Verl
„Lutherglucken“ gehören zum Kirchenleben
Verl (abb). Gleich zwei Jubiläen feiert die Evangelische Kirchengemeinde Verl in diesem Jahr. Vor 70 Jahren wurde die Erlöserkirche gebaut. Seit 50 Jahren ist die Gemeinde eigenständig. Eng verwoben ist die Geschichte der evangelischen Christen in Verl mit der Kirchengemeinde in Friedrichsdorf.
Im katholisch geprägten Verler Land kaum zu glauben: Im 16. Jahrhundert war Verl durch die Ausbreitung der Reformation evangelisch. In der 1512 erbauten Annenkapelle, die später zur St.-Anna-Kirche wurde, fanden lutherische Gottesdienste statt. Es blieb aber bei einer kurzen Episode, wie Pfarrer Christoph Freimuth in einer Chronik schreibt, die 2001 zum 50-jährigen Jubiläum der Erlöserkirche erschien.
Zuzug von Protestanten
Im Jahr 1839 gab es lediglich 31 Protestanten, im benachbarten Friedrichsdorf gab es immerhin 180. So wurde 1886 beschlossen, dass Verl nach Friedrichsdorf eingepfarrt wird. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg kam es vermehrt zum Zuzug von Protestanten durch Evakuierungen und durch Ostvertriebene. Alle drei Wochen fand ein Gottesdienst neben, später auch im ehemaligen Gasthaus Clasbrummel (heute Hauptstraße 5) und im Kinosaal (heute Ausweichstandort Bibliothek) statt. In der katholischen Grundschule wurde evangelischer Religionsunterricht gegeben. Bald fanden auch Gottesdienste in der Schule Kaunitz sowie in der Schule Vorbeck in Österwiehe statt.
Ressentiments spürbar
Laut Pfarrer Christoph Freimuth gab es zu der Zeit große Ressentiments gegenüber den evangelischen Christen. „Es muss eine schwierige Zeit gewesen sein“, sagt Freimuth im Gespräch. Es habe aber auch liebenswerte und kuriose Begebenheiten gegeben. So nannten sich die verschiedenen Frauengruppen gegenseitig „Lutherglucken“ und „Papsthennen“. Der Ruf nach einer eigenen Kirche wurde in den Aufbaujahren nach dem Krieg immer lauter. Da aber kein Katholik ein Grundstück verkaufen wollte, gestaltete sich die Suche schwierig. Letztlich verkaufte der Fleischermeister Hoffknecht ein Grundstück an der Paul-Gerhardt-Straße.
Grundsteinlegung im Jahr 1951
Nach der Grundsteinlegung am 24. Juni 1951 wurde die Erlöserkirche schon am 16. Dezember 1951 eingeweiht. Das Richtfest im August 1951 fand in aller Stille statt, da mit dem Friedrichsdorfer Wilhelm Stelbrink ein großer Förderer des Kirchbaus gestorben war. Außerdem wurde das Gotteshaus durch Mittel der Notgemeinschaft des Kirchenkreises, der Landeskirche und durch Spenden der Gemeindemitglieder errichtet. Ingrid Herbst war der erste Täufling, Otto Herbst und Margarete-Elisabeth Herbst, geborene Augst, wurden als erstes Paar getraut. Aus finanziellen Gründen verzichtete man zunächst auf einen großen Glockenturm, dieser wurde erst 1963 nachträglich gebaut. 1952 wurde das Pfarrhaus gebaut, 1959 wurde die evangelische Dietrich-Bonhoeffer-Schule eröffnet, die 1979 aufgegeben wurde. Verl war auch nach dem Bau der Kirche ein Pfarrbezirk von Friedrichsdorf. Wichtige Dinge geschahen aber auch am Ölbach. So wurde der Posaunenchor gegründet und die Jugendarbeit wurde aufgenommen.
Wunsch nach Eigenständigkeit
Ende der 1960er-Jahre wuchs der Wunsch, als eigenständige Kirchengemeinde Verl zu agieren und sich von Friedrichsdorf zu lösen. Bereits 1968 wurde ein Beschluss dazu gefasst. Da aber die kommunale Neugliederung des Kreises Wiedenbrück noch nicht abgeschlossen war, wurde dieser zunächst zurückgestellt. Seit 1971 gibt es die evangelische Kirchengemeinde Verl, deren Einzugsbereich deckungsgleich mit der neu gegründeten Gemeinde Verl war. Im Lauf der Jahre entwickelte sich die Gemeinde immer weiter und wurde größer. 1973 wurde der Gemeinderaum neben der Erlöserkirche gebaut. Auch der Bau eines eigenen Kindergartens (Am Bühlbusch) wurde 1975 notwendig, da viele Evangelische aus Verl nur einen Platz in Gütersloh-Sundern bekamen. Die umfassende Renovierung der Erlöserkirche im Jahr 2009 bezeichnet Pfarrer Christoph Freimuth als wichtiges Datum. Er und sein Kollege Pfarrer Jens Hoffmann loben die klaren Strukturen der Gemeinde und ein ausgezeichnetes Verhältnis zum Presbyterium. Hoffmann: „Wir leben alle das Leitbild unserer Gemeinde.“ Das Verhältnis zu den Katholiken bezeichnen die Pfarrer heute als ausgesprochen gut. „Wir leben in einer sehr guten und fruchtbaren Ökumene.“
Friedhof existiert seit 1954
Schon seit dem Jahr 1954 gibt es in Sürenheide den einzigen evangelischen Friedhof in Verl. Das Grundstück stellte damals Wilhelm Barkey zur Verfügung. Seit 1956 stehen dort auch die Leichenhalle sowie ein kleiner Glockenturm, dessen Glocke aus der Friedrichsdorfer Johanneskirche stammt. Die Auferstehungskirche im Verler Ortsteil wurde 1967 gebaut, ein eigener Gemeinderaum 1981. Seit 2003 befindet sich in Sürenheide offiziell eine eigene Pfarrstelle der Kirchengemeinde. 2004 folgte der Bau des Pfarrhauses, in dem Pfarrer Jens Hoffmann wohnt. Ein Aushängeschild der evangelischen Kirchengemeinde ist die facettenreiche Jugendarbeit, die sowohl in Verl als auch in Sürenheide stattfindet. Seit 2005 gibt es dort den Jugendtreff Oase. Auch die Kooperation mit der Verteilstelle Verl der Gütersloher Tafel heben die Pfarrer Christoph Freimuth und Jens Hoffmann heraus.
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