Rheda-Wiedenbrück
Krise verstärkt die Bedürftigkeit
Rheda-Wiedenbrück (wl) - Viele Hände, schnelles Ende: Dieser Spruch passt perfekt, wenn montags die Ausgabestelle der Wiedenbrücker St.-Pius-Gemeinde mit Lebensmitteln der Gütersloher Tafel versorgt wird. Dann packen alle mit an, um den Transporter schnell zu entladen.
Eine halbe Stunde später stehen die ersten Kunden vor der Tür. Vor eineinhalb Jahren wurde die Verteilstelle St. Pius Wiedenbrück eingerichtet. Mit fünf Familien begann alles. Jetzt sind es 94 Menschen aus 24 Haushalten, darunter 53 Kinder, die jede Woche eine prall gefüllte Kiste mit Lebensmitteln bekommen.
Individuelle Schicksale
Seit Januar sind noch ganz aktuell fünf Haushalte, in denen die Frauen durch Corona ihre geringfügige Beschäftigung verloren haben, hinzugekommen. „Wir haben natürlich darauf geachtet, dass sie wirklich bedürftig sind“, berichtet Gerda Schultefrankenfeld, die die Verteilstelle leitet und zudem im Caritas-Vorstand von St. Pius aktiv ist. Dank ihrer Doppelfunktion kann sie über die Lebensmittelversorgung hinaus helfen, wenn sie entsprechenden Bedarf sieht.
Jeder Mensch bringt sein eigenes Schicksal mit. Beispielsweise die Putzhilfe im Hotel, die nun keinen Job mehr hat, der bedürftige Rentner, der manchmal nicht weiß, wie er den geringen Eigenanteil von ein paar Euro für seine Lebensmittelkiste aufbringen soll, oder die Flüchtlingsfamilie, die mit acht Personen in einer kleinen Unterkunft lebt.
Auf Narren ist Verlass
Während des ersten Lockdowns vor einem Jahr sei das Hilfsaufkommen aus der Bevölkerung groß gewesen. Gerda Schultefrankenfeld hat das Gefühl, dass die Spendenbereitschaft nachgelassen hat. Deshalb freute es sie besonders, dass die Karnevalsgesellschaft Helü jüngst eine Aktion initiiert hat. Zu den „tollen Tagen“ hatte der Verein für seine Mitglieder Karnevalstüten zum Feiern Zuhause gepackt. Im Gegenzug bat die KG Helü um Spenden von haltbaren Produkten für die Tafel. „Wir waren überwältigt. Die ganze Küche im St.-Pius-Jugendhaus war voll mit Lebensmitteln“, erinnert sich Gerda Schultefrankenfeld noch gut an die Überraschung.
Ruth Prior-Dresemann, Geschäftsführerin der Gütersloher Tafel, erklärt, dass in diesen Zeiten vieles schwieriger geworden ist. Man versuche eine möglichst kontaktarme Übergabe, aber viele der Bedürftigen wollten auch den Helfern ihr Herz ausschütten oder einfach nur mal reden.
Bedarf steigt
Probleme wie die Betreuung der Kinder zuhause oder das dadurch bedingte Kochen von Mittagessen, das zusätzliche Kosten verursache, seien einige der Probleme, die die Bedürftigen umtreiben. „Aktuell stellen wir fest, dass der Bedarf weiterhin steigt, unsere Verteilstellen aber am Limit sind“, erklärt Gerda Schultefrankenfeld.
Sechs Ausgabestellen
In Rheda-Wiedenbrück gibt es insgesamt sechs Ausgabestellen für knapp 500 Personen. Was in die Kisten kommt, das wissen die Helferinnen in St. Pius genau, obgleich es auch für sie jedes Mal eine Überraschung ist, was tatsächlich angeliefert wird. Bei der Lebensmittelverteilung wird auf die persönlichen Bedürfnisse der Bedürftigen eingegangen. Dazugekauft wird jedoch nichts. Meistes sind es Obst und Gemüse, Brot und Toast, Nudeln, Wurst und Käse oder Fruchtsaft, die die Pakete enthalten. Gummibärchen oder eine Tüte Chips sind da schon seltener.
Hilfe zur Selbsthilfe
„Wir wissen, dass eine Kiste nicht ausreicht, um eine Familie eine Woche lang zu ernähren“, sagt Ruth Prior-Dresemann. Die Lebensmittellieferung sei vielmehr als Hilfe zur Selbsthilfe zu sehen. „Aber wenn dadurch am Ende bei den Familien etwas Geld im Portemonnaie übrig bleibt, damit sie sich vielleicht mal ein Eis gönnen können, haben wir schon viel erreicht.“
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