Genaueres ließ sich nicht herausfinden, zumal es nur sehr ungenaue Zeitzeugenberichte gab und ein Wehrmachtkommando eilig das Wrack abtransportiert hatte.
Doch dann konnte Niemeyer vor kurzem Kontakt zur Gesellschaft zur Förderung der Bodendenkmalpflege im Kreis Minden-Lübbecke (GeFBdML) knüpfen. Das ist ein Verein von Archäologen und archäologisch Interessierten, der – bislang vor allem im Raum Minden – historische Fundstücke aufspürt und untersucht. Der Verein verfügt über ein breites wissenschaftliches Netzwerk. Die etwa 100 Fundstücke des Lübbeckers weckten sofort das Interesse, und am Wochenende rückten elf Vereinsmitglieder in Absprache mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe zu einer Oberbodengrabung ins Wiehengebirge aus.
Grabungsleiter Daniel Bake präsentierte Sonntag weitere Funde: den Boden einer Signallichtpatrone, ein Batterieteil oder auch ein Koppelriemenfragment aus Leder. „Größe 85. Das stammt vom Gürtel eines dünnen Mannes“, sagte Bake. Mit dem von Niemeyer gefundenen Druckknopf einer Fliegerhaube – „ein sehr emotionales Stück“ – habe man damit ein weiteres Indiz dafür, dass Menschen zu Tode gekommen sind.
Zusammen mit den Ergebnissen ihres Archivstudiums sind mit einem winzigen Stempel des Flugzeughersteller Junkers, mit Scherben von Cockpit-Panzerglas sowie der Fundhäufung in verbranntem Boden nun die entscheidenden Puzzleteile gefunden, meinen die Archäologen. Daniel Bake: „Wir haben den Deckel drauf gemacht.“ Dort zwischen einigen Fichten an einem alten Holzrückeweg ist die Absturzstelle einer Junkers 88 G 6.
Der Nachtjagdbomer sollte von seiner Stammbesatzung am Morgen des 2. Dezembers 1944 von Gütersloh nach Varel in Niedersachsen überführt werden und stürzte im Wiehengebirge ab, erläutert Absturzstellenspezialist Ole Uecker. Die Soldaten Horst Rüdiger Blume, Siegfried Kautz, Waldemar Scholz und Wilhelm Rudolf kamen ums Leben. Sie sind in Gütersloh beigesetzt worden.
Die Fundstücke sollen voraussichtlich im nächsten Jahr in Lübbecke ausgestellt werden, an der Absturzstelle möchte der Verein ein Gedenkkreuz errichten. Für Grundeigentümer Gerd Niemeyer ein würdiger Abschluss für eine ganz besondere Geschichte.