Fehlbetrag von 1,7 Millionen Euro – lediglich die Ratsmitglieder von „Werther – Das geht anders!“ stimmen gegen das Zahlenwerk
Starke Mehrheit für den Corona-Haushalt
Werther
Auch wenn der im Oktober 2020 noch von Marion Weike eingebrachte Haushaltsentwurf einen prognostizierten Fehlbetrag von 1,7 Millionen Euro aufweist, verabschiedet der Rat ihn mehrheitlich. Wegen des aus ihrer Sicht „finanziellen Abenteuers“ der Blotenberg-Bebauung verweigern die beiden Mitglieder der Fraktion „Werther – Das geht anders!“ ihre Zustimmung.
Sämtliche Ratsmitglieder haben sich im diesmal wohltemperierten Evangelischen Gemeindesaal mit Maske und Abstand versammelt. Übereinstimmend wird auf langwierige Redebeiträge verzichtet, die Haushaltsreden der Fraktionen liegen nur schriftlich vor.
Einig sind sich alle, dass sich die Corona-Pandemie bei Einnahmen und Ausgaben entscheidend auswirkt und für weitere unliebsame Überraschungen sorgen kann. Erträgen in Höhe von 19.264.420 Euro stehen 20.975.355 Euro städtische Aufwendungen gegenüber. Der Fehlbetrag von 1.710.935 Euro wird in Höhe von 775.000 Euro der Ausgleichsrücklage entnommen. Aus der allgemeinen Rücklage fließen weitere 935.935 Euro ein.
„Kein Platz für kleinteilige Einzelpostendiskussionen“
Der von UWG und Freien eingereichte Änderungsantrag auf Erhöhung der Mittel für den Straßenerhalt wird mit 8 : 20 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Birgit Ernst (CDU) mahnt zur „Vorsicht im Umgang mit städtischen Finanzen“, weil „Corona uns in vielfältiger Hinsicht noch ausbremsen“ werde. Weil aber in Zeiten großer Belastungen der Zusammenhalt in der Politik gefragt sei, sehe sie keinen Platz für kleinteilige Einzelpostendiskussionen und stimme dem Entwurf zu.
Georg Hartl (SPD) kritisiert den Ansatz, pandemiebedingte Kosten zu isolieren, weil diese Verschleierung und Verschiebung zu Lasten kommender Generationen geschehe. Er hält dennoch große Ausgabendisziplin für unerlässlich. Hartl weist wiederholt darauf hin, dass ein Großteil der Kosten per Abgaben an den Kreis und durch Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene auf kommunaler Ebene nicht zu beeinflussen sei. Zusätzlich führten die Veränderungen durch Corona zu „nicht absehbaren Veränderungen in der Lebenswirklichkeit“.
WDGA rechnet vor: Alle derzeitigen Schüler verlieren durchschnittlich 4,5 Prozent ihres späteren Einkommens
Konkret wird Jürgen Schäfer (WDGA), der vorrechnet, dass „alle derzeitigen Schüler im Durchschnitt 4,5 Prozent ihres Einkommens während ihres gesamten Berufslebens verlieren“. Er befürchtet die „besonders gefährliche Mutation der Coronakrise zur Finanzkrise“ und bezeichnet die Gewerbesteuerausgleichszuweisung an die Kommunen als „Ruhigstellungsmedizin“.
Thorsten Schmolke (Grüne) vergleicht verbindliche Aussagen zu Lockdown, Kurzarbeit, Kultur und Freizeit mit dem Blick in die Glaskugel. Ein „Weiter so“ könne es schon wegen der Klimakrise nicht geben. Es gelte, den Digitalisierungsschub zu nutzen und den ökologischen Fußabdruck zu verringern. Kreative Ansätze bei Wohnen und Bauen seien gefragt, landwirtschaftliche Flächen müssten erhalten bleiben. Schmolke sieht in den einstimmig beschlossenen Vorhaben Feuerwehrgerätehaus, Neubohrung des Brunnens Schanze und Errichtung einer modernen Abwasserreinigung unverzichtbare Investitionen. Seine Fraktion würde statt Straßenausbau mehr Ausgaben ins Alltagsradwegenetz stecken.
UWG: „Grundsolider Haushaltsentwurf“
Im Namen der UWG lobt Uwe Gehring den „grundsoliden“ Haushaltsentwurf. Dennoch sieht er die Stadt um Jahre zurück geworfen, was „wünschenswerte Aktivitäten angeht, die gleichzeitig Geld kosten“. Nach Zustimmung sei die UWG jederzeit bereit, Nachbesserungen mitzutragen, „wenn die Umstände es erfordern“.
Ein Dokument des Übergangs und nicht selbstverschuldeter Unsicherheit ist der Haushaltsentwurf nach Ansicht von Jan-Holm Sussieck aus der FDP, die mit Einzelbewerber Hannes Dicke-Wentrup die Fraktionsgemeinschaft „Die Freien“ bildet. Dennoch seien gewisse „Beschleunigungen“ angezeigt – angesichts von Wassersituation, Digitalisierung und dauerhafter Gewährleistung von Flächenverfügbarkeit für Gewerbe. Trotz „unerledigter Hausaufgaben“ stimmen die Freien zu, „denn die Stadt muss handlungsfähig sein und bleiben – erst recht unter diesen Umständen“.
Einschließlich der in den Ausschüssen beschlossenen Änderungen stimmen 27 Ratsmitglieder dem Haushalt 2021 ebenso zu wie den Wirtschaftsplänen von Wasser- und Abwasserwerk. Nur Wolfgang Böhm und Jürgen Schäfer (WDGA) lehnen die Vorlage ab. Einstimmig verabschiedet wird dagegen der Stellenplan, in dem jetzt einheitliches Tarifrecht für Arbeiter und Angestellte, die künftig als Beschäftigte bezeichnet werden, gilt.
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