Arbeitersiedlung in Verl abgesperrt – Helfer versorgen Bewohner
„Wir bekommen keine Informationen“
Verl (dpa). Bundeswehr, Deutsches Rotes Kreuz und Ordnungsamt haben am Sonntag in Verl unter Quarantäne gestellte Wohnungen untersucht. Die Bewohner fühlen sich nicht ausreichend informiert.
Schon mehrere Meter entfernt sind die blau-weißen Transporter der Polizei neben den hohen Bauzäunen zu erkennen. Hinter der Absperrung stehen kleine Kinder, Männer, Frauen. Viele der Männer und Frauen arbeiten in Deutschlands größtem Schlachtbetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrück. Sie alle stehen seit Freitag unter Quarantäne wegen des Corona-Ausbruchs dort. Am Samstagabend hatte die Stadt die Bauzäune errichten lassen, um eine Quarantänezone einzurichten.
Insgesamt sind etwa 670 Menschen im Verler Ortsteil Sürenheide betroffen. „150 der Bewohner arbeiten nicht für Tönnies, sondern für andere Unternehmen in der Region“, sagt Bürgermeister Michael Esken (CDU). „Die sind da aber natürlich auf engem Kontakt, leben Tür an Tür.“ Daher wurden auch diese Wohnungen unter Quarantäne gestellt.
Bürgermeister sichert Versorgung zu
An einer Straßenecke kommen Helfer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) des Kreises Gütersloh an. Gelbe Plastikmäntel, blaue Handschuhe, Mundschutz und Schutzbrille – die Mitarbeiter sind ausgerüstet. Sie sind an der Unterkunft in Verl für die Versorgung mit Lebensmitteln zuständig. Mit einem großen Lastwagen rollen sie rückwärts zum Bauzaun, der die Grenze zwischen ihnen und den Menschen in Quarantäne bildet. Hinter dem Zaun stehen rund zehn Männer und Frauen. In einer Schlange gehen sie zu dem kleinen Spalt am Zaun. Jeder bekommt eine Tüte mit Brot in die Hand gedrückt. Dann ist der Nächste dran.
Bürgermeister Esken sichert die Versorgung der 670 Menschen in den Wohnungen in Verl zu. „Wir haben hier rund 60 Kinder, davon 20 unter drei Jahren“, sagt Esken. Da sei die Versorgung durch das DRK besonders wichtig. Der Mensch müsse nun im Mittelpunkt stehen.
Vor den Häusern in Verl wird es langsam unruhig. „Wir bekommen keine Informationen. Wann werden wir getestet?“, fragt ein Bewohner. Die Ankunft der für den Vormittag angekündigten mobilen Teams verzögert sich.
Mobile Teams unterwegs
Der 50-Jährige arbeitet nicht bei Tönnies, er kennt jedoch Familien im Haus, die dort arbeiten. Sein Nachbar erzählt, er habe Angst, dass die Lage in den unter Quarantäne gestellten Wohnungen bald eskaliere. „Wir sind Freiheit gewöhnt und jetzt sind wir hier eingesperrt“, sagt der 26-Jährige. Er möchte so schnell wie möglich getestet werden und bei einem negativen Ergebnis wieder arbeiten gehen.
Einige Meter weiter wird eine 88 Jahre alte Anwohnerin mit Rollator von ihrer Tochter mit Medikamenten versorgt. „Sie bekommt eigentlich Essen auf Rädern, das war heute Mittag auch schon nicht da“, so der Schwiegersohn. „Es hat sich niemand gemeldet, wie das nun laufen soll.“ Auch ob die Post zugestellt werde, wüssten sie nicht. „Drinnen ziehst du die Handschuhe dann aus und wirfst sie direkt weg“, erklärt die Tochter noch ihrer Mutter.
Gegen 13 Uhr erreichen dann die mobilen Teams die Siedlung in Verl. Mitarbeiter der Bundeswehr steigen aus. In einer Kolonne laufen sie zu den ersten Wohnungen. Am Bauzaun drängeln sich schon die Menschen. Ein Bundeswehrmitarbeiter macht Platz und schickt die Menschen in ihre Wohnungen. Die Männer in weißen Schutzanzügen betreten das Gelände. „Die Kontrolle soll hier flächendeckend stattfinden“, sagt Heribert Schönauer, Erster Beigeordneter der Stadt Verl. Inzwischen geht die Stadt davon aus, alle Wohnadressen der Tönnies-Mitarbeiter zu haben. „Die Informationspolitik von Tönnies war lange unzureichend“, sagt Schönauer.
Dolmetscher angefordert
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann äußerten sich am Sonntagnachmittag zu der Situation der unter Quarantäne gestellten Menschen im Kreis Gütersloh. Laut Laschet (CDU) werden nun so viele Dolmetscher wie möglich in die Unterkünfte der Beschäftigten geschickt. „Man muss sich ja auch in die Menschen hineinversetzen“, sagte der Ministerpräsident. Sie seien auf das Geld angewiesen, das sie verdienen und erführen jetzt mit einem Mal, dass sie nicht mehr hier arbeiten dürfen und in ihrer Wohnung bleiben müssen. „Sie verstehen nicht mal warum und deshalb brauchen wir Menschen, die es ihnen in ihrer Heimatsprache erklären“, sagte der Politiker, der sich im Kreis Gütersloh mit den Konsuln aus Polen, Bulgarien und Rumänien traf.
„Die Wohnverhältnisse kann ich mir ja auch ein bisschen vorstellen, wenn man dann da 14 Tage ist, das es da auch Konflikte geben kann, da müssen wir dann Schritt für Schritt mit umgehen, dass das für die Menschen geht“, sagte Gesundheitsminister Laumann.
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