1. www.westfalen-blatt.de
  2. >
  3. OWL
  4. >
  5. Bünde
  6. >
  7. Die Heizungs-Expertin

  8. >

Pia Mandelkow aus Bünde ist eine der wenigen Frauen in ihrem Handwerk – Berufsschule wegen Pandemie ausgefallen

Die Heizungs-Expertin

Bünde/Kirchlenger...

Mit ihrer grauen Arbeitshose packt Pia Mandelkow den Bulli für die nächste Baustelle: Jede Menge Werkzeug – natürlich auch die Rohrzange – und Material werden eingeladen. Dann kann‘s losgehen. Seit 1. Februar arbeitet die 20-Jährige als Anlagenmechanikerin für Heizung, Sanitär und Klimatechnik, hat gerade ihre Ausbildung mit der Prüfung im Bildungszentrum Metall in Kirchlengern abgeschlossen. Von 37 Prüflingen bestanden übrigens nur 18.

Kathrin Weege

Das Auto gepackt, die Rohrzange griffbereit: Seit 1. Februar darf sich Pia Mandelkow Gesellin im Berufsbild Anlagenmechanikerin für Heizung, Sanitär und Klimatechnik nennen. Nach einer Ausbildung im Fremdbetrieb ist sie nun in die Firma ihres Vaters eingestiegen. Foto: Kathrin Weege

Egal, ob ein altes Bad „rausgekloppt“, eine neue Heizung installiert oder ein verstopfter Abfluss gereinigt werden muss – „all das ist kein Problem“, sagt die junge Bünderin, die in ihrem Ausbildungsjahrgang die einzige Frau war. Sie gibt aber zu, dass ein verstopfter Abfluss nicht gerade ihre Lieblingsbeschäftigung ist. „Da habe ich mit meinem Chef Glück, denn der ruft schnell eine professionelle Rohr- und Kanalreinigung an“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Ihr Chef ist übrigens ihr Papa.

„Viele glauben zuerst, dass er mich in diesen frauenuntypischen Job gedrängt hätte. Das ist aber überhaupt nicht der Fall“, erzählt die frisch gebackene Gesellin. Nach der Schule hatte sie zunächst ein Praktikum als Floristin gemacht.

Dort hätten ihr die Angestellten aber abgeraten, weil die Verdienstmöglichkeiten in dieser Branche sehr schlecht seien. „Ich habe dann in den Sommerferien ein Praktikum bei Papa gemacht. Und mir hat die vielseitige Arbeit direkt super gefallen“, sagt die Anlagenmechanikerin.

Viele Azubis sind durchgefallen

Wenig Glück hatte die Innung für Sanitär- und Heizungstechnik Herford mit ihrem Azubijahrgang, der im Bildungszentrum Metall in Kirchlengern seine Gesellenprüfung ablegte: Von 37 Prüflingen bestanden nur 18. Bereits im letzten Sommer war etwa die Hälfte durchgefallen. Mitglieder des Prüfungsausschusses sagten, dass offenbar viele Auszubildende die Anforderungen, die inzwischen an Gesellen als gesuchte Fachkräfte des SHK-Handwerks gestellt werden, unterschätzten. So stiegen die theoretischen wie auch praktischen Anforderungen seit Jahren – nicht zuletzt aufgrund komplexer und vielfältiger werdender technischer Systeme und zunehmender Erfordernisse beim Immissionsschutz. Für Auszubildende mit Migrationshintergrund stellten auch unzureichende Sprachkenntnisse eine große Hürde auf dem Weg zum Gesellenbrief dar.

Mit ihrem sehr guten Schulzeugnis hätte sie auch Abitur machen können. „Ich wollte aber nichts mehr nur im Sitzen machen“, sagt Mandelkow. Olaf Mandelkow hat seine Tochter allerdings nicht selber ausgebildet. „Sowas funktioniert als Vater nicht gut. Ich habe aber gleich gesagt, dass sie als Gesellin bei mir arbeiten kann“, so der Sanitär- und Heizungsbaumeister.

Ihre Lehre hat Pia Mandelkow, die die Realschule Bünde-Nord besucht hat, bei Brölhorst gemacht. „Die hatten schon mal eine Frau ausgebildet. Darum war das meine erste Wahl. Brölhorst hat mich direkt genommen“, erzählt Pia Mandelkow.

Ihre Abschluss-Noten kennt sie immer noch nicht, ihr letztes Zeugnis hatte allerdings eine eins vor dem Komma. „Wegen Corona findet die Freisprechungsfeier erst später statt. Dann erst gibt‘s die Ergebnisse.“

Doch warum sind in ihrem Ausbildungsjahrgang so viele durchgefallen? „Ich denke, dass viele diese Ausbildung im Vorfeld unterschätzen“, meint die 20-Jährige. Viele glaubten, dass es ausreiche, wenn man die Dinge auf der Baustelle hinbekäme. Sie selber hat tüchtig für die Prüfung gepaukt. Aber auch die Pandemie hat es den Azubis nicht gerade leicht gemacht. Vom März bis zu den Sommerferien hat gar keine Berufsschule stattgefunden, es gab keine Online-Angebote.

„Wir haben einfach Vollzeit in den Betrieben gearbeitet. Eigentlich wären in dem Jahr vor der Prüfung jede Woche zwei Schultage vorgesehen gewesen“, sagt Pia Mandelkow.

Aber sie hatte Glück. Ihr Vater konnte ihr bei der Vorbereitung auf die Prüfung helfen – und auch ihr Freund Björn Schneider. Den hat sie übrigens passenderweise bei der Ausbildung bei Brölhorst kennen gelernt und er ist seit Sommer ebenfalls bei Olaf Mandelkow angestellt.

Und wie reagieren die Kunden, wenn sie eine Heizungsbauerin an der Tür begrüßen? „Die meisten finden es cool“, sagt Pia Mandelkow. Ihr Vater ergänzt: „Schließlich können Frauen auch nahezu alle Aufgaben – abgesehen von schwerer Schlepperei wie beim Kessel – alles erledigen.“

Startseite
ANZEIGE