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Rheda-Wiedenbrück

Kaufleute fordern zentrale Testoptionen

Rheda-Wiedenbrück (kvs) - Die Verwirrung ist maximal - und spiegelt sich in der Frequentierung der Innenstadtkerne von Rheda und Wiedenbrück wider: Wo kann der Kunde unter welchen Bedingungen einkaufen oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen? 

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Astrid Sudbrock-Kappel ist überzeugt: Mit etwas Kreativität und Unterstützung von kommunaler Seite ließen sich auch in Rheda Angebote schaffen, die fußläufig erreichbar sind und Gewerbetreibende voranbringen.

Weil kaum ein Verbraucher diese Frage eindeutig beantworten kann, bleiben sie daheim. „Halt, stopp“, ruft der Verkäufer schon von Weitem, „bevor Sie einchecken, muss ich einen negativen Coronatest sehen“: Irritiert versenkt der Kunde sein Smartphone wieder in der Hosentasche. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn die Registrierung über die viel gepriesene Luca-App ausreichend dafür gewesen wäre, sich als eine von insgesamt vier Personen in dem mehrere hundert Quadratmeter großen Geschäft an der Langen Straße in Wiedenbrück zu bewegen. Jetzt also auch noch der schriftliche Nachweis von autorisierter Stelle, dass er frei von Covid-19 ist, der zugleich nicht älter als 24 Stunden sein darf. Der Turnschuhkauf, er wird zum Hürdenlauf.

Oft bleibt nur das Testzentrum des Roten Kreuzes in Ortsrandlage

Wie praktisch, dass die Apotheke schräg gegenüber Coronatests anbietet. Allerdings nur nach Terminvereinbarung via Internet. Erneut wird das Smartphone bemüht. Als die Buchungsseite aufploppt, ist die Enttäuschung zum zweiten Mal binnen fünf Minuten groß: Heute sind keine Termine mehr verfügbar. Und auch bei dem Kollegen einige hundert Meter weiter die Straße runter ist nichts zu machen. Dabei ist es gerade einmal 12 Uhr. Die einzige Möglichkeit, die bleibt, ist das Testzentrum des Roten Kreuzes in Ortsrandlage. Jetzt gilt es, abzuwägen: Sich ins Auto setzen und sich schlechtestenfalls beim DRK in die Schlange einreihen, oder besser beim Onlineriesen gucken, der einem die Treter binnen eines Tages frei Haus liefert?

Zuletzt konnten Modegeschäfte, Möbelhäuser und andere Märkte in Nordrhein-Westfalen auf „Click and Meet“ setzen, also ihren Kunden Shopping nach Vereinbarung eines Termins anbieten. Das war schon mal ein deutlicher Fortschritt zum „Click and Collect“-Prinzip, sprich der wochenlang praktizierten Warenübergabe an der Ladentür. Statt dorthin zurückkehren zu müssen, können die Geschäfte auch nach der Ende März gezogenen Corona-Notbremse einen Einkauf vor Ort anbieten, sofern ein Termin vereinbart und personenbezogene Daten zur Kontaktverfolgung angegeben wurden. Allerdings müssen Verbraucher seit der vergangenen Woche einen negativen Coronatest vorweisen, der nicht älter ist als 24 Stunden, um weiterhin shoppen zu dürfen. Das stellt alle Beteiligten vor erhebliche Probleme und schafft Unzufriedenheit.

Ansteckungsherde im Einzelhandel?

Die Testpflicht gilt ausdrücklich nur für „Handelseinrichtungen, die über den täglichen Bedarf hinausgehen“, heißt es vonseiten der Landesregierung. Dazu zählt beispielsweise Intersport Wien in Wiedenbrück. Etwa zehn Kunden habe er am Freitagmorgen abweisen müssen, berichtet Inhaber Jürgen Niggenaber – sie alle konnten keinen negativen Coronatest vorweisen. Dabei könnte es doch so einfach sein, gäbe es ausreichend Kapazitäten zur Abstrichnahme in Innenstadtlage, sagt seine Frau Manuela.

