Volkshochschule: Digitales Angebot ist heute ein Ersatz des Live-Angebots, morgen eine Ergänzung
Online bewegt Körper und Kopf
Schloß Holte-Stuk...
„Kannst du nicht online etwas anbieten?“ Die Teilnehmer der Pilates- und der Bauch-Beine-Po-Kurse der Fitness-Trainerin Estera Witte waren auf Entzug. „Am liebsten korrigiere ich die Haltung der Teilnehmer natürlich selbst. Aber Körperkontakt ist zurzeit nicht möglich“, sagt die Trainerin. Im Lockdown ist die persönliche Begegnung der Teilnehmer verboten. 15 Prozent der Veranstaltungen der Volkshochschule finden dennoch statt. Online.
„Das wird wahrscheinlich die Zukunft“, meint Estera Witte. Im Fitnessbereich wird der Online-Kurs bestimmt nicht die Regel. Aber: „Wenn man mal knapp von der Arbeit kommt und keine Lust mehr hat, aus dem Haus zu gehen, ist Online eine Möglichkeit. Oder wenn man sich nicht wohl fühlt, allerdings auch nicht krank genug, um gar nicht mitzumachen. Oder man findet mal keinen Babysitter – dann kann man trotzdem teilnehmen.“
Estera Witte hatte eine Bedingung. „Ich habe mir gewünscht, dass es einfach ist. Zoom habe ich bereits genutzt, das erklärt sich von selbst.“ Viele dieser Kurse sind trainerbezogen. „Ich kenne die Teilnehmer schon seit Jahren, alle kennen meine Gesten und Zeichen. Wichtig ist auch, dass sich die Teilnehmer miteinander unterhalten können. Fast alle sind schon fünf Minuten vor Kursbeginn da.“ Die Volkshochschule eine KI-Kamera angeschafft. Die folgt dem Gesicht der Trainerin, wenn sie sich im Raum bewegt.
Die Digitalisierung ist nicht erst seit Corona ein Thema, sagt der Leiter der Volkshochschule, Josef Lieneke. Deshalb rannte er im Sommer 2019 bei der Verbandsversammlung offenen Türen ein, als er eine Projektstelle beantragt hat. Im Januar 2020 erfolgte die Ausschreibung, im August 2020 hat der Diplom-Medienpädagoge Christian Großekathöfer als Referent für digitales Lehren und Lernen bei der VHS begonnen. Weil Zoom so einfach ist, hat die VHS die Lizenzen dafür erworben, das meiste wird aber über die VHS-Cloud laufen, wo auch Dateien hinterlegt, Lernbausteine bearbeitet, aber auch Videokonferenzen geführt werden können. „Wir bieten zurzeit Vorträge an, die von vorneherein online geplant waren. Denn jetzt haben wir die Möglichkeit, im Verbund mit den Volkshochschulen Sindelfingen, Böblingen und München zum Beispiel auch Referenten anzubieten, die wir uns alleine nicht leisten könnten“, sagt Lieneke. Und es können beispielsweise im Bereich der Betriebswirtschaft Fortbildungen angeboten werden, die mit einem oder zwei Teilnehmern aus einem Ort gar nicht zustande kämen, im Verbund allerdings möglich werden.
Zur Person
Christian Großekathöfer (44) ist Diplom-Medienpädagoge. Er hat in Bielefeld Erziehungswissenschaften und Psychologie mit dem Schwerpunkt Medien studiert. In Erfurt war er zwei Jahre lang für den Kinderkanal (Kika) beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) in der Zuschauer-Redaktion. Er hat die Zuschauer live vor Ort begleitet, Führungen übernommen und die Zuschauer und Telefonkinder auf Livesendungen vorbereitet. Danach hat er sich in seiner Heimatstadt Bielefeld selbstständig gemacht und als freischaffender Pädagoge den Onlineauftritt der Landesanstalt für Medien technisch und inhaltlich begleitet und für die Stadt Bielefeld das Kinderrathaus (im Stil der Sendung mit der Maus) betreut. Als er selbst Vater wurde, ist er als Angestellter ins Online-Marketing einer Aufzugsfirma gewechselt. Seit August 2020 ist er bei der Volkshochschule Verl, Harsewinkel, Schloß Holte-Stukenbrock in der Programmleitung EDV und Digitales und als Referent für digitales Lehren und Lernen zuständig.
Die Partnerschaft für Demokratie hatte es im ersten Lockdown vorgemacht, Themen in Zoom-Konferenzen anzubieten. Andere Angebote wurden nicht so gut angenommen, im September war das Interesse an der ersten Schulung noch verhalten. „Viele waren der Meinung, wir sind über dem Berg. Als es aber deutlich wurde, dass der Semesterstart im Februar nicht mit Präsenzunterricht möglich wird, haben sich viele für die Online-Schulungen angemeldet. Unser Zoom-Konto wird gut genutzt“, sagt Lieneke.
„Meine Aufgabe ist, das VHS-Team und die Dozenten zu schulen und zu unterstützen“, sagt Christian Großekathöfer. Teils melden sich auch Teilnehmer, die in technischer Hinsicht Hilfe brauchen. „Manchmal erläutere ich am Telefon Klick für Klick.“
Es geht so einiges online. Zum Beispiel ein Englischkurs, der wie die „Speakers Corner“ aufgebaut ist, wo man miteinander redet. „Jeder versucht, etwas auszuprobieren. Christian Großekathöfer hat uns die Scheu genommen“, sagt Josef Lieneke. Präsenz plus Streamen – das hält Josef Lieneke für die Zukunft. Online lernen, das funktioniere individueller, aber nicht automatisiert. Oft sei das sogar personalintensiver.
Fitnesstrainerin Estera Witte und VHS-Leiter Josef Lieneke sind sich einig: „Ohne die Corona-Pandemie hätte es länger gedauert, sich auf Online-Kurse einzulassen. Bevor es gar nichts gibt, ist man bereit, neue Wege zu gehen.“ Online praktiziert wird Fitness, Sprachunterricht, betriebswirtschaftliche Fortbildung, Bildbearbeitung und Fotokurse, berufsbegleitend das Montessori-Diplom, Tutorien in der Integration. „Schwierig ist es für den Sprachunterricht für Geflüchtete, die noch gar kein Deutsch sprechen“, sagt Lieneke. Und auch wenn die Tendenz dahin geht, dass 20 Prozent der Kurse bald online angeboten werden können: „Ich hoffe, dass nach Ostern wieder Präsenzunterricht möglich ist.“ Bleiben werde aber von allem ein bisschen: Online-Angebote im überregionalen Verbund, als zusätzliche Möglichkeit, wenn man mal das Haus nicht verlassen kann. Zudem könne sich die VHS besser präsentieren. Sie hat eine neue Website, präsentiert Veranstaltungen, Kursleitersuche und Edutainment auf Facebook und ab Ostern auch auf Instagram.
www.vhs-vhs.de
Startseite