Johann Ens von der Mennoniten-Brüdergemeinde Halle begründet, warum auf Präsenzgottesdienste nicht verzichtet wird
„Diese Gemeinschaft ist uns sehr wichtig“
Halle
Die öffentliche Diskussion über den Verzicht auf Präsenzgottesdienste sowie die jüngsten Appelle des Landrates und der Bürgermeister an alle Religionsgemeinschaften im Kreis hat auch Johann Ens von der Mennoniten-Brüdergemeinde in Halle zur Kenntnis genommen. Dennoch kommt er bei der Durchführung von Gottesdiensten zu anderen Entscheidungen und begründet, warum die Mennoniten nicht freiwillig darauf verzichten wollen.
Johann Ens, der seit diesem Herbst ordentliches Haller Ratsmitglied in der CDU-Fraktion ist, hat ehemals als Ältester der Mennoniten-Brüdergemeinde vorgestanden. Jetzt sitzt er im Kirchenrat und kennt daher die Diskussionen unter den rund 250 erwachsenen Gemeindemitgliedern.
„Wir sitzen während des Gottesdienstes mit Masken und auch das Singen ist untersagt“
Ens erinnert daran, dass noch im Frühjahrs-Lockdown keine Präsenzgottesdienste im Bethaus am Tiefer Weg stattgefunden hätten, weil Behörden nicht mehr als fünf Personen bei Gottesdiensten erlaubt hätten. Dann aber habe sich im Nachhinein herausgestellt, dass die Landesregierung tatsächlich gar kein Verbot für Gottesdienste ausgesprochen habe. Ens verweist zudem auf die strengen Sicherheits- und Hygienekonzepte, die vor einiger Zeit mit dem Gesundheitsamt des Kreises Gütersloh vereinbart worden seien.
Zu dem Konzept gehört, dass die Gottesdienste durch Zweiteilung und Wiederholung entzerrt werden. Um den großen Saal noch weiter zu leeren, gibt es eine Videodirektübertragung in weitere Räume des 2002 gebauten großen Bethauses. Die Teilnehmer müssen sich vorher anmelden. Während der Gottesdienste werde von allen anwesenden Gruppen Fotos gemacht, sodass nachvollziehbar bleibe, wer mit wem zusammen gestanden habe. Außerdem sei im Bethaus jede zweite fest installierte Sitzbank ausgebaut worden, um die vorgegebenen Abstände einzuhalten. „Wir sitzen während des Gottesdienstes mit Masken und das Singen bleibt untersagt“, so Ens. Schließlich sei auch das Händeschütteln vor, während und nach den Gottesdiensten nicht vorgesehen. Weiter verweist er auf die bereitstehenden Desinfektionsmittel.
„Gemeinschaft ist das A und O des Christentums“
Johann Ens ist davon überzeugt, dass unter den genannten Umständen von den Gottesdiensten eben keine Gefahr ausgeht. Auf der anderen Seite der Waage sieht der gläubige Christ jedoch Schwerwiegendes. „Gemeinschaft ist das A und O des Christentums. Jedes Leben braucht Nahrung. Und wenn ein Christ nur alleine steht und keine Nahrung bekommt, geht er ein“, sieht Johann Ens auch ohne die Diskussion über Präsenzgottesdienste schon jetzt viele Beschwernisse im Gemeindeleben wie zum Beispiel den Ausfall von Kinder- und Jugendgruppen.
Auf die Frage, wie er die Ansteckungsgeschehen in anderen Gemeinden bewertet, verweist Ens auf die allgemeinen Risiken durch die großen Familien, weil oftmals noch drei Generationen unter einem Dach lebten und ohne Masken miteinander umgingen.
Witwer mit großer Familie hat Frau im kleinen Kreis beerdigen müssen
Der 69-jährige Johann Ens, der als Russlanddeutscher 1989 zugewandert ist, hat selbst sieben Kinder, 29 Enkel und fünf Urenkel. Im Corona-Frühjahr hat er seine Frau Katharina durch Krebs verloren. Beim Begräbnis durften nur die sieben Kinder und ihre Partner in der Friedhofskapelle dabei sein. Ein Nachtreffen mit der Familie zu dem traurigen Ereignis fiel ebenfalls Corona zum Opfer. „Die Einsamkeit ist das Schwerste“, bekennt der Witwer. An Heiligabend will Johann Ens bei einem seiner Kinder zu Gast sein, nur einem. Und mit Blick auf besagte Gottesdienstfrage fügt er hinzu: „Diese Gemeinschaft ist uns sehr, sehr wichtig.“
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