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Vorbereitungen in Steinhagen für einen Großversuch des Umweltbundesamtes

Was Forellen Turbinenbauern zeigen

Steinhagen

Wie kann man Turbinen für Wasserkraftwerke bauen, die Fischen nichts anhaben können? Antworten auf diese Frage soll ein großangelegter Versuch an der Staustufe in Frankfurt-Eddersheim geben. Wichtige Vorbereitungen aber sind dazu in den vergangenen Wochen vor dem großen Schneefall in der Schlichte-Forellenzucht in Steinhagen getroffen worden.

Annemarie

Gewogen, vermessen, mit Mini-Chip versehen und fotografiert: Fischwirt Nils Hoffmann erfasst jede der 1600 Forellen ganz genau Foto: Annemarie Bluhm-Weinhold

Dr. Stefan Kontowski, seit einem guten Vierteljahr neuer Betreiber der Anlage am Jückemühlenbach, hat seine Teiche zur Verfügung gestellt. „Sie sind noch leer, meine Fische müssen erst wachsen“, sagt der promovierte Agrarwirt, der derzeit seine ökologische Fisch- und Edelkrebs-Zucht erst aufbaut. Und so kann Dr. Andreas Hoffmann, Geschäftsführer des Büros für Umweltplanung, Gewässermanagement und Fischerei (Bugefi) in Bielefeld, auf die Teiche zugreifen.

Mit seinem zehnköpfigen Team und 1600 Bachforellen ist er in Amshausen angereist. Die Arbeit wird von umfangreicher Bürokratie begleitet, viele Genehmigungen waren einzuholen – denn letztlich ist es ein Tierversuch, der genauen Kontrollen unterliegt. Ein Großversuch, um genau zu sein, wie Andreas Hoffmann anhand der Zahlen deutlich macht. 1800 Rotaugen sind schon durch, jetzt sind die Forellen an der Reihe, im Herbst folgen noch 750 Aale.

Das Team vom Bugefi sorgt dafür, dass die Fische vermessen, gewogen, fotografiert und mit Chips ausgestattet werden für einen Versuch, den das Umweltbundesamt in Auftrag gegeben hat – um in Zukunft Turbinen entwickeln zu können, die die Flussbewohner auch im laufenden Betrieb gefahrlos passieren können.

Grundsätzlich können Fische die Turbinen auch heute schon durchschwimmen ohne sich zu verletzen. Sie sind genauso schnell wie das Wasser. Aber die Gefahr, dass ihnen etwas passiert, wird vom Umweltbundesamt als sehr hoch erachtet, wenn die Turbine läuft: Die Fachleute gehen davon aus, dass Fische nur, wenn sie viel Glück haben, vereinzelt eine Turbinenpassage bei laufenden Rotoren unverletzt überstehen. Denn wenn sie zu nah an die Narbe kommen oder an den offenen Spalt zwischen Flügel und Turbinenwand, dann besteht ein Risiko, wie Andreas Hoffmann deutlich macht. Es bedarf dringend genauer Untersuchungen als Grundlage für eine neue Technologie.

Der Schutz der Aale ist dabei von besonderem Interesse. Sie sind eine bedrohte Art – aus vielerlei Gründen. Und deshalb ist es besonders wichtig, dass sie sich vermehren können. Das aber tun sie ausschließlich in der Sargassosee, einem Gebiet im Atlantik zwischen Florida und den Bermudas. Auch alle europäischen Aale schwimmen dorthin. Und dafür nehmen sie ein hohes Risiko auf sich, Hindernisse zu überwinden – wie die Rechen und die Turbinen von Wasserkraftwerken.

Die Anlage in Frankfurt-Eddersheim im Main ist mit neuer Turbine ausgerüstet, gehört dem Bund und ist unter umweltschonenden Aspekten umgebaut worden. Ist die Bauweise tatsächlich so schonend? Und was kann man daraus für den Bau oder Umbau von Anlagen insgesamt ableiten? Das sind Fragen der Wissenschaftler.

Die Fische werden im Main ausgesetzt und durchschwimmen die Anlage, danach werden sie wieder eingefangen, anhand ihres Chips identifiziert, und untersucht. Auch Röntgen gehört stichprobenartig dazu, einmal vor und einmal nach dem Versuch. Alle überlebenden und unverletzten Fische werden nach dem Versuch freigelassen. Erste Ergebnisse des Versuchs erwartet Hoffmann für Ende April.

Mit im Boot beim Großversuch sitzt auch die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen. Dort sind sogenannte Sensorfische, die in Amerika entwickelt wurden im Einsatz: Hightech-Fische aus Hartplastik, vollgestopft mit Sendertechnik. Sie sind hydrostatisch ausgerichtet, haben das Gewicht des Wassers und verfügen über einen Blinker. Anhand ihrer Technik hoffen die Wissenschaftler, den genauen Weg durch die Turbine sehen zu können. „Es ist das erste Mal, dass die Sensorfische in Eddersheim eingesetzt werden. Wir hoffen, durch sie auf Dauer Tierversuche reduzieren zu können“, so Hoffmann.

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