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Borgholzhausen und Versmold sind die ersten Etappen eines ungewöhnlichen Kulturprojektes

Nirgül startet Kunstmarathon in grenzenlosem Europa

Borgholzhausen/Versmold

Eine Künstlerin macht sich zu Fuß und per Rad auf den Weg, um in zwei Monaten 30 Städte in Deutschland und dem benachbarten Ausland zu besuchen. Der kulturelle Marathon ist eine Reise, bei der künstlerische Akzente in einem grenzenlosen Europa gesetzt werden sollen.

Von Johannes Gerhards

 Ein Zeichen der Vielfalt setzt die Lebenshilfe mit dieser farbenfrohen und gemeinschaftlich entstandenen dreiteiligen Collage in Versmold, das einen Ehrenplatz an exponierter Stelle verdient hätte. Foto: Johannes Gerhards

„Heute geht ein langgehegtes Herzensprojekt für die Isselhorster Künstlerin in Erfüllung“, sagt Borgholzhausens Bürgermeister Dirk Speckmann beim Festakt im großen Sitzungssaal des Rathauses. Nirgül Kantar-Dreesbeimdieke begibt sich nach über langjähriger Vorbereitungszeit auf „Europas Künstlerweg®“. Nahezu zwanzig Jahre liegen zwischen den ersten Visionen und der jetzt erfolgten Realisierung. In den kommenden 61 Tagen will sie 1.300 Kilometer zu Fuß und per Rad zurücklegen und dabei 30 Städte in Deutschland und den Benelux-Staaten besuchen.

Die abschließende Etappe führt sie am 14. Juni ins luxemburgische Schengen, wo 1985 der Grundstein für ein Europa ohne Grenzen gelegt wurde. Weil auch die Kunst nach Nirgüls Verständnis grenzenlos ist, transportiert sie jeweils ausgewählte Werke aus den beteiligten Städten mit ihrer rollenden Staffelei. In jedem Etappenort sind Bilder und Skulpturen zum Thema Europa entstanden. Eine Jury wählt daraus ein Kunstwerk aus, das auf dem Weg in die nächste Stadt öffentlich präsentiert wird und an der großen Abschlussausstellung teilnehmen darf.

Dieses konstruktivistisch gestaltete Bild von Joseph Schräder (Mitte) nimmt Nirgül (links) mit zur finalen Abschlussausstellung in Schengen. Rechts steht Borgholzhausens Bürgermeister Dirk Speckmann. Foto: Johannes Gerhards

Aus Borgholzhausen geht ein im Stil des Konstruktivismus entstandenes Bild von Joseph Schräder mit auf die Reise. „Die grünen Streifen symbolisieren die 27 EU-Staaten in Quadratkilometern, die Grundfarben entsprechen denen der jeweiligen Nationalflaggen“, betont der sichtlich überraschte Schräder, dem die Arbeit an dem Projekt viel Freude bereitet habe.

 Eine kunstvoll bearbeitete Stele aus einheimischen Eichenholz haben Mitglieder der Flex Eingliederungshilfe der Stadt Borgholzhausen übergeben. Neben Marcus Plump und Christel Friedrich (2. und 3. von links) und der Initiatorin Nirgül im klassischen gelben Gewand nehmen auch die Bürgermeister Dirk Speckmann und Michael Meyer-Hermann sowie die aus Schengen angereisten Martina Kneip und Tau Yogeshwar an der Eröffnungszeremonie von Europas Künstlerweg teil. Foto: Johannes Gerhards

Eine „wunderbar gestaltete Stele aus heimischem Eichenholz“ darf Bürgermeister Dirk Speckmann zusätzlich in Empfang nehmen. Sie wird in Kürze einen Ehrenplatz in Rathausnähe erhalten. Das Objekt wurde als Gemeinschaftsarbeit bei der Flex-Eingliederungshilfe geschaffen und zeigt die Route des Künstlerwegs mit dem Borgholzhausener Stadtwappen am Start und dem Wappen von Schengen als Ziel. Hier soll eine ähnliche Holzskulptur mit umgekehrter Reihenfolge aufgestellt werden, berichtet Marcus Plump aus der Teamleitung Tagesstruktur des zur diakonischen Stiftung Ummelns gehörenden Unternehmens.

