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Das hängt jetzt seit 1969 an der Rathausfassade auf Höhe der siebten Etage, angebracht von der Firma Korfhage & Söhne aus Buer bei Osnabrück. Am 23. Oktober 1971, zum Tag der offenen Tür des Rathaus

Dieses Glockenspiel kennt (fast) jeder Gütersloher

Das hängt jetzt s...

Vor mehr als 50 Jahren wurde das Glockenspiel am Gütersloher Rathaus eingeweiht: mit „Freude schöner Götterfunken“ aus Beethovens 9. Sinfonie. 

Als Glockenspielbeauftragter ist Ralf Manche für den Wechsel der Papierwalzen und die allgemeine Beaufsichtigung des Systems zuständig. Die unterschiedlich gestanzten Papierrollen enthalten je drei Lieder, die passend zur Jahreszeit getauscht werden.

Gütersloh (gl). Das markante Glockenspiel an der Südseite des Rathauses fällt sofort ins Auge. Ganz unscheinbar kommt dagegen seine Steuerzentrale daher: ein kleiner Spieltisch mit 36 Tasten in einem Wandschrank in der fünften Etage des Rathauses. Was zunächst wie ein ganz normales Büro wirkt, entpuppt sich mit den richtigen Fachleuten an der Seite als Musikzimmer.

Zur Einweihung erklingt Beethoven

Joachim Martensmeier, ehemaliger Sozialdezernent der Stadt, hat die 35 Bronzeglocken schon viele Male aus dem kleinen Büro heraus zum Klingen gebracht. Städtischer Gebäudemanager und „Glockenspielbeauftragter“ Ralf Manche weiß ebenfalls Bescheid, wenn es um das tonnenschwere Geläut geht.

Das hängt jetzt seit 1969 an der Rathausfassade auf Höhe der siebten Etage, angebracht von der Firma Korfhage & Söhne aus Buer bei Osnabrück. Am 23. Oktober 1971, zum Tag der offenen Tür des Rathaus-Neubaus, fand die Einweihung mit „Freude schöner Götterfunken“ aus der neunten Sinfonie von Beethoven statt. 6000 Gütersloherinnen und Gütersloher lauschten damals den ersten Klängen des Glockenspiels, das ein Alleinstellungsmerkmal in der Region besitzt.

Seitdem erklingen die Glocken dreimal täglich um 10, 12.30 und 18 Uhr. Verschieden gestanzte Papierrollen enthalten je drei Lieder, die passend zur Jahreszeit getauscht werden. Für die Advents- und Weihnachtszeit gibt es ein Extrarepertoire.

Verzögerung wird mit eingeplant Die 35 Bronzeglocken hängen seit 1969 an der Rathausfassade.

Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, die Glocken über einen Spieltisch anzusteuern und individuelle Stücke abzuspielen – zum Beispiel „Jingle Bells“, das derzeitige Lieblingsstück von Joachim Martensmeier. Nach 40 Jahren bei der Stadt Gütersloh ist er mittlerweile pensioniert. Das Glockenspiel selbst live anzustimmen – die Idee kam ihm erst im Ruhestand. 

Als geübter Aushilfsorganist an der Erlöserkirche und in der Kirche Zum Guten Hirten weiß Martensmeier, dass es beim Glockenspiel ein paar Dinge zu beachten gibt: „Beim Spielen muss man die Verzögerung des Tons einkalkulieren, der über elektrische Impulse weitergeleitet wird. Das System ist eher behäbig. Daher darf man denselben Ton nicht zu oft nacheinander anspielen.“ Auch „Jingle Bells“ gibt es in einer etwas langsameren Version – wenn auch immer noch eindeutig zu erkennen. Trotz seiner Anonymität beim Spielen gibt Martensmeier sich stets Mühe, wenn er am Spieltisch sitzt – schließlich sind die Glocken bis weit in die Innenstadt zu hören.

Kabel durchtrennt

Vor Kurzem wurden die Glocken gewartet. Dafür kommt alle fünf Jahre eine Spezialfirma mit einem Hubsteiger und kontrolliert, ob alle Aufhänger der großen und kleinen Bronzeglocken noch intakt sind und die Klöppel richtig befestigt. Das Prozedere dient der allgemeinen Sicherheit – schließlich sollen die Glocken nicht aus 28 Metern Höhe herunterkommen. Zudem sind sie jederzeit Wind und Wetter ausgesetzt und müssen trotzdem immer gleich klingen – egal ob bei 10 Grad minus oder 40 Grad plus.

Einmal gab es ihn trotzdem schon, den Totalausfall. Ralf Manche, der seit 2015 bei der Stadt arbeitet, erinnert sich noch sehr gut daran: „Bei Umbauarbeiten war damals ein Übertragungskabel durchtrennt worden. Dieser Fehler wurde allerdings erst nach Monaten der Suche entdeckt. So lange musste die Stadt auf die vertrauten Klänge verzichten.“

„Kein Hexenwerk“ Als geübter Aushilfsorganist an der Erlöserkirche und in der Kirche Zum Guten Hirten weiß Joachim Martensmeier, dass es beim Glockenspiel ein paar Dinge zu beachten gibt.

Als Glockenspielbeauftragter hat Manche sich selbst angelernt. Auch, wenn das Ganze nach seiner Aussage „kein Hexenwerk“ sei, müsse doch einiges an Fingerspitzengefühl bewiesen werden. Vor allem die mit dem Mechanismus verbundene Uhr sei empfindlich. Sie sorgt dafür, dass pünktlich das vorgesehene Lied gespielt wird.

Zu Manches Aufgaben gehören außer dem Wechsel der Papierrollen zu den unterschiedlichen Jahreszeiten auch die allgemeine Beaufsichtigung des Systems. Wünsche nach anderen Liedern wurden ihm bisher nicht zugetragen. „Prinzipiell könnten wir neue Papierwalzen mit anderen Liedern nachbestellen. Allerdings gibt es weltweit nur noch drei bis vier Firmen, die das notwendige Papier herstellen und dieses passend stanzen.“ Daher werden die jetzigen Papierwalzen auch immer wieder von ihm instandgesetzt, beispielsweise, wenn eine Rolle einreißt. Die „alte Dame“, wie Martensmeier sie liebevoll nennt, ist eben nicht mehr die Jüngste. Das hört man ihr bisher allerdings nicht an.

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