Gütersloh
Was Artenvielfalt auf Friedhöfen fördert
Gütersloh (rebo)
Die evangelischen Friedhöfe in Gütersloh sind seit April Pilotprojekt beim Biodiversitäts-Check in Kirchengemeinden - zusammen mit den Friedhöfen der Evangelischen Kirchengemeinde Wattenscheid und der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Spenge. Es geht dabei um die Frage, wie Artenvielfalt auf Friedhöfen gefördert werden kann.
Ein ordentliches Rechteck mit einem Maß von 2,50 mal 1,25 Meter, sauber eingefasst mit einer feinen Buchsbaumhecke oder – nachdem der Buchsbaumzünsler ganze Arbeit geleistet hat – auch einer Ilexumrandung. So hat jahrzehntelang ein gut gepflegtes Reihengrab ausgesehen.
Auch auf den drei Friedhöfen der Evangelischen Kirchengemeinde Gütersloh. Jetzt schleicht sich, ganz langsam und ganz willkommen, ein wenig Unordnung ein. „Durch die veränderte Bestattungskultur entstehende Überhangflächen sollen sinnvoll genutzt und ein Umweltmanagement in der Friedhofsplanung fest verankert werden“, heißt es in der Projektbeschreibung. Bereits seit der Jahrtausendwende würde verstärkt nach anderen Bestattungsformen als den konventionellen gefragt, erklärt Susanne Laab bei einem Rundgang über den Neuen Friedhof an der Friedhofstraße. Seit 27 Jahren ist die Diplom-Ingenieurin Landschaftspflege die Friedhofsleitung der Evangelischen Kirchengemeinde. Als ausgebildete Garten- und Landschaftsbauerin hat sie schon immer versucht, die Friedhöfe möglichst attraktiv zu gestalten und dabei Ökologie und Ökonomie zu verbinden.
Themenfelder seit 2005
Viele Friedhofsnutzer wollten möglichst wenig Arbeit mit der Grabpflege. Trotzdem sollte die letzte Ruhestätte als Ort der Erinnerung schön gestaltet sein. „Etwa 2005 haben wir auf dem Johannesfriedhof begonnen, Themenfelder zu gestalten“, berichtet Laab über die Anfänge. Damals sei die 30 bis 40 Quadratmeter große Fläche noch ganz klassisch gestaltet worden, mit einem Plattenweg und kleineren Wegen zwischen den Liegeplatten. Jeder habe dort für seinen Verstorbenen Blumen ablegen dürfen. Gepflegt worden sei der Bereich von den Friedhofsgärtnern.
Inzwischen gibt es zahlreiche solcher Felder auf den drei Friedhöfen der Evangelischen Kirchengemeinde. Eines ist zum Beispiel als Kastanienfeld gestaltet, eines als Heide-, ein weiteres als Ginkofeld. Alle werden vom Team der Friedhofsgärtner gepflegt und auf allen wird auf eine naturnahe Bepflanzung mit heimischen Arten Wert gelegt. „Veronika, Ehrenpreis, Irislilien, Zittergras und Sonnenhut“, zählt Susanne Laab auf.
Und immer wieder findet sich auf der Tour über den Neuen Friedhof eine gelbe, unscheinbare Blume, die ein bisschen aussieht wie ein zu klein geratenes Löwenzahnpflänzchen. „32 verschiedene Wildbienenarten können vom Ferkelkraut leben“, sagt Susanne Laab. Das sei doch ganz ordentlich für so eine unspektakuläre Pflanze – mit ungewöhnlichem Namen.
Pilotphase bis Ende des Jahres
Ziel des Biodiversitäts-Checks ist es, Kirchenorte im Sinne der Biodiversitätsstrategien von Bund, Land und Kommunen aufzuwerten, heißt es in der Beschreibung des Bundesamts für Naturschutz. Kirchenflächen sollen zu wichtigen Knotenpunkten der urbanen grünen Infrastruktur entwickelt werden. Das Bewusstsein für Naturschutz- und Umweltbelange soll bei den Gemeindemitgliedern gefördert werden. Susanne Laab hofft, dass bei der Vorstellung des Projekts im Presbyterium viele Interessenten zuhören und die Informationen als Multiplikatoren weitergeben.
Die westfälische Landeskirche, die das Projekt im Verbund mit dem Erzbistum Köln und dem Haus kirchlicher Dienste der Landeskirche Hannovers umsetzt, legt ihren Schwerpunkt auf die kirchlichen Friedhöfe. Sei seien wichtige Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen in Siedlungen, erklärt Landeskirchenrat Martin Bock, zuständiger Dezernent für das Friedhofswesen.
In Gütersloh hat eine erste Begehung des Neuen Friedhofs unter anderem mit Ulrike Jurczik, Biodiversitätsmanagerin der Evangelischen Kirche in Westfalen, Mitte Juni stattgefunden. Fachreferenten des Instituts für Kirche und Gesellschaft, Friedhofsgärtner, Presbyter und Biologen der NABU-Naturschutzstation Münsterland begleiteten die Datenerhebung. Eine weitere Begehung ist für den Alten Friedhof und den Johannesfriedhof geplant.
Anschließend soll ein Konzept erarbeitet werden, welche Schutzmaßnahmen zum Beispiel für Vögel, für Insekten, aber auch für Kleinsäuger und Reptilien sinnvoll sein könnten. In den kommenden fünf Jahren erhalten zahlreiche Kirchengemeinden die Gelegenheit, ihre Friedhöfe aufzuwerten.
Für die drei Verbundpartner des Gesamtprojekts stellt der Bund rund 3,5 Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung. Ende 2021 soll die Pilotphase mit den drei Friedhofsträgerinnen abgeschlossen und ausgewertet sein.
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