Tanne abgeschmückt, Spenden übergeben
Bürgerbaum in Rheda-Wiedenbrück zu Wochenbeginn abgeholt
Rheda-Wiedenbrück
Das Abschmücken haben Ina Wagner und Enkeltochter Mia übernommen. Was Wagner besonders freut: Nicht eine einzige der etwa 30 Großkugeln hat Schaden genommen. Die Spenden für das Ausgeben von Erbsensuppe und Ausschenken von Glühwein in Höhe von rund 250 Euro kommen der Aktion Lichtblicke zugute.
Alle Jahre wieder: Beim Schmücken des Bürger-Weihnachtsbaums auf dem Rhedaer Rathausplatz am Samstagnachmittag vor dem ersten Advent sind viele Menschen dabei. Etwa 100 aktiv Beteiligte mögen es Ende November vergangenen Jahres gewesen sein.
Doch wenn es am Samstag nach dem Neujahrsfest um das Abschmücken des etwa zehn Meter hohen Nadelbaums geht, bleiben Initiatorin Ina Wagner und Enkeltochter Mia fast immer unter sich. Entmutigen lassen will sich die sozial engagierte 52-Jährige davon jedoch nicht. Auch nicht von den immer höheren Auflagen, die ihr eigenen Angaben zufolge örtliche Behörden aufbrummen. Ina Wagner: „Ich mache im nächsten Jahr auf jeden Fall weiter.“
Andere Länder, andere Sitten
Während es für das Abschmücken des Weihnachtsbaums in deutschen Familien keinen festen Termin und meist auch keine festen Rituale gibt, ist dies in Norwegen, Schweden oder Finnland anders. Zu den dort gepflegten Traditionen zählt der St.-Knuts-Tag, der auf den 13. Januar fällt. Das Datum markiert in den drei skandinavischen Ländern das offizielle Ende der Weihnachtszeit. Dann wird in den Familien der Baum abgeschmückt. Die Kinder dürfen die verbliebenen Süßigkeiten verputzen. Schmuck wie Kugeln und Kerzen werden für das nächste Jahr eingelagert.
Ein großes schwedisches Möbelhaus mit vier Buchstaben glaubt, seinen deutschen Kunden sogar vorgaukeln zu können, die Tannen würden traditionell in hohem Bogen aus dem Fenster geworfen. „Alles Quatsch. Das ist ein Marketing-Gag. Ich kenne keinen Schweden, der seinen Baum aus dem dritten oder vierten Stock ins Freie befördert“, sagt die 24-jährige Marie Wortmann.
Die in Rheda-Wiedenbrück aufgewachsene Deutsch-Schwedin arbeitet zurzeit bei einem Logistikunternehmen in Stockholm und ist dank der von ihr abonnierten Onlineausgabe der Tageszeitung über die Vorgänge in der alten Heimat bestens unterrichtet. Doch rund um den St.-Knuts-Tag gebe es schon schöne schwedische Traditionen, berichtet Marie Wortmann. So werde in vielen Familien beispielsweise vor dem Abschmücken noch einmal um den Baum herum getanzt.
Unterstützung mit Hubsteiger in Rheda-Wiedenbrück
Von alledem ist am Samstagmittag auf dem Rhedaer Rathausplatz nichts zu sehen oder zu spüren. Trotz eines Aufrufs in den sozialen Medien findet sich um 14 Uhr kein Mitbürger zum Abschmücken des Weihnachtsbaums ein. So gehen Ina Wagner und die elfjährige Mia, Schülerin der Jahrgangsstufe sechs des Einstein-Gymnasiums, ein weiteres Mal mehr oder weniger allein ans Werk.
Immerhin: Technische Unterstützung haben Mia und ihre Oma in der Gestalt eines Hubsteigers der Firma Effertz. Bedient wird dieser vom gelernten Dachdecker und Bauklempner Torsten Moré. Gemeinsam mit der Sechstklässlerin fährt der 54-Jährige mit seinem Beförderungskorb mitten hinein in das Astwerk. Dann zückt er seinen Seitenschneider, um zunächst die mit Kabelbindern befestigten goldenen Kugeln von 30 und 40 Zentimetern Durchmesser abzutrennen. Später folgen die kleineren Kugeln.
Alle Kugeln unversehrt
Was Ina Wagner bei allem Ärger über entwendeten Schmuck und mutwillig abgebrochene Äste freut: Nicht eine einzige der etwa 30 von einem örtlichen Baumarkt gestifteten und von ihr selbst mit dem Schriftzug „Bürger-Weihnachtsbaum“ versehenen Großkugeln hat trotz heftiger Winde Schaden genommen. So wandert jedes einzelne Exemplar wieder in einen Pappkarton, den Ina Wagner danach mit Klebeband verschnürt.
Nachdem alle Kugeln abgenommen und sorgfältig in den Kartons verstaut sind, deponiert sie der Hausmeister im Keller des Rathauses für den Einsatz im kommenden Jahr. Am Weihnachtsbaum selbst verbleibt nur noch die Lichterkette. Diese wird zu Wochenbeginn von einem örtlichen Elektrounternehmen abmontiert und ebenfalls eingelagert. Den Baum selbst entfernen danach Mitarbeiter des städtischen Bauhofs.
Spenden für „Aktion Lichtblicke“ bestimmt
Für Ina und Mia Wagner ist die Aktion „Abschmücken 2023“ wie vom Hausmeister gewünscht fristgerecht gegen 16 Uhr beendet. Danach geht es zum Essen nach Hause. Zur Belohnung für ihren Einsatz bekommt Mia ihr Lieblingsessen: Fischstäbchen mit Kartoffelpüree und Spinat. Die Gedanken von Ina Wagner kreisen indessen schon wieder rund um den Bürger-Weihnachtsbaum 2023. Ihre große Hoffnung ist, dass sich dann die Ordnungsbehörden mit ihren Auflagen rund um Ausschankgenehmigung, Gesundheitszeugnis, Toilettennachweis und dergleichen mehr zurückhalten und ihr das Leben nicht unnötig schwer machen.
Schließlich sei die von ihr ins Leben gerufene Aktion Bürger-Weihnachtsbaum völlig uneigennützig. Nicht nur das: Die Spenden für das Ausgeben von Erbsensuppe und Ausschenken von Glühwein und anderen Getränken – immerhin 252,30 Euro – seien in voller Höhe der „Aktion Lichtblicke“ der NRW-Lokalradios gespendet worden.
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