CDU-Spitzenpolitiker versuchen, heimischen Bauern Mut zu machen – Kreisverbandstag Gütersloh mit Brinkhaus und Heinen-Esser
„Ohne Landwirtschaft keine Zukunft“
Gütersloh (WB)
Ist die CDU noch die Partei der Bauern? Dass die Union zunehmend um die Landwirte kämpfen muss, macht die Gästeliste beim digitalen Kreisverbandstag Gütersloh deutlich. Mit Ralph Brinkhaus, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und Ursula Heinen-Esser, NRW-Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, haben am Mittwochabend zwei CDU-Spitzenpolitiker versucht, den Bauern Mut zu machen und Unterstützung zu vermitteln.
Andreas Westermeyers Begrüßungsworte sind deutlich. „Die Stimmung in der Landwirtschaft ist desolat. Bauern fühlen sich nicht mehr gewollt“, sagt der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbands Gütersloh und fordert von Brinkhaus Nachbesserungen beim umstrittenen Insektenschutzgesetz und von Heinen-Esser eine bessere Informationspolitik des ihr unterstellten Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV).
Als Hauptgeschäftsführer des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) warnt Thomas Forstreuter davor, sich als Verband zu zersplittern: „Mit jeder kleinen Gruppe schaden wir dem Berufsstand und verlieren an Einfluss.“
Überschrieben ist die Veranstaltung mit der Frage „Hat Landwirtschaft Zukunft?“. Die Antwort gibt Brinkhaus: „Ohne Landwirtschaft hat dieses Land keine Zukunft. In der Corona-Krise sind alle Leute satt geworden. Die Wertschöpfungskette der Landwirtschaft hat gehalten.“ Als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter aus Gütersloh weiß er, dass in seinem Wahlkreis die Agrarwirtschaft bei der Produktion von Mähdreschern beginnt und bei der Wurstverarbeitung aufhört.
Landwirtschaft sei „wegen gesellschaftlicher Entwicklungen schwieriger geworden“, räumt Brinkhaus ein und meint damit, dass mit dem grünen Zeitgeist Themen wie Grundwasserqualität, Tierwohl und Insektenschutz an Bedeutung gewonnen haben. Deswegen habe man sich entschieden, vor der Bundestagswahl am 26. September ein Insektenschutzgesetz auf den Weg zu bringen. Brinkhaus: „Wir machen das jetzt, weil das Thema sonst im Wahlkampf eine Rolle spielt und wir nicht wissen, wer demnächst in der Bundesregierung sitzt.“ Seine Fraktion sei damit nicht ganz zufrieden, aber er selbst halte den Vertragsnaturschutz dem Ordnungsrecht für überlegen. Bislang handele es sich um einen Kabinettsbeschluss, der nun ins parlamentarische Verfahren gehe. Und: „Die Grünen werden nicht alles so lustig finden, was da drin steht.“
Bauern bräuchten wegen ihrer besonders langen Abschreibungsphasen Planungssicherheit und nicht jedes Jahr ein neues Gesetz. „Wenn wir wollen, dass Ställe im Sinne des Tierwohls umgebaut werden“, so Brinkhaus, „dann brauchen wir vereinfachtes Baurecht.“
Der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU) rät den Bauern, die Umstellung der Nutztierhaltung selbst zu gestalten, denn „sonst wird das Ordnungsrecht verschärft“. Er fordert einen direkten Vertrag zwischen dem Staat und einem Bauern: „Landwirte brauchen Sicherheit. Produktionsförderung und Tierwohlprämie müssen für die Dauer der Abschreibung halten.“ Zur Finanzierung der Förderung – Borchert rechnet mit 3,6 Milliarden Euro pro Jahr – schlägt er eine Verbrauchssteuer vor: 40 Cent pro Kilo Fleischprodukt und zwei Cent pro Liter Milch; das mache für den Durchschnittsverbraucher 70 Cent pro Woche aus.
Was Borchert überhaupt nicht passt und wo er den Frust und die Wut vieler Bauern begründet sieht: „Dass ökologische und ethische Ziele im Zusammenhang mit Landwirtschaft an Bedeutung gewinnen, gibt es so nur in Deutschland. Das ist in keinem anderen europäischen Land so.“ Morgens suche man in den Anzeigen und Beilagen der Zeitung nach günstigen Angeboten und nachmittags unterschreibe man bei einer Aktion gegen Nutztierhaltung, so Borchert.
Westfalens Bauern-Präsident Hubertus Beringmeier aus Hövelhof (Kreis Paderborn) bereitet das Ergebnis der Online-Umfrage Sorge, an der am Mittwochabend knapp 400 Mitglieder des WLV-Kreisverbands Gütersloh teilnahmen. Auf die Frage „Sehen Sie für Ihren Betrieb unter den aktuellen Vorzeichen eine Zukunft?“ antworten nur 30 Prozent mit Ja, 32 Prozent mit Nein, und 38 Prozent wagen keine Prognose. Das sind Werte, die Funktionäre und Politiker gleichermaßen besorgen sollten.
Startseite