Zwei Mitarbeiter seien infiziert gewesen, ein Nachbar habe das Virus nicht überlebt, berichtet sie. „Insofern nehmen wird das Thema sehr ernst.“ Allerdings mögen die Kaufleute kaum glauben, dass die Ansteckungsherde im Einzelhandel zu suchen sind. Und wenn dann schon die Notbremse gezogen und ein negatives Testergebnis zur Voraussetzung für einen persönlichen Besuch im Laden gemacht wird, dann sollten wenigstens auch entsprechende Möglichkeiten geschaffen werden, sagen die Eheleute, die mit ihrem zwölfköpfigen Team seit nunmehr einem Jahr ein stetes Auf und Ab erleben. Dennoch: Mit Blick auf die Schwierigkeiten in anderen Branchen „sind wir im Sportartikelbereich noch gut bedient“. Gleichwohl handele es sich um beratungsintensive Produkte, sagt Jürgen Niggenaber. „Eine Laufberatung kann ich nicht an der Eingangstür durchführen.“

„Das hat auch etwas mit Wollen zu tun“

Vor zehn Tagen hatte die CDU-Fraktion unter Vorsitz von Thomas Mader (Foto) einen Antrag an die Verwaltung gerichtet, sie möge prüfen, „was getan werden muss, damit die Stadt im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung oder des Gesundheitsamts ein Testzentrum einrichten kann, um möglichst viele Bürger kurzfristig testen zu können“. Die Antwort empfinden die Christdemokraten als enttäuschend. Unterm Strich nämlich kommt die Verwaltung zum Schluss, dass ihr Einfluss sehr beschränkt ist, die Verantwortung für das Testwesen beim Kreis Gütersloh liegt.

„Das hat auch etwas mit Wollen zu tun“, sagt Thomas Mader, der überzeugt davon ist, dass auch die Stadt ihren Teil dazu beitragen könne, die Kapazitäten zu erhöhen – bestenfalls zentral und als Beitrag auf dem Weg zu etwas mehr Normalität. „Wir müssen in Lösungen denken und nicht in Hürden.“ Mader ist mit Blick auf Apotheken und Ärzte, von denen einige ja bereits entsprechende Angebote machen, überzeugt: „Da lässt sich doch gemeinsam mit denen und den gemeinnützigen Organisationen etwas auf die Beine stellen.“ Wer jetzt nicht reagiere, trage dazu bei, dass der stationäre Handel weiter geschwächt wird, der Onlinehandel über ein verträgliches Maß hinaus profitiert. „Solange noch nicht geimpft wird, sind Testmöglichkeiten das Nadelöhr für mehr Normalität.“ Mader ist überzeugt: „Wenn wir zusätzliche Kapazitäten schaffen, hat das einen vergleichbaren Effekt wie Gewerbegutscheine.“

Inzwischen der Verzweiflung nahe

„Das macht uns bald wahnsinnig“, sagt Astrid Kappel-Sudbrock, die in der Innenstadt von Rheda das Modehaus Kappel und „Sisters“ betreibt: Die „Termingeschichte“ sei wunderbar gewesen, die Testpflicht für Kunden eine weitere Erschwernis für den Einzelhandel. „Weil die Kapazitäten fehlen“, sagt die Kauffrau. Möglichkeiten, außerhalb von Arztpraxen einen Abstrich nehmen zu lassen, gebe es allein in Wiedenbrück. Sie ist überzeugt: Mit etwas Kreativität und Unterstützung von kommunaler Seite ließen sich auch in Rheda Angebote schaffen, die fußläufig erreichbar sind und Gewerbetreibende voranbringen. Im Augenblick empfange sie gerade einmal eine Handvoll Kunden im Geschäft – pro Tag. Ungleich höher sei die Zahl derer, die sie abweisen müsse, weil kein aktueller Coronatest vorliegt.

Noch komplizierter ist es für Svetlana Zimmermann und Oxana Butt, die in Wiedenbrück einen Schönheitssalon betreiben. Die logistische Herausforderung lässt beinahe jeden Termin platzen: Beim Nageldesign beispielsweise braucht nur die Kundin einen negativen Coronatest, bei der Gesichtskosmetik hingegen überdies die behandelnde Fachfrau. Beide Abstriche dürfen auch hier nicht älter als 24 Stunden sein. Nun also im Extremfall zwei Abstriche plus Zeitpunkt für die Dienstleistung aufeinander abzustimmen, bringt die Geschäftsfrauen an den Rand der Verzweiflung. „Zumal viele ältere Kunden gar nicht in der Lage sind, online einen Testtermin zu vereinbaren, oder bereit sind, erst mit dem Taxi zum DRK zu fahren, um dann im schlimmsten Fall vor verschlossener Tür zu stehen“, berichtet Zimmermann. „Da muss schnell etwas passieren“, hofft sie auf die Schaffung zusätzlicher Kapazitäten. „Davon hängen Existenzen ab.“

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