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Gütersloh

Käßman: Launige Einblicke, klare Appelle

Gütersloh (dop) - „Danke dafür, dass Sie uns so klug und kurzweilig etwas über das Leben, über das Altern und über das, was heute wirklich wichtig ist, erzählt haben.“ Besser als dieses Resümee einer begeisterten Zuhörerin kann man den Auftritt von Dr. Margot Käßmann nicht auf den Punkt bringen.

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Zum 40-jährigen Bestehen des Gütersloher Frauenhauses hat die Theologin im Ruhestand am Montag die Festveranstaltung im Gütersloher Kreishaus mit einer Lesung aus ihrem neuen Buch „Schöne Aussichten“ bereichert. Die Veranstaltung fand auf Einladung des Clubs Soroptimist, der sich weltweit für die Verbesserung von Lebenssituationen der Frauen und Mädchen einsetzt, und in Kooperation mit den Gleichstellungsbeauftragten von Stadt und Kreis statt.

So pointiert wie eloquent stellte sich Käßmann, noch bestens bekannt als streitbare, frühere Landesbischöfin und langjährige Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche Deutschland, ihrem überwiegend weiblichen Publikum vor.  Charmant,  heiter und lebensklug parlierte sie übers Älterwerden, gewährte launige Einblicke in ihr Privatleben und legte so zielsicher wie unerbittlich die Finger in die Wunden unserer Zeit.

„60 ist nicht das neue 40“, stellte Käßmann angesichts dessen, was da alles faltenmäßig ver- und wegrutsche, klar. Selbstironisch beleuchtete sie den Widerspruch: „Alle wollen alt werden, aber nicht alt aussehen.“ Nicht nur Madonna lasse ihre Hände liften.

Mit 66 Jahren fange das Leben nicht an. Aber den Spaß daran, den könne man sich bewahren. Denn: „Wir können im Alter bewusster, intensiver und viel gelassener sein“, betonte Käßmann – nicht zuletzt mit Blick auf die Jüngeren, die in der „Rushhour des Lebens“ stünden und „dem allumfassenden Druck ausgesetzt sind, immer alles richtig machen zu müssen“.

Viele, vor allem Männer, hätten Angst vor der Rente, weil sie fürchteten, in Bedeutungslosigkeit zu versinken. Aber Arbeit sei nun mal nicht alleiniger Sinn des Lebens. Warum nicht in Ruhe das Großelterndasein genießen? Warum sich nicht ehrenamtlich engagieren? Vor allem Letzteres ist für die überzeugte Christin extrem wichtig. Ebenso, wie Senioren wesentlich dazu beitragen könnten, dass sich die schlechte Stimmung in Deutschland wieder ins Positive wende. „Wir dürfen die Stimmungsmache nicht grölenden Glatzköpfen in Springerstiefeln überlassen. Wir als demokratisch denkende Bürger müssen Gegendruck machen“, appellierte sie. Und forderte: „Wir haben in Deutschland Platz und Geld genug, um jetzt sofort 4000 Flüchtlingskinder aufzunehmen und auch zu integrieren.“ Die Gesellschaft müsse aufhören, Deutschsein über Abstammung zu definieren, und wieder zu ihren humanistischen Grundwerten zurückkehren.

Und welchen Tipp hatte die Theologin für die anwesenden KFD-Frauen und deren Aktion Maria 2.0? „Die Aktion ist super. Ich fürchte aber, eher fällt das Zölibat, als dass in der katholischen Kirche Frauen Priester werden dürfen. Andererseits: Kirche wird überall in der Welt maßgeblich von Frauen getragen. Das sollte frau mal deutlich machen.“

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