Mit diesen Damen aus ihrem Team arbeitet Nirgül bei der Realisierung von Europas Künstlerweg zusammen. Von links Mechthild Komeska-Wörmann, Anja Fraedrich, Karin Gosejohann und Carina Stöckl Foto: Johannes Gerhards

Ein besonders großes Anliegen für die Initiatorin ist, auch Mitmenschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen aktiv mit einzubeziehen. Das verdeutlicht auch eine Filmeinspielung, in der das von Tim Edler speziell komponierte Lied „Der Weg ist unser Ziel“ vorgestellt wird – mit passenden Lautgebärden gehörloser Schülerinnen und Schüler.

„Im Rausch der Sinne dem Leben Farbe geben" so lautet das Motto des künstlerischen Beitrag von Hartwig und Petra Kuhn (Mitte) zum europäischen Künstlerweg, rechts Künstlerin Nirgül und rechts Versmolds Bürgermeister Michael Meyer-Hermann. Foto: Johannes Gerhards

Die weiteste Reise zur offiziellen Eröffnung liegt hinter Martina Kneip und Tau Yogeshwar vom Centre Européen in Schengen und der städtischen Kulturkoordinatorin Hilde Reyniers aus dem belgischen Beveren, wo Nirgül in drei Wochen Station machen wird. Sie freuen sich, auf diese Weise auch europäische Gegenden kennenzulernen, die ihnen bisher noch nicht bekannt waren.

 Beim Projekt Holzi Lehmstein werden Gebrauchsmaterialien zweckentfremdet und neu positioniert, wie dieses Beispiel zeigt. Foto: Johannes Gerhards

Nirgül beginnt den aktiven Teil ihres Kunstmarathons bei Sonnenaufgang am Luisenturm. Zwischen 8 und 10 Uhr erreicht sie das Heimathaus Bockhorst, wo es den Initiatoren des Projekts Holzi-Lehmstein gelungen ist, auch die junge Generation mit zu einzubringen. „Aus alten Materialien wurden Masken gebastelt und anschließend im Quartier ausgestellt“, berichtet Rosemarie Baumeister beim mittäglichen Empfang in der Versmolder Galerie’et.

Einige dieser Täfelchen hängen an Bäumen in Borgholzhausen und Versmold. Die Sprüche sind Fragmente aus Büchern von Hartwig Kuhn. Foto: Johannes Gerhards

In der Zwischenzeit erfolgt die offizielle Einweihung des Graffiti-Projekts „Wanderbare Kunstblicke“ des britischen Künstlers Richard Holmes an der Unterführung Aabachstraße. „Nirgül hat uns alle angesteckt und begeistert“, betont Bürgermeister Michael Meyer-Hermann. Man habe die Idee gerne aufgegriffen, schließlich gebe  es hier eine vielfältige Kunstszene, zudem sei „Versmold eine Stadt, in der Europa gelebt wird“.

Für Wanderbare Kunstblicke an der Aabach Straße in Versmold sorgt ab sofort diese Straßenkunst des britischen Street Artisten Richard Holmes. Foto: Johannes Gerhards

Herzstück der aktuellen Ausstellung ist ein dreiteiliges Gemeinschaftswerk der Lebenshilfe mit dem farbenfrohen Motto „Wir sind alle verschieden und das ist wunderbar“. Für die folgende Etappe empfiehlt die Jury ein anderes Bild im praktischeren Format. Stadtarchivar Dr. Rolf Westheider macht es spannend und bringt das Bild vom europäischen Haus ins Spiel, wo „der größte Bewohner Randale gemacht hat, Amok gelaufen ist und die Nachbarwohnung terrorisiert“.

Applaus für die Idee des europäischen Künstlerwegs spendet hier Hilde Reyniers (Mitte), die städtische Kulturkoordinatorin aus dem belgischen Beveren, wo Nirgül in drei Wochen erwartet wird. Foto: Johannes Gerhards

Letztlich habe sich die Jury für den Beitrag von Petra und Hartwig Kuhn entschieden, weil hier die „klarste Ansage in Text und Bild ästhetisch vermischt wurde“. Das Versmolder Künstlerpaar hatte sich bereits am Vortag als Wortmeister und Naturpoeten mit Pflasterlyrik und Baumpoesie eingebracht. Von Sonntag bis Dienstag bleibt Nirgül im heimatlichen Isselhorst, bevor sie in den folgenden Tagen weiter gen Westen unterwegs ist. Die aktuelle Route und weitere Details sind unter www.europaskuenstlerweg.eu abrufbar.

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